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Am 12. Oktober spielte McGhee mit Jazz at the Philharmonice in Chicago. Am selben Tag wurde er eingeladen, in der Argyle Lounge mit einer eigenen Band zu spielen. Während dieser Zeit enstand eine Reihe schöner Aufnahmen. Die erste fand aber am 3. Dezember in New York für Dial statt, neben McGhee spielten James Moody, Milt Jackson, sowie erneut Jones, Brown und Heard.
Die Musik McGhees wird immer lyrischer, „Night Mist“ ist eine leicht exotisch-angehauchte Nummer, grösstenteils im langsamen Tempo präsentiert, irgendwo zwischen Kenton, frühem Mingus und Gil Mellé anzusiedeln wohl – sehr toll! Ebenso „Night Music“, in dem Jones das Thema über einem Pedal-Point-Bass (Coltrane im Herbst 1960 lässt grüssen! bzw. natürlich anders herum) und feinen Bläser-Akkorden präsentiert. Grossartig! Es überwiegen aber auch hier schnelle Bop-Nummern. Mit Moody und Jackson stehen McGhee zwei ebenbürtige Solisten gegenüber, Jackson elegant, Moody so rauchig wie selten. Zudem ist da Hank Jones‘ elegantes Piano – er war wohl nie mehr so spannend wie in diesen frühen Jahren.
Während des Engagements in der Argyle Lounge enstanden dann im Februar 1948 für Savoy in Chicago zwei weitere Sessions, die auf dem oben abgebildeten Album versammelt wurden. McGhees Lyrizismen werden immer öfter hörbar, Milt Jackson ist erneut ein verlässlicher und ebenso lyrischer Partner. An Moodys Stelle ist Jimmy Heath getreten, der am Alt und Baritonsax zu hören ist. Am Alt klingt er sehr stark nach Bird („Little Bird“ war ja auch sein Übername), das Bariton bringt eine völlig neue Farbe in McGhees Musik. Die Stücke sind kurz wie aus jener Zeit gewohnt, aber McGhee gelingen ein paar herzzerreissende Momente, etwa in „Sweet and Lovely“. Die Rhythmusgruppe besteht übrigens aus dem mir unbekannten Will Davis (p), Percy Heath (b) und Joe Harris (d).
Eine zweite Session (die vier Stücke sind mit den acht der ersten auf dem oben abgebildeten Album zu hören) entstand mit Billy Eckstine (vtb), Kenny Mann (ts) – und einmal mehr Hank Jones (p), Ray Brown (b) und J.C. Heard (d). Die Resultate sind etwas weniger zwingend, aber Kenny Mann hat einige gute Momente. „The Man I Love“ ist ein wunderschönes Feature für McGhee (Eckstine und Mann setzen aus). Auf „The Last Word“ ist Eckstine dann zunächst mit Scat-Gesang zu hören, spielt danach aber auch noch ein etwas linkisches Posaunensolo.
Im Frühling 1948 reiste McGhee nach Paris, um am dortigen Jazzfestival zu spielen. Am 15. und 18. Mai entstanden schöne Aufnahmen für Vogue bzw. Blue Star“. McGhee leitete ein Sextett, das neben Jimmy Heath (as), Jessie Powell (ts), Vernon Biddle (p), Percy Heath (b) und Specs Wright (d). Die Band wirkt eingespielt und hat einiges zu bieten – obgleich Powell und Biddle wenig bekannte Musiker sind. (Allmusic führt eine kurze Biographie zu Powell, Biddle scheint aber ziemlich unbekannt zu sein). Beide steuern gute Soli bei, auch Heath überzeugt, und McGhee ist mittlerweile auch bei schnellen Nummern ein sehr lyrischer Musiker. Henri Renaud schreibt in seinen Liner Notes (von 2001) zur unten oben CD, auf der die Vogue-Session zu hören ist:
…Jessie Powell, who used to play tenor with Louis Armstrong and Count Basie. … I called Percy Heath to see what had become of Vernon: he never saw him again after the Paris concerts.
