Re: Bryan Ferry – OLYMPIA

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Hamburger Abendblatt:

Hamburg. Böse Zungen behaupteten, dass Bryan Ferrys Musik zuletzt nicht mehr mit der Qualität seiner edlen Anzüge Schritt halten konnte. Und als hätte er sie vernommen, erhob er sich von seinem Landsitz in Sussex, verkroch sich in dunkle Tonstudios und spielte mit „Olympia“ ein neues Werk ein. Das erste mit Eigenkompositionen – und nur zwei Coverversionen – in acht Jahren.

Frisch, beinahe fohlenhaft klingt es und verströmt eine Aura der sinnlichen Verheißungen und des Glamours unter der Discokugel wie zuletzt das laszive 80er-Jahre-Werk „Bête Noire“. Der ewige Pop-Dandy singt, als wäre er in einen Jungbrunnen gefallen. Auch im Musikvideo zur ersten Single „You Can Dance“ ist alles endlich wieder so, wie man es von dem Briten erwartet.

Schöne Frauen, die Augen dramatisch geschwärzt, räkeln sich in einem Klub in Paillettenfummeln unterm Konfettiregen. Dionysisch berauscht von der Musik, die der inzwischen 65-jährige Ferry von der Bühne singt. Die Gitarren zucken erotisierend, die Backgroundsängerinnen legen einen Teppich der Schwüle unter das inzwischen leicht altersschwache Hauchen des Sängers. So kannte man ihn schon seit Anfang der 70er-Jahre, als er mit den Alben seiner stilprägenden Band Roxy Music zum Leitwolf des New Wave und der New Romantics avancierte.

Oder später, als er mit der elegant inszenierten Oberfläche des frühen Erfolgssolos „Boys And Girls“ (1985) einen Kontrapunkt zum mürrischen Punk setzte. Längst hatte er sich vom Glam-Rocker zum Gentleman-Entertainer gewandelt.

Zuletzt verlegte sich Ferry überwiegend auf mal mehr, mal weniger wohlwollend beurteilte Coveralben oder Bob-Dylan-Interpretationen. Zwischendurch traf er sich gelegentlich mit den Roxy-Music-Weggefährten zu Konzertreisen, die in achtbarer Würde über die Bühne gingen.

Schon immer war Ferry ein bekennender Konservierer des Wahren, Guten und Schönen, einer, der sich nicht mit lautem Protest, sondern mit natürlicher Aristokratie gegen die Anstrengungen der Postmoderne stemmt. Drogen und Depressionen hinterließen nur kurze, unschöne Spuren in seinem Leben. Seine kreativen Freiräume führt der Sohn eines Landwirts und späteren Bergmannes auf seinen bourgeoisen Lifestyle zurück. Von außen betrachtet sieht der eher nach luxuriöser Langeweile als nach Rock ’n‘ Roll aus. Seit Jahren wird er häufiger zur richtigen Kaschmirqualität oder zur modernen Malerei befragt als zu seiner Musik. Dabei ist Ferry in seinen Anfängen auf dem Terrain der Pop-Ästhetik durchaus mal ein Revoluzzer gewesen. Allerdings einer, der Kunst durch Leiden und tief empfundene Melancholie entwickelt. Und dafür braucht es nur kein mieses Frühstück oder sonstige Segnungen der Bohème.

Bei den acht neuen Songs zitiert Ferry ausgiebig seine Vergangenheit, kleidet sie jedoch im kühlen Stilgewand des neuen Jahrtausends. Klangvoll liest sich die Liste der Mitstreiter. Erstmals seit dem Roxy-Music-Werk „For Your Pleasure“ (1973) hat sich Ferry wieder mit Phil Manzanera, Andy Mackay und Brian Eno zusammengefunden. Man war sich nicht immer grün, wie die unzähligen Trennungen und Versöhnungen in der Geschichte von Roxy Music belegen. Auch Pink Floyds David Gilmour, Radioheads Jonny Greenwood, Ex-Stone Roses-Bassist Mani und Flea von den Red Hot Chili Peppers steuern ein paar Akkorde bei. Es ist auch ein Familienprojekt. Zwei der vier Ferry-Söhne sind beteiligt. Tara saß am Schlagzeug, Isaac stand für die DVD hinter der Kamera.

Im Discofeger „Shameless“, eingespielt mit dem Housekollektiv Groove Armada, wirkt Ferry juvenil wie nie. Preist den Zauber des Rock ’n‘ Roll in einer schamlosen Welt. Weniger glücklich fällt das Ergebnis einer Kollaboration mit den Scissor Sisters aus. In „Heartache By Numbers“ lebt er mit der angesagten Dance-Truppe aus New York seine sentimentale Seite aus. Auch im Stadium fortgeschrittener Reife bringt Bryan Ferry das Pop-Thema Nummer eins, die Liebe, glaubwürdig über das Mikrofon. Am schönsten in dem epischen „Reason Or Rhyme“ mit einem vor Sehnsucht jaulenden Piano. Aus „Me Oh My“ spricht ein wenig altersweiser Weltschmerz, der sich zwischen das hippe Disco-Hüpfen wunderbar fügt. Um olympische Pop-Disziplinen bewirbt sich Ferry nicht mehr.

Mit Supermodel Kate Moss blickt eine aktuelle weibliche Ikone des Glamours vom Plattencover, so wie einst 1975 Jerry Hall vom Roxy-Music-Werk „Siren“. Diese Masche, die sich vom ersten Roxy-Music-Album an durchzieht, nicht jedoch in den Solowerken, bezeichnet Ferry heute als seinen Beitrag zur Pop-Art, die er einst bei ihrem Begründer, Richard Hamilton an der Universität in Newcastle studiert hat.

Der Albumtitel „Olympia“ spielt nicht umsonst auf das Werk eines anderen großen Künstlers an, des französischen Wegbereiters der modernen Malerei, Edouard Manet. Die nackte, auf Männer lauernde Frau, die er 1863 als „Olympia“ malte, verursachte seinerzeit einen Skandal. Ein neuer ist aufgrund des Ferry-Albums nicht zu befürchten. Nie würde das Verruchte, sinnlich Herausfordernde bei Bryan Ferry die Grenzen des Ästhetischen überschreiten.

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Wenn ich meinen Hund beleidigen will nenne ich ihn Mensch. (AS) „Weißt du, was ich manchmal denke? Es müsste immer Musik da sein. Bei allem was du machst. Und wenn's so richtig Scheiße ist, dann ist wenigstens noch die Musik da. Und an der Stelle, wo es am allerschönsten ist, da müsste die Platte springen und du hörst immer nur diesen einen Moment.“