Re: Art Blakey & The Jazz Messengers

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If you feel like pattin‘ your feet, pat your feet, ’n If you feel like clappin‘ your hands, clap your hands, ’n if you feel like takin‘ off your shoes, take off your shoes. We are here to have a ball. So we want you to leave your worldly troubles outside and come in here and swing, ladies and gentlemen!

~ Lee Morgan, Ansage zu „Close Your Eyes“ auf Art Blakey & The Jazz Messengers at the Jazz Corner of the World, Vol. 1, Blue Note BLP 4015

Im Frühjahr 1959 nahmen die Messengers als erstes Mal Benny Golsons Musik für einen seltsamen, aber toll gemachten Animationsfilm über sicheres Autofahren mit deutlichem christlichen Einschlag auf, Stop Driving Us Crazy – der ganze Film ist auf Youtube zu sehen (LINK). Ein Spion vom Mars kommt auf die Erde, um diese auszukundschaften, weil auf dem Mars der Sauerstoff ausgehe…

Vom 7. bis 13. Januar spielen die Messengers in Chicago im Sutherland Hotel. Das war wohl Golsons letzter Auftritt mit der Band (Morgan war wegen Lungenentzündung abwesend). Beim nächsten Gig im Apollo in Manhattan (6. bis 12. Februar) war wohl Hank Mobley zurück.

In dieser Version ging die Gruppe am 8. März ins Studio von Rudy Van Gelder – eine unveröffentlichte Blue Note Session:

Art Blakey And The Jazz Messengers
Lee Morgan (tp) Hank Mobley (ts) Bobby Timmons (p) Jymie Merritt (b) Art Blakey (d)
Rudy Van Gelder Studio, Hackensack, NJ, March 8, 1959

tk.5 Jimerick Blue Note rejected
tk.10 Quick Trick –
tk.14 Hipsippy Blues –
tk.15 M And M –
tk.19 Close Your Eyes –
tk.21 Just Foolin‘ –

Ausser den ersten beiden Stücken wurde diese Musik fünf Wochen später live im Birdland mitgeschnitten.

Am 29. März fand dann eine der eigenartigsten Sessions in Blakeys Karriere statt: im Duo mit Paul Chambers nahm er für Blue Note zwei Stücke auf, Irving Berlins „I’ve Got My Love to Keep Me Warm“ (erstmals auf einer Blue Note Compilation-CD unter dem TItel „Blue Berlin“ erschienen) und „What Is This Thing Called Love“. Beide Stücke sind auf der Connoisseur-CD „Drums Around the Corner“ sowie auf dem Mosaic Select von Paul Chambers zu hören. Die Musik ist sehr schön, ich würde gerne mehr davon hören! Chambers‘ sicheres Spiel (pizzicato auf dem Berlin-Stück, arco bei Porter) und Blakeys tolle Begleitung lassen jedenfalls nichts vermissen!

Die beiden Duos waren wohl ein Nebenprodukt der Sonny Clark-Session, die am selben Tag in Van Gelders Studio stattfand. Sie wurde mit einiger Verspätung als GXF 3056 unter dem Titel „My Conception“ veröffentlicht und brachte Blakey und Mobley mit ihrem alten Kollegen Donald Byrd sowie Chambers und Clark zusammen.

Gemäss der Lee Morgan Chronologie (S. 26) wurde Hank Mobley im Frühjahr mal verhaftet – ich weiss dazu nichts.

Am 15. April 1959 entstanden nach über fünf Jahren Blakeys zweite Live-Aufnahmen für Blue Note im New Yorker Birdland. Zwei Volumes von Art Blakey and the Jazz Messengers at the Jazz Corner of the World (BLP 4015/16) waren das Resultat. In ihrer Bedeutung reichen diese Aufnahmen nicht an die 1954er mit Clifford Brown und Horace heran, für mich persönlich zählen sie aber zu den schönsten Blakey-Aufnahmen, auch weil sie das längste und beste Dokument aus der kurzen Zeit von Hank Mobleys Rückkehr in die Messengers sind und dieser im Frühjahr 1959 in sehr guter Form war und mit Morgan eine perfekte Frontline bildete (die beiden nahmen über Jahre hinweg immer wieder gemeinsam für Blue Note auf).

