Re: Die 100 beliebtesten Sinfonien

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satiee

Registriert seit: 09.07.2006

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clasjazQ.e.d. Nein, wirklich, ernste Frage: Was erklärt es denn? Dass Mahler besessen arbeitete? Das wäre eine Tautologie. Dass er selten zufrieden war mit dem Komponierten? (Was so m. W. nicht stimmt.) Meinetwegen hätte Mahler der lustigste Hans-guck-in-die-Luft sein können, unbeschwert, unpedantisch usw. – Hauptsache, er hätte seine Werke geschrieben. Bevor Du jetzt sagst: das hätte er eben nicht, wenn er nicht eine zwanghafte Persönlichkeit gewesen wäre: mag sein, aber was aus der Zwanghaftigkeit herauskommt, steht auf einem anderen Blatt, so meine ich es. Mir erschließt sich einfach der Erklärungswert einer psychologischen Diagnose für das Werk nicht – obwohl ich gar nicht bestreite, dass die Diagnose zutreffen kann oder hier auch zutrifft. Nur, für’s Hören bringt mir das gar nichts (zur Sicherheit: Betonung liegt auf „mir“).

Kunst ist immer Arbeit. Aber was das mit den Konstrukten zu tun hat, verstehe ich nicht. Dass man sie gebrauchen kann: siehe oben, natürlich, warum nicht? Hängt vom Hörer ab. Und auch, was die Arbeit an den verschiedenen Opernhäusern, die er so absolviert hat, betrifft, wüsste ich nicht, was die Auskunft, das sei Pedanterie, mir bringen soll. Dann ist er halt pedantisch. Wunderbar.

Pedanterie – das ist so eine Dachvorstellung, unter die alles Mögliche fallen kann. Nimm den Arrau, äußerst pedantisch in den Vorbereitungen seiner Einspielungen, Kenntnis des Gesamtwerks sei nötig, der Zeit, in der der Komponist gelebt hat, Notentext heilig usw. (Ich höre ihn übrigens gern von Zeit zu Zeit.) Das Ganze unter der weiteren Dachvorstellung, man müsse dem Werk „dienen“. Genau das wollte Mahler vermutlich auch, als er die Noten so mancher Leute geändert hat. Noch einmal: dann sind sie eben pedantisch, zwanghaft, whatever, aber was sagt mir das über das Spiel, über das Komponieren, über die Arbeit? Was erklärt das?

Das sind sehr gute und kritische Aspekte von Dir !
Es gibt überdies überhaupt keine Zweifel daran, daß Gustav Mahler ein für seine Zeit „modifizierender Perfektionist“ war. „Was Ihr Tradition nennt,
nenne ich Schlamperei“, war einer seiner Vorwürfe gegenüber den damaligen
Konzertbetrieben vor allem der Stadt Wien. Nicht grundlos „floh“ er davor
zuletzt nach New York!

Sämtliche seiner erst späteren bewundernden „Nachfolger“ wie Leonard Berstein und selbst Herbert v. Karajan, bescheinigten Gustav Mahler, seine ‚Instrumentierungen‘ und ‚kompexen Partituren‘ (z.b. erstmalige akkustische Einbeziehungen „fernorchestraler Anwendungen“) nahmen ungeahnt bereits vorweg, daß es erst ab den 1960’er Jahren die ‚Stereophonie‘ gab, bzw. die Notwendigkeit bestand, neue akkustisch zeitgemäßeren Innenarchitekturen für Konzerthallen zu schaffen. Eine erste davon war in Deutschland’s Nachkriegszeit die ‚Berliner Philharmonie‘.

Die Persönlichkeit Gustav Mahler’s als Dirigent, Komponist und ‚innovierender Interpret‘ z.b. der OPERN Wagner’s, (die in Wiener Zusammenarbeit mit Alfred Roller’s modifizierten Bühnenbildern ‚Bayreuth‘ seinerzeit schwer mißfielen), war in aller Hinsicht dermaßen facettenreich, daß undenkbar ist, sie und sein Gesamtwerk noch heute PEDANTISCH auf irgendeinen (gar zu primitiven, psychologischen) Nenner begrenzen und devasitieren zu können.

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