Re: Kriterien der Jazzkritik

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gypsy-tail-wind
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otis@gypsy Das Beispiel Jazzrock passt. Aber er wird in der Jazzrezeption bis auf die Genannten ohnehin nicht sondelrich ernst genommen, oder etwa.

Ich weiss es nicht… von mir nicht – aber ich werde auch immer sehr hellhörig, wenn jemand das ganze Genre abkanzeln will, denn für mic ist da in den ersten Jahren ein unglaublicher Kreativitätsschub zu beobachten. Richtig öde wird’s dann, als ein paar Jahre später alles verfestigt wurde und die Technik gegenüber der Kreativität und Spontaneität überhand nahm. Aber hinhören lohnt immer mal wieder (auch z.B. bei spätem Zawinul mit seinem Syndicate). Ich kenne mich da zuwenig aus, und ich weiss auch nicht, wieviel davon „man“ (oder die „Kritik“) ernst nimmt.

otisTut mir ja leid, da smit der Sinner Lady. Vielleicht ist Prog falsch, aber diese Anlehnung an die Klassische Moderne („wir sind zwar nur Jazzmusiker, aber guckt mal, wir können auch sowas ernst Wertvolles“) war ja auch für viele Progger Impetus zu ihrer Musik. („Wir wollen endlich „ernst“ genommen werden“) Aber ich habe die LAdy noch nicht ganz abgeschrieben.

Entschuldigungen sind überhaupt nicht nötig! Hab mir ja auch mühe gegeben mit einer übertriebenen stilisierten Antwort ;-)

StaggerleeEin anderes Beispiel: Neulich saß ich im Auto, hörte Radio- es lief Jazz. Innerhalb von zwei Sekunden war mir- anhand des Tons- klar, daß es sich um Getz handelte (ein Kriterium, daß glaube ich bei Klassik wohl nicht trägt- hier kenne ich mich aber nicht aus).

DAS ist doch auch Teil der Essenz des Jazz! Genau darum geht es, um Formen persönlichen Ausdruckes, die so verschieden sein können, dass es unzählige Musiker gibt, aus den verschiedensten Stilrichtungen, die man so erkennt. Diese Vielfalt liebe ich so sehr, und die Tatsache, dass es kein „richtig“ und „falsch“ oder „besser“ und „schlechter“ gibt, was das betrifft. Wenn alles zusammenpasst ist Pee Wee Russells Klarinette gerade so wunderbar wie Rollins‘ tausendmal virtuoseres Saxophon, Tatums Piano nicht „besser“ als Horace Parlans.

nail75Der Vergleich hinkt. Mingus litt ganz sicher nicht daran, dass ihn niemand ernstgenommen hätte. Der offensichtliche Bezugspunkt ist Ellington.

Mingus litt an sich und an der Welt… das mit dem Ernstgenommenwerden spielt bestimmt auch eine Rolle, aber ist da Teil eines viel komplexeren Ganzen. Mit Ellington hast Du bestimmt recht, er hat sich ja immer wieder (und schon sehr früh) an grossen Formen versucht, Suiten geschrieben, später dann die „sacred concerts“… teilweise war das ja auch durchaus erfolgreich, wie ich finde.

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