Re: Kriterien der Jazzkritik

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redbeansandrice

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monotonIch will Euch ja hier nicht stören und freue mich, dass Ihr Euch über Bewertungskriterien so differenziert austauscht, aber weshalb sollte es beim Jazz andere Kriterien geben, als bei jeder anderen Musik- oder Kunstart?

natürlich störst du nicht… falls das ein normatives „sollte“ ist: extrem knifflige Frage… bis zu einem gewissen Grad muss es zwischen verschiedenen Kunstarten ja verschiedene Kriterien geben, zunächstmal ganz plump, wenn ich finde, dass ein Roman sprachlich enorm gelungen ist – wie überträgt sich dieses Kriterium auf eine Bronzeskulptur…

jetzt kann man natürlich sagen, bei einem Roman das sprachliche Geschick zu rühmen, ist so oberflächlich, wie dem Gitarristen von Toto gottähnliche Fingerfertigkeit zuzugestehen, in Wirklichkeit hat Kunst so einen Kern, wo sie einen berührt, verstört, was immer – und dieser Kern ist für alle Kunstformen gleich … naja, aber das überzeugt mich nicht…

und natürlich gibt es unterschiedliche Kriterien auch innerhalb der Musik… wer John Coltranes My Favorite Things als den größten Popsong des 20. Jahrhunderts rühmt (und ich bild mir ein, dass es in der Welt der Klassik durchaus Leute gibt, die sich nicht zu Schade wären, das zu behaupten), der wird weder Coltrane noch den Popsongs gerecht… [ziemlich entnervt hab ich mal einem Konzertveranstalter, der es verdient hatte, gesagt, er sollte uns als „einfach nur Pop“ ankündigen, danach war das Verhältnis auch nicht besser…]

das ist das normative sollte… und dann gibt es noch „warum sollte es so sein“ im Sinne von, „meint ihr wirklich, dass es so ist“, ist Jazzkritik wirklich anders als andere Kritik… naja, und da würd ich sagen, sie ist es zumindest lange Zeit gewesen… ich weiß nicht viel darüber, aber allein schon die Frage, ob Jazz-Kritik eine akademische Disziplin ist, sein soll, ist nicht leicht… oder die Frage, ob es ok ist, wenn Kenny Dorham als Rezensent Aylers Spritual Unity *1/2 gibt… ;-) und natürlich haben sich Kriterien im Laufe der Zeit gewandelt… wahllos herausgegriffen: die Frage, wie gut ein Stück arrangiert ist, ist – knapp gesagt – in den 30er Jahren, 50er und 70er Jahren viel wichtiger gewesen als in den 40er und 60er…

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