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Zwei Höhepunkte in McGhees Schaffen sind meiner Meinung nach die beiden 25 cm LPs, die er für Blue Note eingespielt hat. Im Januar 1950 traf er sich mit J.J. Johnson, Brew Moore, Kenny Drew, Curly Russell und Max Roach in den WOR Studios in New York und es entstand eine vorzügliche Bop-Session die schlicht Howard McGhee betitelt wurde (BLP 5012). Besonders freut mich natürlich die Anwesenheit von Brew Moore, der damals wohl schon ein Veteran war. Sein Ton klingt leicht neblig, verhangen, aber er spielt mit viel Wärme – und er swingt! Johnson war damals sowieso der neue Maszstab, was die Posaune betrifft. Kenny Drew glänzt am Piano, mit hartem, klarem Anschlag und ein paar schönen Soli (die 1998er CD-Ausgabe von „Howard McGhee“ enthielt sinnigerweise Kenny Drews eigene 25 cm LP auf Blue Note, „New Faces, New Sounds“, die im April 1953 mit Russell und Art Blakey entstand). Drew war mit 21 nicht nur der jüngste, es war auch sein Debut im Studio – und er trug überdies vier der sechs Stücke bei! Zu seinen vier schönen Originals kommen „Meciendo“ von McGhee und der Standard „I’ll Remember April“. Die CD enthält zudem einen Alternate Take von „Lo-Flame“, einem von Drews Stücken.
Die Musik gefällt mir wohl darum so gut, weil ich sie irgendwo zwischen orthodoxem Bebop, Einflüssen vom entstehenden Cool Jazz und dem später in New York geprägten kühleren Jazz (Fruscella, Don Joseph etc) höre. Alles ist äusserst lyrisch, sowohl die Kompositionen (auch eine verschachtelte, rhythmisch diffizile wie „Lo-Flame“) und die Soli.
Im Winter 1951/52 tourte McGhee mit Oscar Pettifords band durch Japan, Korea und den Pazifik. Anscheinend sind davon AFRS-Aufnahmen zu hören, ich kenne diese aber nicht. Erschienen sind sie auf Regent und Savoy unter dem Titel „Jazz Goes to the Battlefront“, neben McGhee und Pettiford waren J.J. Johnson (tb), Rudy Williams (ts), Skeeter Best (g) und Charlie Rice (d) mit von der Partie.
Zwischen dem ersten und dem zweiten Blue Note Album sind über drei Jahre verstrichen, in denen keine offiziellen Aufnahmen von McGhee als Leader entstanden sind.
Howard McGhee Vol. 2, das zweite Blue Note Album erweist sich aber als würdiger Nachfolger des ersten. Gigi Gryce ist an Altsax und Flöte zu hören, Tal Farlow an der Gitarre, Horace Silver am Piano, dazu Percy Heath und der Drummer Walter Bolden. Zum Auftakt hören wir McGhees Latin-Nummer „Jarm“ (von der ein Alternate Take überliefert ist), dann Gordon Jenkins‘ „Goodbye“, in dem McGhee begleitet von Farlow das Thema präsentiert – grossartig, wie er sich über die Jahre zum Balladenkünstler entwickelt hat. Auf dieser Session scheint jemand die Fäden gezogen zu haben, Arrangements erstellt zu haben – Gigi Gryce läge nahe, aber ich weiss dazu leider nichts. Jedenfalls folgen zwei Gryce-Originals, „Futurity“ und „Shabozz“, das erste eine weitere Latin-Nummer, in dem Gryce selber ein exzellentes Solo beisteuert, in dem sein voller Ton sehr schön zur Geltung kommt – später sollte er oft etwas säuerlicher klingen, hier klingt er noch reiner, naher bei Parker. Auch „Shabozz“ wird teilweise über einem Latin-Rhythmus präseniert, die Soli werden aber im swingenden 4/4 gespielt. Gryce soliert an der Flöte, dann Farlow, vor McGhee ein schönes Solo bläst. Es folgt McGhees „Tranquility“ und zuletzt Boldens „Ittapnna“. Ersteres ist erwartungsgemäss eine Ballade – und McGhee glänzt einmal mehr. Silvers schöne Begleitung fällt auf – sein Spiel trägt bestimmt das seine dazu bei, dass vieles hier arrangiert klingt. Percy Heaths Bassspiel ist stark und überzeugend. In jenen Jahren – vor der Ankunft von Paul Chambers und Doug Watkins – war er mit Sicherheit einer der besten und versiertesten Bassisten!
Bis zu The Return of Howard McGhee sollten erneut über zwei Jahre verstreichen – McGhee war fast die ganzen 50er Jahr über wegen seiner Drogenprobleme weg vom Geschehen. Leonard Feather schreibt in seinen Notes zum obigen Album, es sei ironisch, dass McGhee, der wenige Jahre zuvor als „an avant-gardist, a harbringer of the new, teh fresh and teh youthful in a burgeoning movement called bop“ nun bereits ein Comeback erlebe: „He now emerges bone dry and ready for action, to assume his rightful place along the coastline.“
Leider war dem nicht ganz so, denn die wahre Rückkehr fand – nach einem weiteren Bethlehem Album 1956 mit Arrangements von Frank Hunter, wohl ein geschlecktes Balladen-Pop-Album – erst fünf Jahre später statt.
Auf dem 1955er Album aber ist McGhee gut gelaunt. An seiner Seite spielt Sahib Shihab sein Barisax, die Rhythmusgruppe ist erstklassig: Duke Jordan, Percy Heath und Philly Joe Jones. Nach dem stürmischen Opener „Get Happy“ folgt eine Latin-Nummer, McGhees eigenes „Tahitian Lullaby“. Die Stücke sind kurz gehalten (es sind insgesamt elf an der Zahl), aber die Musik macht Spass, McGhee, Shihab und Jordan überzeugen mit ihren Soli, Heath ist wie immer ein solider Anker mit grossem Sound, und Philly Joe bringt eine Spannung ins Geschehen, die neu ist – und aus dem orthodoxen Bop ein wenig ausbricht. „Lover Man“ ist wohl eine Hommage an die grossen Jahre des Bop, die 1955 unweigerlich und endgültig aus waren. McGhee nimmt das Stück zügig, spielt aber mit singendem, feinen Ton – wunderschön. Ähnlich geht es weiter, Jones lässt zwar in den schnellen Stücken seine bombs fallen, aber McGhee glänzt mit seinem lyrischen Spiel, unabhängig vom Tempo. Shihab ist ein toller Partner, steuert auch ein paar flüssige Altsax-Soli bei, und Jordan (den man in jenen Jahren viel zu selten hören konnte, er ging ja dann nach Europa) liefert auch sehr schöne Beiträge ab. Insgesamt ein eher unspektakuläres Album, das aber deutlich macht, dass man McGhee auch nach seinen steilen Anfängen noch keineswegs abschreiben durfte. Zudem ist die Zusammensetzung der Band speziell – und sagt mir zu, weil ich alle drei Mitglieder der Rhythmusgruppe mag und eine schwäche fürs Barisax habe.
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