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Weil dieses lustige Wort im Forum häufig fällt, habe ich nun endlich einmal nachgelesen, was sich hinter “Fremdschämen” eigentlich verbirgt.
Dr. Mück meint:
Neigung, Interesse und Fähigkeit andere Menschen wahrzunehmen und sich mit diesen gegebenenfalls zu identifizieren, sind von Mensch zu Mensch unterschiedlich stark ausgeprägt. Es wird vermutet, dass vor allem solche Personen zu Fremdscham neigen und darunter leiden, denen in der Kindheit nicht die Fähigkeit vermittelt wurde, ausreichend genau zwischen eigenen und fremden Gefühlen zu unterscheiden. Die jeweiligen Bezugspersonen haben nicht vorgeführt, wie man darauf achtet, wo ein Gefühl zu lokalisieren ist und wie man auf eigene und fremde Gefühle reagieren kann (Emotionskompetenz). In der Folge werden die bei anderen wahrgenommenen oder vermuteten Gefühle dann immer wieder mit eigenen vermengt, weil dem Gehirn – mangels Vorbild – eine innere Instanz fehlt, die solche Unterscheidungen vornehmen könnte.
Um Fremdscham zu spüren, muss man generell für Scham empfänglich sein. Wer sich vermehrt schämt, weil er in seinem Leben bedeutsame beschämende Erfahrungen machen musste, ist sicher auch vermehrt für das Erleben von Fremdscham anfällig. Unser Gehirn versucht das innerlich nachzuspielen, was wir bei anderen beobachten. Dafür braucht unser Gehirn genügend vorausgegangene Erfahrungen, um mit deren Hilfe die Simulation (innere Hochrechnung) durchzuführen. Wer viele Erfahrungen mit Scham gemacht hat, bei dem wird das Gehirn bereitwillig und häufig Simulationen (in Form von Fremdscham) zur Verfügung stellen, wenn es glaubt, im Verhalten eines anderen Menschen genügend Hinweise für Peinliches gefunden zu haben. Wenn sich jemand in herkömmlicher Weise sehr schämt, hat er oft ein schwaches Selbstbewusstsein und neigt dadurch zu psychischen Problemen, wie etwa einer sozialen Phobie (Vermeiden des prüfenden Blicks anderer) oder einer Depression. Bei einer Fremdscham scheinen solche Konsequenzen auf den ersten Blick weniger wahrscheinlich.
Fremdscham wird in aller Regel aber nicht isoliert auftreten, sondern setzt ein ausreichend starkes generelles Schamempfinden voraus. Wenn jemand verstärkt unter Fremdscham leidet, ist sein Hauptproblem daher wohl eher darin zu sehen, das der Betreffende überhaupt zu vermehrter Scham neigt. Dem Schämen an sich und weniger der Fremdscham sollte dann die Hauptaufmerksamkeit gelten. Wie alle Gefühle hat auch die Fremdscham einen Mitteilungscharakter: Fast immer zeigt sie an, dass sich unsere Vorstellungen davon, wie sich Menschen verhalten sollten (uns selbst eingeschlossen) nicht mit unseren aktuellen Beobachtungen und Erfahrungen decken. In einem solchen Fall sollte man sich weniger Sorgen über die Gefahren des Fremdschämens machen, sondern sich fragen, ob man das eigene Verhalten nicht so verändern kann (etwa durch vorbildhafteres eigenes Auftreten), dass der Fremdscham der Boden entzogen wird.
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