Re: Die 100 beliebtesten Sinfonien

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satiee

Registriert seit: 09.07.2006

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katharsisIch möchte gerne noch einmal darauf hinweisen, dass es nicht darum gehen soll, psychologische Konstrukte auf den Komponisten insofern anzuwenden, dass man dadurch die Musik besser versteht – und das als logische Herangehensweise zu sehen. Auch ist der Kausalschluss nicht hinreichend, bspw. Mahler hat deswegen so komponiert, da er als Kind…während seiner Ehe…undsoweiterundsofort.

Ich persönliche sehe das Primat immer in der Musik selbst, sie erreicht mich zu erst und emotional. Darüber hinaus gibt es Personen, die ich mir auf andere Art gerne aneignen möchte, oder bei der mir eben solche Abrisse der Persönichkeit erst helfen, die Musik zu verstehen und einzusortieren. Auch suche ich bei manchen Komponisten bewusst nach bestimmten Meilensteinen in der persönlichen Entwicklung, da ich meine, bestimmte Verarbeitungsmechanismen in der Musik herauszuhören.
Das ist meine persönliche Art, mich mit der Musik zu beschäftigen. Die Persönlichkeit eines Menschen steckt in allem, was dieser auch tut.

Bzgl. Oliver Sacks wollte ich noch anmerken, dass gerade er auf interessante Weise versucht, die Psychopathologie oder Sympomatologie anhand konkreter Fälle zu beschreiben und einzusortieren. So weit ist er also auch davon nicht entfernt, eben solche psychologischen Konstrukte anzuwenden und nutzbar zu machen.

Nun noch zur Top 100-Liste: Beim Überfliegen finde ich die Liste gar nicht schlecht, da vieles wichtiges enthalten ist und auch einiges an unbekannteren Werken. Natürlich kann man sich streiten ob Brahms‘ Vierte oder Dritte, Sibelius Fünfte oder eine andere und ob Mozart überhaupt drin sein muss (:teufel_2:), aber letztlich hat das auch nur wieder mit der eigenen Persönlichkeit zu tun.

Ich freue mich heute über Deinen Beitrag. Mein einstiger Zugang besonders zur SINFONIK geschah
Ende der 60er-Jahre pur autodidakt und hing mit der „Stereophonie“ zusammen. Ich war knapp 19 und
noch vollkommen unbedarft. Das ‚Primat der Musik‘, wie Du richtig sagst, fing mich zuerst emotional
ein. Anfänglich der 2. Satz Beethovens‘ 7-ter infolge einer damaligen Plattenschenkung zu einer
‚Veranstaltung‘. Erst als ich dann später erstmals auf ‚Mahler‘ aufmerksam wurde, interesssierte
mich der Hintergrund seiner Persönlichkeit. Damals (um 1971) gab’s grad neu eine rororo-Biographie
über ihn. Ausschlaggebend für mich blieb und bleibt seitdem dennoch mein ‚erster Eindruck‘ von seinem sinfonischem Werk.

Grad im Kontext zum ursächlichen Thread hier, interessiert und fasziniert mich die „Geschichte der Sinfonik“ innerst der Musikgesichte als gesonderte Form der „weltlichen Ausdrucksweise“ ausschließlich
ab Beethoven im 19.Jahrhundert. Im 20.Jahrhundert hielt sich diese ‚trad. Form‘ am Beispiel vor allem
Schostakowitsch’s selbst als indirekt bezwecktes ‚politisches Ausdrucksmittel‘. Den enormen Peinigungen, denen dieser Komponist ausgesetzt war, ist kaum mit ‚psychologisch/persönlichen‘
Analysen beizukommen, um sein ‚intellektuelles Werk‘ emotional anzuznehmen und sich seinem Werk erschliessen zu wollen. Ähnliches betr. Gorecki’s Werk, bzw. u.a. das des Alfred Schnittke.

SINFONIK bedeutet trad. in erster Linie ANHÖRAUFGABE an die von den Komponisten vorausgetzten
HÖRER. (Nicht etwa „auserkorene Konzertbesucher“ oder dergleichen Oberschichtenklientelen)
Ihre ‚universell zu verstehende Sprache‘ ist a ll e n „zum Anhören“ zur Verfügung gestellt gedacht.

Unverändert widerspricht zumindest mir daher eine 100-TOP-Liste dem bedeutenderen Sinn und Grund der
SINFONIK.

PS: O. Sacks‘ benannte Literatur behandelt ausschließlich extrem spezifische Vorkommnisse überdies aus
neurologischer Perspektive, und gesteht ja in seinen Recherchen ein, den ‚Phänomenen‘ nicht auf die Spur
gekommen zu sein.

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