Das erste Stück wurde als „Al’s Blues“ veröffentlicht (und wird teils auch unter dem Titel in Diskographien geführt), es handelt sich aber in Wirklichkeit um Tiny Kahns „Tiny’s Blues“. „Dimitar“ ist gemäss Renaud eine Widmung an den Produzenten der Session, Dimitar Ivanovic. „How High the Moon“ nahm ursprünglich beide Seiten einer 78 rpm Single ein – am Ende des Stückes spielt die Gruppe „Ornithology“, Benny Harris‘ berühmte Paraphrase des Hamilton/Lewis-Klassikers.
Die Blue Star Session umfässt sogar sieben Titel, zum Auftakt ist eine Ballade namens „Denise“ zu hören, es folgt „Nicole“… McGhee muss seine Zeit in Paris sinnvoll genutzt haben
Letzteres wird zwar im mittelschnellen Tempo gespielt, aber McGhee (mit Dämpfer) bläst ein wunderschönes Solo, das auch in den Doubletime-Passagen seinen lyrischen Charakter nie verliert. „Big Will“ ist ein Stück von Tadd Dameron (das aber unter einem anderen Titel bekannt ist – bringe das aber nicht zusammen, müsste mich durch die Dameron-Sessions hören um’s rauszukriegen), Powell bläst ein sehr solides Solo in einer unaufgeregten Art, die seine Wurzeln im Swing verrät, aber wie auf den anderen Nummern ist er keineswegs unpassend. Percy Heath überzeugt mit einem kurzen Bass-Soli hier und auf „Punkins“ und er trägt das enorm schnelle „Donna Lee“ sicher mit seinen Walking-Bass-Linien. Am besten gefallen mir aber McGhees Soli – sie mögen hie und da etwas schludrig scheinen, etwas unstrukturiert wirken, aber er schafft sehr schöne, lyrische Stimmungen. Sehr toll auch im abschliessenden „Prelude to Nicole“ (die scheint’s ihm besonders angetan zu haben), in dem er mit Dämpfer schon von Anfang an Doubletime spielt.
Zurück in New York nahm McGhee im Oktober 1948 an einer Blue Note Session von Fats Navarro teil. Milt Jackson war zurück (teils am Piano), Ernie Henry (der schon mit Navarro auf Tadd Damerons erster Blue Note Session gespielt hatte), Curly Russell und Kenny Clarke vervollständigten die Band. Es wurden zwei kurze (3 Minuten) und ein langes (6 Minuten, beide Seiten einer 78 rpm Single) Stück eingespielt, von denen jeweils zwei Takes existieren. „The Skunk“ (wohl eine Anlehnung an Damerons „The Squirrel“) ist ein mittelschnell swingendes Stück, das Navarro, Jackson, McGhee und Henry in Soli vorstellt. Zwischen den beiden Takes sind die beiden Takes von Navarros „Boperation“, einem ABCA-Stück, zu hören, in dem die Trompeter (und Henry) ein paar schwierige Doubletime-Passagen zu absolvieren haben. Navarro und McGhee teilen sich die ersten 16 Takte – man bemerkt den Übergang kaum, dann folgt Ernie Henry, und während Jackson zu den Vibes wechselt, setzt McGhee sich ans Klavier, um ihn zu begleiten. Danach folgen Exchanges von Navarro, Henry und McGhee. Das Highlight der Session sind dann die fireworks, die Navarro und McGhee auf „Double Talk“ präsentieren. Navarro spielt jeweils zuerst und McGhee hat alle Hände voll zu, um seinem ehemaligen Schützling Paroli zu bieten.
Zu hören ist das ganze auf der unbedingt empfohlenen Blue Note Doppel-CD „The Complete Blue Note and Capitol Recordings of Fats Navarro and Tadd Dameron“.
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