Re: Art Blakey & The Jazz Messengers

#7744943  | PERMALINK

gypsy-tail-wind
Moderator
Biomasse

Registriert seit: 25.01.2010

Beiträge: 68,139

Hab heute nachmittag „The Big Beat“ mal wieder gehört – schönes Album, und da find ich eigentlich jedes Stück toll, den Opener „The Chess Players“ und ganz besonders „Lester Left Town“ mit seiner eingänigen Melodie allen voran, beide von Shorter. Aber auch Bill Hardmans „Politely“, Shorters „Sakeena’s Vision“ und das Arrangement von „It’s Only a Paper Moon“ gefallen mir – letzteres ist eh ein Standard, den ich gerne öfter hören würde (Bennie Wallace hat ihn auch ganz wunderbar eingespielt). Und dann ist da natürlich noch der schönste von Bobby Timmons‘ drei grossen Hits, „Dat Dere“. Trotzdem ist das eine solide * * * *-Scheibe und nicht mehr, es fehlt der Funke, der die Musik, die Band entzünden würde.

Dann habe ich die ganzen Live-Mitschnitte gehört, die gesammelt auf der Fresh Sound Doppel-CD „Unforgettable Lee! Live at Birdland feature with Art Blakey’s Jazz Messengers“ zu finden sind, wie so oft nicht dem eigentlichen Leader zugeschrieben (sondern wie der Titel verrät, Mogie).
Da lässt leider die Aufnahmequalität zu wünschen übrig und gemacht wurde gar nichts – Tape-Flips, diese Verzerrungen, wenn ein Tonband rasch auf Tempo gebracht wird oder stoppt… alles drin, die übliche spanische Billig-Produktion halt, die viel zu teuer ist und viel mehr suggeriert, als sie einzuhalten vermag. Aber die Musik ist ebenfalls mindestens solide – ich glaube das ist vielleicht auch ein weiterer Punkt, warum ich mit dem Quintett dieser Zeit nicht so glücklich werde wie mit dem Sextet: denn allen Quintett-Alben kann man gefahrlos * * * * Sterne verpassen, drüber reicht’s höchtens bei… ja wo denn? „The Freedom Rider“ vielleicht? Oder doch „A Night in Tunisia“ und „Like Someone I Love“? Drunter geht’s allenfalls mit „Roots and Herbs“, „Africaine“ (noch von 1959 mit Walter Davis Jr. am Piano) oder „The Witch Doctor“ (aber auch da nicht unter * * *1/2, denke ich).

Jetzt hab ich die erste CD von „Meet Me at the Jazz Corner of the World“ eingelegt, und der Opener ist schon mal verdammt klasse – heisst „The Opener“ und stammt vom verehrten Hank Mobley. Wie die Band da Druck machen kann, das ganze aber umgehend durch die lyrische Linienführung entschärft wird – das ist wie ein fortwährendes Locken, ein Versprechen, eine Hand, nach der man immer wieder zu greifen versucht ist, sie aber doch nicht erreichen kann.
Vielleicht ist neben dem mittelprächtigen Sound der Aufnahme (ich bleibe dabei, aber wie gesagt, ich kenne nur die RVG-CD) auch as Repertoire schuld daran, die drei Mobley-Tunes sind natürlich klasse, sind aber insofern auffällig, als sie eben vom Vorgänger Shorters stammen, der schon seit Sommer 1959 nicht mehr in der Band war (er hatte in der ersten Hälfte des Jahres Benny Golson abgelöst). Daneben gibt’s ein Stück von Morgan („What Know“), Shorters „The Summit“, und dann ein paar Standards („The Breeze and I“ von Ernesto Lecuona, „The Things I Love“) und dann noch „Round About Midnight“, eher ein Missgriff für die Band, oder nicht? Jedenfalls sind die Messengers keine Band, die Monks Musik gerecht werden könnte, sie können sie interpretieren, wie man auch Standards interpretieren kann, und das machen sie bestimmt okay, ein paar andere Monk-Tracks waren ja auch länger im Repertoire… oder war’s nur einer, „Evidence“ aka „Justice“?
Das spielt wohl alles mit rein, mittelprächtiger Sound, mittelprächtig aufgelegte Band, etwas seltsames Repertoire… aber klasse gemacht ist das natürlich alles. Geht mir irgendwie ähnlich wie bei Cannonball Adderleys zur gleichen Zeit in ähnlichem Masse wachsenden Diskographie: alles solide, gut gemacht, tolle Band… aber richtig zünden kann das eben nicht jedes Mal.

Adderleys Stimme liebe ich allerdings so sehr und sie ist in seiner Band so präsent, dass es mich weniger stört, wenn sonst mal eher Flaute oder Routine herrscht… das kann ich von Lee Morgan zwar auch sagen, aber er ist niemals so präsent in den Messengers… und Shorter ist selbstverständlich auch immer hörenswert und am Ende mit Sicherheit der wichtigste Messenger dieser ganzen Jahre, also 1959-64, aber seine Stimme ist nicht eine, die mich direkt im Herz, im Bauch anspricht, sondern eine, die oft etwas mehr Aufmerksamkeit fordert – was ihn ja gerade auszeichnet in diesem Rahmen.

--

"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba