Re: Clark Terry

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Clark Terry nahm zum ersten Mal 1945 auf, V-Discs mit seinen Section Eight. Im selben Jahr enstanden auch schon Aufnahmen mit Eddie „Cleanhead“ Vinson und Charlie Barnet, mit dem weitere folgen, bis Terry 1949 bei Basie auftaucht. Im August 1950 nahm er zudem an der Jam Session in Los Angeles Teil, die auf den Wardell Gray „Memorial Albums“ von Prestige erschienen würde (mit Gray, Sonny Criss und Dexter Gordon).
Als Basie 1950 seine Band auflösen musste, blieb Terry als Mitglied des Oktetts dabei, an der Seite u.a. von Buddy De Franco und Wardell Gray.
Im Februar 1952 nimmt er an einer Capitol-Session von Louis Bellson teil – neben dem Leader sind andere Ellingtonians vertreten: Harry Carney, Billy Strayhorn, Wendell Marhsall, Juan Tizol, Willie Smith (die letzen beiden sowie Bellson holte sich Ellington beim „great James robbery“ von der Harry James Big Band), sowie John Graas und erneut Wardell Gray.
Das war dann gewissermassen der Eintritt von Terry in die Welt des Duke Ellington. Ab März 1952 („Seattle Concert“, RCA) bis Ende des Jahrzehnts sollte Terry zum Orchester gehören. Es entstanden in jenen Jahren aber immer wieder Small Group Sessions und Alben, die Terry unter seinem eigenen Namen einspielte, so nahm Terry etwa 1954 an den Jam Sessions mit Dinah Washington und Clifford Brown Teil, die auf EmArcy erschienen. Anfang 1955 folgte dann sein eigenes Debut-Album für EmArcy:

Clark Terry, sein erstes Album als Leader, entstand 1955 unter der Leitung von Quincy Jones, der auch drei der acht Originals beisteuerte. Die Band war erstklassig: Clark Terry (t), Jimmy Cleveland (tb), Cecil Payne (bari), Horace Silver (p), Oscar Pettiford (cello,b), Wendell Marshall (b), Art Blakey (d).
Jones‘ Opener „Swahili“ schafft eine schwüle Atmosphäre, das Ostinato vom Cello gepaart mit den graden Beats von Blakey (der nicht mit Fills und Effekten geizt) sowie den „wilden“ Hintergünden von Cleveland und Payne schaffen eine tolle Atmosphäre, über die Terry mit Bravour soliert. Von seiner vielgeschmähten Fröhlichkeit ist wenig zu hören, sein Ton ist äusserst expressiv, die Stimmung der Musik eher düster. Das nächste Stück, „Double Play“ (Quincy Jones), lebt von den Bässen von Pettiford und Marshall (der einer von Oscars Nachfolgern bei Ellington war und ein ziemlich unterschätzter Bassist ist). Im Intro klingt Pettifords Bass fast wie ein Cello, unglaublich, wie agil er war! Terry spielt mit Dämpfer über satte Backings der anderen Bläser – und plötzlich bricht alles ausser das Piano und Blakey weg und die Bässe führen ein angeregtes Gespräch. Sehr schön!
In Terrys „Slow Boat“ kriegt dann auch Jimmy Cleveland ein kurzes Solo – das Arrangement hier klingt fast „ducal“ zu Beginn, mit den growlenden Blechbläsern… Silver spielt ein repetivives kleines Motiv, durchsetzt mit Bluesläufen und Blakey spielt einen feinen Rhythmus, den Marshall im Halftime mit stop-and-go Effekt umspielt. Silvers kurzes Solo setzt dann die Stimmung, Pettiford folgt am Cello. Dann Terry und zum Ende eben Cleveland mit schönen kurzen Soli. Weiter geht’s mit „Co-Op“, das Terry gemeinsam mit Rick Henderson komponiert hat. Seine Trompete steht wieder im Zentrum, er spielt ein flüssiges Solo über den Backings der anderen Bläsern, und nach ihm kriegt Cecil Payne endlich ein Solo – sehr schön, wie er mit seinem sanften Sound spielt… ihm folgt Cleveland. Pettiford ersetzt Marshall am Bass.
Terrys „Kitten“ ist eine schnelle Nummer, Payne spielt das erste Solo, gefolgt von Terry. Für einmal gibt’s keinee Arrangierten Horn-Passagen, einfach eine gradlinige Performance, allerdings mit zwei Bässen… und am Ende einem schönen Piano-Solo von Silver und dann tritt Terry mit Pettifords Bass in einen kurzen Dialog.
„The Countess“ hat Terry mit Freddie Green zusammen geschrieben, dem langjährigen Rhythmusgitarristen von Count Basie. Jimmy Cleveland bläst das erste, lange Solo – ruhig und lyrisch, mit seinem schönen Ton. Es folgt Payne, auch er weiss zu überzeugen mit seinem kurzen Solo. Dann folgen Bläser-Riffs im Austausch mit Pettifords Cello, bevor er alleine über der Rhythmusgruppe weitersoliert und dann an Silver übergibt. Dieser klingt hier eine Spur freier, offener in seinem Spiel als auf seinen eigenen Alben – als könnte er freier improvisieren, wenn er nicht seine eigene Musik quasi vom Piano aus arrangiert. Terry spielt dann das letzte Solo in dieser längsten Nummer des Albums.
Quincy Jones‘ „Tuma“ ist die einzige Ballade des Albums, Terry spielt hochexpressiv, mit vokalem Ton und diesem Singsang-Effekt, der entsteht durch die Technik, wohl mit halben Ventilen und auch dem Ansatz, Töne zu spielen, die nur ein klein wenig entfernt sind, Mikrotöne gewissermassen – das gibt diesen Singsang-Effekt. Pettiford ersetzt hier und auf der folgenden Nummer Marshall am Bass.
Zum Abschluss folgt mit Terrys „Chuckles“ nochmal eine schnelle, einfach gemachte Nummer, Payne, Cleveland, Terry und Silver mit der Rhythmusgruppe sind die Solisten, arrangiert ist hier wenig – und das macht mir so geradesoviel Spass wie die Stücke, bei denen Quincy Jones seine ausgefeilten Arrangements beigesteuert hat.

Das nächste Album, an dem Clark Terry als Leader beteiligt war, war eine typische Leonard Feather Sache: Cats vs. Chicks präsentierte eine Band aus Männern (Terrys) und eine aus Frauen (Terry Pollards), die dieselben drei Stücke sowie gemeinsam eine abschliesende Nummer spielen.
Clark Terrys Truppe ist eine auserwählte: Urbie Green (tb), Lucky Thompson (ts), Silver (p), Tal Farlow (g), Pettiford bzw. Percy Heath (b) und Kenny Clarke (d). In Pollards Band spielen Norma Carson (t), Corky Hecht (harp), Beryl Booker (p), Mary Osborne (g), Bonnie Wetzel (b) und Elaine Leighton (d).
Die drei Stücke von Terry Band sowie der Jam mit Pollard, Carson und Osborne sind auch auf der Verve CD-Ausgabe von „Clark Terry“ zu finden (Verve Elite Edition CD, PolyGram 1997), das ganze Album findet sich – gepaart mit dem ähnlichen „Hot vs. Cool“, in dem Feather 1952 die Bands von Jimmy McPartland und Dizzy Gillespie gegeneinander antreten liess – auf einer CD des deutschen Membran Labels („Original Long Play Albums #11“, 2005).
Terrys Band spielt schön, mich freut natürlich besonders die Möglichkeit, Lucky Thompson zu hören, aber auch Farlow und Terry selbst haben schöne Momente. An der Gruppe von Terry Pollard sticht vor allem die Harfe von Corky Hecht heraus – die Gruppe klingt dadurch spezieller als diejenige von Terry. Und natürlich stehen Pollard, Osborne und Booker ihren männlichen Kollegen in nichts nach! Die Rhythmusgruppe ist jene von Bookers Trio, sie macht ihren Job wie immer kompetent, aber auch ohne allzu Aufregendes beizutragen. Carson soliert mit einem grossen, etwas altmodischen Ton – ich kenne sie abgesehen von dieser Session bisher nicht.
Jedenfalls ist das ganze mehr ein Gag als ein gelungenes Album – dazu ist es zu inkonsistent, zu kurz – aber es gibt manche schönen Momente von beiden Bands. Erwähnenswert etwa Lucky Thompson auf „The Man I Love“ und das Gitarren-„Duell“ auf „Anything You Can Do (I Can Do Better)“.
(Die Membran-CD sollte billig zu finden sein – und lohnt auch, zumal bei McPartland u.a. Vic Dickenson und Edmond Hall zu hören sind, sowie bei Gillespie auch Buddy DeFranco, Ray Abrams und Max Roach.)