Pee Wee Marquette kündet die Band an und die die legt mit Mobleys „Hipsippy Blues“ los, einer klassischen Hardbop-Nummer mit absteigenden Akkorden und typischen Stakkato Effekten. Mobley soliert als erster, funky, voller überraschender Wendungen, Blakey feuert ihn von Beginn mit einem fetten Backbeat an, Merritt walkt mit grossen Sound, oft mehr gespürt als gehört, und Timmons wirft sparsam mal harte, mal weiche Akkorde ein. Morgan folgt – er war damals erst 21 Jahre alt aber bereits absolut Herr über sein Instrument und auch in der Lage, mit seiner stupenden Technik musikalisch umzugehen, sie zu zügeln, effektvolle Soli zu blasen. Wie er seine Ideen entwickelt, auch über die Grenzen der einzelnen Chorusse hinaus verfolgt, wie er in double time fällt und wieder zurück findet, über stotternde Motive aus rasanten Läufen in einfache funky Figuren wechselt, das ist sehr toll gemacht. Timmons‘ Spiel verdichtet sich zunehmend und sein Solo wächst fast bruchlos aus Morgans hinaus.
Monks „Evidence“ folgt, wie üblich bei Blakey unter dem alternativen Titel „Justice“. Morgan spielt das erste Solo, sehr effektvoll und intensiv, aber er fliegt eher über das Stück hinweg als dass er hineintaucht. Mobley hingegen greift in die vollen, taucht in Monks Welt ein – es wäre bestimmt spannend gewesen, zu hören, wie er in Monks Quartett jener Zeit geklungen hätte! Timmons und Blakey gehen mit ihm mit, die Begleitung ist seines Solos würdig. Timmons folgt mit einem kurzen Solo, Merritt walkt einen Chorus, dann folgt Blakey (mit einigen tollen triolischen Rhythmen gegen Ende). Mit einer zweiminütigen Version „The Theme“ endet das erste Viertel der Aufnahmen (es werden vier zwanizigminütige Sets suggeriert). Timmons ist der Solist, Pee Wee Marquette sagt die Gruppe ab, dann folgen arrangierte Shout-Chorusse und ein paar Takte von Blakey.
Nach Morgans oben zitierter Ansage beginnt das zweite Viertel mit „Close Your Eyes“. Die Bläser sind im Thema sehr hübsch arrangiert, umspielen die Melodie fast zärtlich. Morgan spielt das erste Solo, voll mit Ideen und nahe am Thema in der ersten Bridge. Wie er kleine Motive spinnt, variiert, aus nichts scheinbar endlos Ideen bezieht, das beeindruckt mich immer wieder! Mobley folgt, im Gegensatz zu Morgans hartem, attackenreichen Solo spielt er getragen, legato. Leonard Feather findet in seinen Liner Notes, Timmons folge mit seinem besten Solo der Platte – seine Artikulation ist glasklar, sein Anschlag hart, seine Linien funky, und Blakey hält sich sehr zurück mit seiner Begleitung, swingt wie wild aber lässt Timmons dabei sehr viel Raum.
Mit Mobleys „Just Coolin'“ (von Blakey als Foxtrot angesagt) endet dann das erste Album. Das Stück war auf Mobleys erstem Blue Note 25cm-Album zu hören (gespielt von den Original-Messengers ohne Dorham). Vor den Soli von Mobley und Morgan wird eine kleine Ensemble-Figur gespielt, das Stück ist überhaupt sehr effektvoll arrangiert. Die zweite Seite des ersten Albums ist wohl die nachdenklichste der ganzen Aufnahmen.
Volume 2 beginnt mit einem tollen Gospel-Original von Ray Bryant (mit äusserst weltlichem Titel): „Chicken an‘ Dumplins, meiner Lieblingsnummer der beiden LPs. Morgan und Mobley spielen das Stakkato-Thema im Unisono, die Bridge kontrastiert dann mit einer absteigenden fliessenden Linie. Mobley spielt das erste Thema, Timmons bleibt in der Akkord-Begleitung vom Thema und trägt Mobley komfortabel durch sein Solo, das sehr direkt und einfach gemacht ist aber doch auch Raum für ein paar seiner typischen verspielten Figuren und raffinierten harmonischen Tricks lässt. Morgan folgt, setzt gleich mit einem half valve Effekt ein. Sein Solo ist fast karg, sehr funky – wie auch Timmons‘ Solo, das in einem Groove bleibt, den wir von Ray Bryant kennen. Die Bläser riffen dann, Timmons‘ Figuren beginnen zu rollen, für einen Moment könnte man fast glauben, im anderen off shoot der Messengers zu sein, dem Horace Silver Quintett. Aber dann kommt kurz Blakey und alles ist klar. Das Thema wird repetiert und aus…
Mobleys „M & M“ (Mobley und Morgan) folgt. Blakey kocht in diesem schnellen Tempo, Mobley spielt das erste Solo, das Highlight kommt dann von Morgan, melodisch und voller Selbstvertrauen und Sicherheit. Auch Timmons kommt mit dem Tempo prima zurecht, Blakey streut bei ihm wie bei den Bläsern tolle Fills in seine Begleitung. Blakey steht dann auch im Mittelpunkt einer Reihe von 8er und 4er Austäuschen mit den Bläsern.
Dann folgt eine weitere der raren Fremdkompositionen, Randy Westons „Hi-Fly“. Weston hatte das Stück anscheinend 1958 am Newport Jazz Festival einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt, Melba Liston hat das Arrangement für die Messengers beigesteuert. Morgan und Mobley sind etwas zurückhaltender als üblich, Timmons klingt hier ein wenig nach Bud Powell. Auch Blakeys Fills im Ensemble, das folgt, sind voller Understatement (und Witz). Merritt spielt die Bridge am Ende, Morgan und Mobley hängen jeweils nur von Timmons begleitete eine Art Coda im Rubato an, dann folgt nochmal ein Teil des Themas – sehr schönes Arrangement, ausgeklügelter als das meiste, was die Messengers sonst spielten. Zum Ende folgt eine nicht auf dem (CD-)Cover verzeichnete kurze Version von „The Theme“.
Mit einer ausgewachsenen Version von „The Theme“ beginnt die letzte Albumseite. Das Stück wird eine Spur langsamer angegangen als in den kurzen Versionen, Morgan soliert als erster, Blakey hält sich zu Beginn noch zurück, glänzt aber bald schon mit einer dichten, swingenden Begleitung. Mobley folgt, Blakey kocht und überschäumt förmlich vor Spielfreude. Auch Timmons folgt mit einem heissen Solo, gegen Ende von den Bläsern begleitet.
Das letzte Stück der Aufnahmen ist Gildo Mahones‘ „Art’s Revelation“. Das Thema ist halsbrecherisch, aber Merritt walkt stabil und scheinbar mühelos. Mit tollen Soli von Morgan, Mobley und Timmons und grossartigem Spiel von Blakey als Begleiter wie auch als letztem Solisten endet diese hervorragende Aufnahme.

Am 4. Juli 1959 spielen die Messengers noch immer mit Mobley am Newport Jazz Festival:

Art Blakey and the Jazz Messengers
Newport Jazz Festival
Newport, RI (USA), Freebody Park
July 4, 1959

Lee Morgan – trumpet
Hank Mobley – tenor sax
Bobby Timmons – piano
Jymie Merrit – bass
Art Blakey – drums

1. M & M 9:36
2. Close your Eyes 9:58
3. Moanin‘ 10:55
4. A Night in Tunisia 10:31

TT: 41:01

Das Konzert wird aufgezeichnet und ausgestrahlt. Wir haben hier die Gelegenheit, eine neue Version von „A Night in Tunisia“ zu hören, die einiges schlanker geraten ist (mit der „second edition“ dauerte meist schon das Drums/Perkussions-Intro sechs bis sieben Minuten). Ebenfalls hören wir, was Mobley mit Timmons‘ „Moanin'“ anstellt und haben erneut die Gelegenheit, „M & M“ und „Close Your Eyes“ (das einzige ruhigere Stück dieses treibenden Sets) zu hören.

Die Messengers spielten weitere Engagements in dieser Besetzung. Am 24. Juli in Toronto tauchte Mobley jedoch nicht auf und der Name Wayne Shorter findet Eingang in die Geschichte der Band – der entsprechende Eintrag der Morgan Choronologie (S. 28):

Jul 24 (Fri)
Toronto, Canada

2:30 p.m. CNE Grandstand. First Canadian Jazz Festival. Hank Mobley fails to make the gig and Morgan petitions Wayne Shorter, who is at the festival with Maynard Ferguson, to join the band. Shorter does not join the band on this occasion but joins a week later at the jazz festival in Indiana.

Zuerst fanden aber am 28. und 29. Juli im Nola Studio in New York die Sessions für den Soundtrack von Roger Vadims Les Liaisons Dangereuses statt, an denen eine weitere Überraschung stattfand: Barney Wilen spielte anstelle von Mobley.
Es war erneut Marcel Romano, der die Musik für Vadims (mittelprächtigen) Film organisierte. Thelonious Monks Quartett war im Film ebenfalls zu hören, auf der LP erschien aber nur Blakeys Teil. Sieben der zehnt Stücke wurden von den Messengrs mit Wilen gespielt, die zwei Takes von Duke Jordans „No Hay Problema“ (der Latin-Version seines „No Problem“, von dem ebenfalls zwei Takes eingespielt wurden) entstanden mit Blakey and the Afrocuban Boys (Timmons, Merritt, Blakey, John Rodriguez an Bongos sowie Tommy Lopez und William Rodriguez beide an Congas). Das Highlight der Sessions ist das Stück „Prelude in Blue“, das Wilen im Quartett mit Duke Jordan am Piano sowie Merritt und Blakey präsentiert – am Sopransaxophon.

Weitere Details von Romano aus einem Interview, das im März 1988 aufgenommen und für die Liner Notes der CD-Ausgabe von 1988 (zweites Cover) ausgeschlachtet wurden:

The very first project for „Les liaisons dangereuses“ was to record Thelonious Monk in Paris during a tour that in fact had to be cancelled. So I had to go to New York with the screenplay and precise timings for each scene so I could organise the recording at Nola’s studio. Part of the music was recorded by Monk with Sam Jones on bass, Art Taylor on drums, and Charlie Rouse and Barney Wilen on tenor saxes.
You can hear this session in the film but it was never issued on record. The second part, which appears on this CD, was recorded over the two days following the session with Thelonious Monk.
For most of the titles, the musicians are Art Blakey’s Jazz Messengers, with Barney Wilen on tenor. Barney, who had just come back from Newport, where he’d appeared with Toshiko Akiyoshi and Roy Haynes [und wo Blakey ihn wohl gehört hat], was temporarily in the band, between Benny Golson [bzw. Hank Mobley] and Wayne Shorter. The titles recorded by the group became the soundtrack to the party-scenes at Miguel’s, where you can see the quintet of Kenny Dorham, Duke Jordan and Barney Wilen onscreen [die Band, mit der Wilen sein grossartiges Album „Barney“ wie auch den Soundtrack zu „Un témoin dans la ville“ eingespielt hat].
So it’s not Kenny Dorham you can hear, but Lee Morgan and it’s the same with the rest of the band. Barney had moved over to soprano saxophone a few months before, and he’d created a unique style on the instrument. It’s important to note that in this respect he was a real innovator, for John Coltrane didn’t record on soprano for another year, and Steve Lacy was still in the background.
Duke Jordan had been very active in the preparation of these sessions, but he only recorded „Prelude in Blue.“
The Afro Cuban Boys only existed as such for the duration of this session.

~ Marcel Romano, Liner Notes zu „Art Blakey – Les Liaisons Dangereuses“, Fontana CD 1988

Duke Jordan hat seine Musik drei Jahre später dann auch noch selber aufgenommen, sie erschien zuerst auf einer LP bei Parker Records, später bei Collectables auch auf CD (LINK), ich kenne sie bisher allerdings nicht. Jordans Sidemen waren Sonny Cohn (t), Charlie Rouse (ts), Eddie Kahn (b) und Art Taylor (d).

Wilen klingt funky, hat überhaupt kein Problem damit, in so exzellenter Gesellschaft zu spielen. Sein Ton am Tenor klingt zwar wie immer biegsam und beweglich aber auch körnig und eine Spur härter als auf seinen ganz frühen Aufnahmen. Wir hören insgesamt wie gesagt viermal Duke Jordans „No Problem“, zweimal in einer Latin Version mit Timmons‘ Piano im Zentrum, zweimal im Quintett als typische Messengers-Nummer. Jordan selbst begleitet Wilen auf „Prelude in Blue“ am Piano. Wilens Ton am Sopran ist weich und geschmeidig, klingt eher so wie später Lucky Thompson am Sopran klingen sollte als nach Coltrane. Jordans eigenes Pianosolo passt perfekt, auch er spielt weicher, musikalischer, pianistischer als Timmons. Auch „Valmontana“ ist in zwei Takes zu hören, von wem es stammt weiss ich nicht, offiziell sind alle Tracks einem Jacques Marray zugeschrieben. „Miguel’s Party“ ist dann eine typische Gospel-Nummer, könnte von Timmons sein. Die zweite Version von „Prelude in Blue“ wird dann von den Messengers mit Wilen am Tenor gespielt. Wie „Miguel’s Party“ ist auch das kurze „Weehawken Mad Pad“ nur einmal zu hören, es bleibt aber mit unter zwei Minuten Dauer eine Skizze.

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba