Re: Tal Farlow

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gypsy-tail-wind
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Ich habe das so ähnlich gestern per PN schon an nail geschickt… nochmal zu meiner Behauptung zu Tal und dem Swing:

Das mit dem Bop oder nicht ist ja interessant. Die 50er sind ja wohl jene Dekade, in der es die grösste Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigem gab, sozusagen… da waren die Be- und Hardbopper, die Cool-Jazzer und der Third Stream, kühler und heisser West Coast Jazz, zudem ein paar überlebende und neu formierte Swing Big Bands, die Swing-Musiker von der 52nd Street, das Trad-Revival (das ging ja schon ca. 1944 los, hielt aber an) und auch die Szene um Eddie Condon… da alle Musiker einigermassen verorten zu können ist nicht immer einfach – und Ihr weisst ja, dass zumindest redbeans und ich grossen Spass daran haben, das immer wieder zu versuchen. Was nun Farlow betrifft würde ich ihn – analog etwa zu Hank Jones – schon 1954 eher als einen „Klassizisten“ sehen, einen Mainstream-Musiker bevor dieser Begriff gang und gäbe wurde, der sich die harmonischen Neuerungen des Bop zunutze machte, aber in seiner Musik eleganter, lockerer (man magst sagen: unverbindlicher, nichtssagender) blieb als das die Bopper je waren… die Spielhaltung ist eine andere, eine, die ich eher aus dem Swing kenne, von Benny Carter, Coleman Hawkins, Don Byas, Teddy Wilson…
Tommy Flanagan und Kenny Burrell sind weitere Leute, die mir irgendwie vergleichbar scheinen – Burrell war zwar am Anfang klar dem Hardbop verpflichtet, aber seine Spielhaltung, der sanfte Sound, der selten irgendwo aneckt… und bei Flanagan diese Eleganz, die immer da ist – man mag das alles glatt und oberflächlich finden, aber ich glaube damit zieht man an dieser Musik vorüber, ohne zu merken, dass man die falschen Kriterien an sie anlegt… aber auch das ist wieder eine schwierige Diskussion: welches sind denn „richtige“ und welches „falsche“ Kriterien…
In Kürze: ob’s zur Zeit, als Farlow seine Verve-Aufnahmen machte, schon Bebop gab oder eben nicht, ist nicht wirklich der Punkt in meiner Betrachtungsweise. Farlow hat sich beim Bebop bedient, aber sich ihm nicht verschrieben (sonst hätte er wohl seine Schilder mit Koks bemalt…)

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