Mit Duke Ellington und diversen Ellingtonians entstanden auch verschiedene Small Group Alben mit Terrys Mitwirkung. So nahm er 1955 ein Album mit Jimmy Hamilton auf oder war einer der drei Solisten (neben Hamilton und Paul Gonsalves) auf Ellingtons Album The Cosmic Scene. Zudem erschien Terry auf einer langen Reihe grossartigen Big Band Alben von Ellington, darunter „Ellington Uptown“, „A Drum Is a Woman“, „Ellington at Newport“ (mit Gonsalves‘ bahnbrechendem Solo auf „Diminuendo and Crescendo in Blue“), „Such Sweet Thunder“, „Festival Session“ oder „Anatomy of Murder“. Daneben enstanden diverse Alben unter Leitung von Johnny Hodges und 1956 dann ein Meilenstein des modernen Jazz mit Thelonious Monk:

Brilliant Corners wurde im Dezember 1956 für Riverside eingespielt, Monks Band bestand aus Ernie Henry, Sonny Rollins, Oscar Pettiford und Max Roach, und auf einem Titel – dem einfachsten des Albums, „Bemsha Swing“ – sprangen Clark Terry und Paul Chambers für Henry und Pettiford ein.
Ein grossartiges Album, woran mitgewirkt zu haben stolz machen dürfte, auch wenn’s bloss für ein Stück war… ein toller Nachschlag mit Monk sollte aber bald folgen!
In der Zwischenzeit entstanden aber u.a. ein paar Aufnahmen mit dem Trio von Bud Powell und Barney Wilen in Paris.

Im April 1957 nahm Terry dann sein erstes eigenes Album für Riverside auf, Serenade to a Bus Seat. An seiner Seite fand sich eine exzellente Hardbop-Band ein: Johnny Griffin, Wynton Kelly, Paul Chambers und Philly Joe Jones. Terry ist dieser hochkarätigen Band durchaus gewachsen, auch wenn das Resultat am Ende nicht ganz so hervorragend ausfällt, wie die Besetzung hoffen lässt. Zum Auftakt gehts mit „Donna Lee“ mitten ins Herz des Bebop, Griffin glänzt mit einem schönen Solo, Terry folgt mit Fours mit Philly Joe – wohl eine gute Idee, denn ob er in diesem Stück ein Griffin ebenbürtiges Solo hingekriegt hätte, wage ich jetzt mal zu bezweifeln – sein Spiel ist dialogisch, expressiv, lebendig auf eine Art und Weise, die mehr im „alten“ Jazz verwurzelt ist als im modernen Jazz. Gerade deswegen sind die Ellingtonians so gut geeignet als musikalische Gefährten für Terry. Nach dem rasanten Opener geht’s relaxter zur Sache und in „Boardwalk“ glänzt Terry bereits… sehr schön der minimale Amen-Kick-Off, der jeden Chorus startet – diese kleinen „touches“ mag ich enorm, auch den Shout-Chorus zwischen Terrys und Griffins Soli – das ist mir viel lieber als die ausgeklügelten Arrangements, wie sie etwa Quincy Jones fürs Debut-Album geschrieben hat (allerdings war das natürlich um Terry zu präsentieren das ideale Setting, das Q da geschaffen hatte). Griffin und Terry entfalten einen schönen Dialog… das Stück stammt übrigens wie alle ausser Parkers „Donna Lee“ und den beiden Standards „Stardust“ und „That Old Black Magic“ (in Latin-Version mit Terry an der cowbell) von Clark Terry. „Boomerang“ ist eine typische schnelle Hardbop-Nummer, besser kommt Terry wieder im mittelschnellen „Digits“ zur Geltung – die Rhythmusgruppe swingt wunderbar. Im schnellen Titelstück (eine Hommage an Terrys lange Jahre als reisendes Big Band Mitglied, die bald zu Ende gehen sollten) glänzt wieder vor allem Griffin, aber in „Stardust“ kommt Terry als Balladenkünstler wunderschön zur Geltung – sein Ton singt, dieses feine Vibrato… er macht es singen, wie eine Stimme! Wunderbar! Griffin bläst eins seiner gedämpften Doubletime Balladen-Soli, bevor Terry zurückkehrt und das Thema zu Ende führt… sehr schön, wie Paul Chambers begleitet! Mit „Cruising“ folgt dann das längste Stück der Session, wieder im mittelschnellen Tempo, das für Terry ideal ist. Philly Joe begleitet sehr toll… er, Griffin und Kelly (es war Philly Joes zweiter, Griffins und Kellys erster Auftritt auf einem Riverside-Album) sollten in der Folge zum harten Kern von Riverside gehören. Zum Abschluss folgt das mit zwei Minuten kürzeste Stück: ein Latin-Arrangement von „That Old Black Magic“, in dem Terry cowell spielt, Griffin dürfte wohl die Schlaghölzer bedienen… während die Rhythmusgruppe einen tollen Vamp unter Terrys Themenpräsentation aufbaut. Griffin spielt die Bridge über Walking 4/4 und Terry bringt die hübsche Miniatur dann wieder über dem Vamp zu Ende.

Ein paar Monate später entstand das zweite Riverside-Album von Terry, Duke with a Difference – hab ich leider noch nie gehört. Es spielen an seiner Seite: Johnny Hodges, Paul Gonsalves, Britt Woodman, Quentin Jackson, Tyree Glenn (nur Vibraphon), Billy Strayhorn, Jimmy Woode und Sam Woodyard. Das Programm besteht erwartungsgemäss aus Ellington-Klassikern wie „In a Sentimental Mood“, „Take the ‚A‘-Train“ oder „Come Sunday“.

Im Sommer 1957 nach Terry ein kurzes, etwas seltsames Album für Argo auf, Out on a Limb – es dauert mit neun Stücken weniger als 26 Minuten und präsentiert ihn mit einer abgesehen von Jimmy Woode und Sam Woodyard ziemlich obskuren Band: Mike Simpson (ts,fl), Willie Jones (p) und Remo Biondi (g).
Zu Willie Jones gibt’s hier eine faszinierende Website:
http://hubcap.clemson.edu/~campber/wiljo.html
Terry ist front and center hier, ausser ihm kriegt nur Mike Simpson ein paar Soli, Jones spielt genau eines (in „Phalanges“) und klingt überhaupt ziemlich eingeschränkt hier, was wohl auch mit der Gitarre von Remo Biondi zusammenhängt. Simpson soliert solide-muskulös aber eben, das ist Terrys Show, und ich finde er übertreibt es hier ein wenig, wenn auch gewisse Stücke wie der „Trumpet Mouthpiece Blues“ sehr gefallen. Auch das Wechselspiel von Terry/Simpson in „Daddy-O’s Pation Blues“ weiss zu überzeugen. In „Taking a Chance on Love“ spielt Biondi ein kurzes Intro und Jones begleitet dann das Thema sehr schön – Terry glänzt auch hier wieder mit einer wunderbaren, lyrischen Balladen-Interpretation.

Richtig zur Sache ging’s dann aber ein paar Tage später beim nächsten Argo-Album…

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