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Art Blakey’s Jazz Messengers were set to make a European tour that includes Scandinavia and a week in Paris in mid-November, returning about the end of the year.
~ Down Beat 11/13/1958, S.10 / Quelle, 2011-05-03
– Olympia Theatre, Paris, France (November 22, 1958) 1958 Paris Olympia (Fontana) [two concerts]
– Saint-Nazaire, France (November 24, 1958) (French tour organized by Marcel Romano)
– Marseille, France (November 25 & 26, 1958)
– Vara Kurhaus, Scheveningen, The Netherlands (November 29, 1958) (Radio-Mitschnitt – Bootleg: Live In The 50’s (Jazz Band 2128) [date of 11/19 is incorrect as France was first stop]
– Concertgebouw, Amsterdam, The Netherlands (midnight November 29/30, 1958)
– Brussels, Belgium (November 30 1958) [Jazz Magazine 12/58 p.10]
– Rouen, France (December 1, 1958) [Jazz Magazine 12/58 p.10]
– Fontainebleau, France (December 2, 1958) [Jazz Hot 1/59 pp.37-38]
– Karlsruhe, Germany (December 1958) (private recording)
– Volkhaus, Zurich, Switzerland (December 4, 1958) (Radio-Mitschnitt)
– Club St. Germain, Paris, France (December 6 & 7, 1958)
– Club St. Germain, Paris, France (December 13 & 14, 1958) [13.12.: Matinee + La Nuit de l’Argo. 11:00p.m.–4:00a.m. (Jazz Hot 12/1958)]
– Marseille, France (December 1958) [Jazz Hot 4/59 p.36]
– Olympia Theatre, Paris, France (December 17, 1958) 1958 Paris Olympia (Fontana)
– France (December 18-19, 1958) Des Femmes Disparaissent (Fontana 660224)
– Wagram Hall, Paris, France (December 20, 1958) [jam session, Jazz Messengers may have participated]
– Club St. Germain, Paris, France (December 21, 1958) Au Club St. Germain Vol. 1-3 (RCA 430043)basiert auf: Art Blakey Chronology / 2011-03-05, Lee Morgan Chronology / 2011-03-05
Die Tour begann am 22. November im Olympia in Paris – das Konzert wurde mitgeschnitten und später auf Fontana veröffentlicht. Der Andrang war so enorm, dass für den 17. Dezember ein zweites Konzert angesetzt wurde – es war wohl sowieso geplant, dass die Tour wieder in Paris enden würde. Es war für alle fünf Messengers der erste Besuch in Paris. Die Band war neu, unbekannt – und schlug ein! Jeden Abend, ausser einmal, als sie anscheinend Blakey allein liessen und ausserhalb des Club St. Germain herumlungerten – der Grund: Differenzen über die Finanzen… was denn sonst.
Blakey hat nach dem Konzert vom 22. November gemäss Alain Tercinets Liner Notes zur oben abgebildeten Jazz in Paris CD (#69, 2001 erschienen) unter Tränen gesagt: „I’ve never played for such an audience“ – und in der tat, die Musik ist heiss, die Band und besonders Blakey selbst speit Feuer. Brigitte Bardot war angeblich (in Begleitung von Sacha Distel – ebenfalls anwesend. Die Aufnahmen wurden auf einer LP (Fontana 680 202) sowie auf einer EP (Fontana 460 642) veröffentlicht.
Los geht’s mit drei Stücken vom 22. November, „Just By Myself“ ein vergleichsweise verhaltener Opener, dann Morgan wunderbar in „I Remember Clifford“, wohl Golsons schönste Ballade. Mit dessen drittem Stück in Folge, „Are You Real“, endet dann die erste Hälfte der Aufnahme (und Seite 1 der LP) – Blakey ist von Anfang an unglaublich präsent, Golson spielt das erste Solo, lässt sich sehr lange Zeit und lässt uns zuhören, wie ein tolles Solo konstruiert wird. Sein altmodisch-robuster Ton, der Hawkins mehr als jedem anderen zu verdanken hat, gibt einen tollen Kontrast zu den moderneren Sounds der Band. Morgan folgt, auch er von Blakey getrieben und hie und da in einen Dialog verwickelt… Timmons rifft unter ihm – die Musik Golsons ist sehr süffig, ohne je anbiedernd simpel rüberzukommen. Nach Timmons‘ Solo folgen Exchanges von Blakey mit Morgan, Golson und Timmons, in denen Blakey fast soviel rumbrüllt wie er Schlagzeug spielt… dann folgt Jymie Merritt am Bass.
Weiter geht es mit den Aufnahmen vom 17. Dezember. Timmons‘ „Moanin'“ ist mit fast 14 Minuten das längste Stück und wohl auch das Highlight der CD. Morgans Solo ist weniger zwingend als im Studio, die Übergabe an Golson erfolgt mit derselben Phrase, dieser spielt ein weiteres sehr tolles Solo und Blakeys Backbeat macht riesigen Spass (auch wenn er zu laut im Mix ist – v.a. Timmons geht etwas unter, Merritt wird mehr gefühlt als gehört, aber sehr stark gefühlt – und das passt zu seinem Spiel, er wird also von der Aufnahme recht gut bedient). Timmons spielt ein grossartiges Solo und auch hier weiss Merritt wieder zu überzeugen. Der letzte Track der LP war Monks „Justice“ (aka „Evidence“), von Blakey mit einem tollen Drum-Solo eröffnet, bevor das fragmentierte Thema gespielt wird und dann über ein rasantes 4/4 soliert wird. Morgan fliegt als erster, auch Golson ist toll, Blakeys Begleitung ebenfalls.
Auf der EP erschien der ganz grosse Hit der Band, der „Blues March“, sowie eins von Benny Golsons allerschönsten Stücken (und wohl mein Lieblingsstück von ihm), „Whisper Not“. „Blues March“ beginnt mit Blakeys Trommeln, dann wird über den stampfenden Bass das Thema präsentiert. Morgan spielt das erste Solo, verspielt, voller toller Ideen und sehr diskursiv und vokal, mit gebogenen Noten und all seinen kleinen Tricks. Wunderbar, wie er sich mit Timmons und Blakey verzahnt (einiges war wohl in der allabendlichen Routine einigermassen festgelegt). Blakey spielt ein Interlude, dann folgt Benny Golson – es klingt, als könnte es genau da, wo er einsteigt, einen Edit haben – vielleicht musste man fürs EP-Format mehr von Blakey rausschneiden? Auch der Wechsel zurück ins Thema klingt sehr abrupt, ein Piano-Solo fehlt ebenfalls… schade, aber dennoch eine tolle Performance. Eine vollständige hören wir dann im Mitschnitt aus dem Club St. Germain, der ein paar Tage später entstand.
Mit „Whisper Not“ endet die Aufnahme – Golsons Stück schlängelt sich dahin, Timmons füllt mit sanften Akkorden und Linien, Golson summt quasi, während Morgan mit Dämpfer und feinem Ton die Melodie bläst und Merritt/Blakey zeigen, dass sie auch anders können als extrovertiert zu swingen. Morgan spielt das erste Solo, mit Dämpfer und singendem Ton, viel näher an Miles kam er wohl nicht wieder, aber er klingt selbst mit dem harmon mute mehr nach sich selbst als nach sonst jemandem. Timmons Piano-Solo ist verspielt, weicher als sonst, rollend. Leider scheint hier dann Golsons Solo zu fehlen (allfällige Edits sind aber besser gemacht worden) – dabei ist das eins der Stücke, auf dem ich ihn am allerliebste höre… aber egal, auch das ist eine sehr tolle Aufnahme!
EDIT: anscheinend stammen keine Aufnahmen vom 17. Dezember, sondern die betreffenden Stücke stammen vom 21. aus dem Club Saint-Germain – das sagt jedenfalls die Diskographie von Bruyninckx in einer Anmerkung. Die Lee Morgan-Chronologie widerspricht dem allerdings.
Benny Golson äusserte sich gegenüber Guy Kopelowicz (dessen Name im CD-Booklet als „Guy Kopel“ wiedergegeben wird) vom Jazz Magazine folgendermassen:
WHISPER NOT isn’t „funky“ in my opinion. The theme’s more of a ballad and it was very easy to write. It was all finished in half an hour. I REMEMBER CLIFFORD took me several weeks, but I’d never written a composition like it before. I wanted to create a melody that the public would remember easily, and associate it with Clifford Brown. With BLUES MARCH I tried to recreate the atmosphere of the first jazz orchestras playing and parading in the street.
~ zit. nach: Alain Tercinet, Liner Notes zu „Art Blakey – 1958 Paris Olympia“, EmArcy 832 659-2, 2001 („Jazz in Paris #69“)
Am 18. und 19. Dezember spielten die Messengers in einem unbekannten Pariser Studio die Musik für Edouard Molinaros Film Des femmes disparaissent ein. Golson hat die Musik wohl zum grössten Teil (unter Einbezug existierender Kompositionen bzw. Fragmenten daraus) eingerichtet, offiziell haben Blakey und er sie gemeinsam verfasst. Zudem gibt’s einige Blakey-Solos.
„Ne chuchote pas“ ist „Whisper Not“ (der Titel wurde bloss übersetzt). Sehr stimmungsvoll, überhaupt: wie Golson vibratoreich spielt und Morgan dazu mit Dämpfer säuselt… es gibt aber auch bewegte Momente wie den „Mambo dans la voiture“, der aber auch nur Fragment bleibt wie das meiste, wie auch „Whisper Not“. Die einzigen längeren Stücke sind „Blues pour Doudou“, „Blues pour Marcel“ und „Blues pour Vava“. Die „Générique“ gehört vor allem Blakey selbst, „Juste pour eux seuls“ enthält nach Morgans Auftakt ein tolles Solo von Golson, danach Timmons, der aber klingt als spiele er hinter einem dicken Theatervorhang – das Stück ist übrigens sonst als „Just By Myself“ bekannt und steht am Anfang des Olympia-Albums.
Die drei Blues sind themenlose Improvisationen und ein Tribut an das Talent dieser Band – denn sie sind das beste dieser durchaus charmanten Session. „Doudou“ gehört nach etwas walking bass ganz Lee Morgan, der einmal mehr mit Dämpfer spielt. „Marcel“ beginnt mit Bobby Timmons – zu sagen er klänge hier gut wäre übertrieben, aber besser als auf „Just By Myself“ – gefolgt von Benny Golson – beide spielen schöne, soulvolle Soli. Timmons weicher, weniger pointiert als sonst, Golson langsamer, luftiger, mit mehr Pausen als üblich, sehr schön auch, wie er ganz ans tiefe Ende des Saxophons geht – am Ende ist auch das hier wieder ein fantastisches Solo! Morgan steigt mit einem Beinahe-Gershwin-Zitat ein, wieder mit Dämpfer und ziemlich viel Hall (Vorbild war wohl Miles‘ im Vorjahr aufgenommener genialer Soundtrack für Louis Malles „L’ascenseur pour l’echafaud“ – Marcel Romano war jedenfalls der Mann hinter den Kulissen).
„Blues pour Vava“ wird sehr langsam gespielt, gehört ganz Golson. „Pasqiuer“ ist ein einminütiges Piano-Solo von Timmons. „La divorcée du Léo Fall“ ist ein sehr charmanter zweiminütiger Walzer, in dem Morgan das Thema präsentiert und Golson eine Gegenmelodie spielt. Morgan ertrinkt im kurzen Solo fast im Hall.
Der Soundtrack erschien in den 90ern auf einer Fontana-CD mit den Stücken, die eine Jazz at the Philharmonic All Stars Band (Roy Eldridge, Dizzy Gillespie, Coleman Hawkins, Stan Getz, Oscar Peterson, Herb Ellis, Ray Brown und Gus Johnson) in wechselnden Kombinationen für Marcel Carnés Film „Les Tricheurs“ eingespielt hat (ursprünglich auf einer Barclay EP erschienen). Die CD Jazz & cinéma Vol. 2 (Jazz in Paris #50) enthält auch „Les tricheurs“ und „Des femmes disparaissent“ sowie zwei seltene Stücke, die Georges Arvanitas im Quintett (mit Bernard Vitet und François Jeanneau) für Roger Vadims „La bride sur le cou“ eingespielt hat (das ist ein Teil-Reissue einer Barclay EP, ich weiss nicht, ob der Rest von jemand anderem war, Platz für weitere Stücke wäre jedenfalls auf der CD gewesen, sie dauert nicht mal 50 Minuten). Und off-topic: Die neue Collectors Edition CD von Les tricheurs enthält einiges zuvor unveröffentlichtes Material, auf dem Sonny Stitt noch zu den JATP All Stars stösst.
Im Volkhaus Zürich wurden die Messengers am 4. Dezember 1958 mitgeschnitten. Die ganze Aufnahme dauert ca. 110 Minuten und es macht grossen Spass, das zu hören! Der Sound ist etwas dünn, man hört zwar den Bass noch besser als im Olympia, aber die Drums klingen sehr hoch und das Piano ist viel zu tief im Mix. Es gibt einen Bootleg auf Solar Records, ich kenne ihn nicht, kann mich also nicht zur Qualität äussern… meine CDRs klingen ziemlich schwankend aber am Ende auch nicht schlechter als die Aufnahmen aus dem Olympia in Paris.
Die Setlist: The Theme, Moanin‘, Whisper Not, Evidence, Now’s the Time, I Remember Clifford, Just By Myself, Along Came Betty, My Funny Valentine (Timmons/Merritt-Duett), Come Rain or Come Shine, A Night in Tunisia. Das ist eine interessante Setlist, zeigt sie doch deutlicher als der Mitschnitt aus dem Olympia, dass die Messengers ein breites Repertoire hatten, das über die neuen Kompositionen der Bandmitglieder herausgehen mussste. Da ist wieder Monk (das war aber auch das einzige seiner Stücke, das die Messengers im Programm hatten), da sind Bebop-Klassiker (wobei „A Night in Tunisia“ ja das Titelstück eins der bis dahin besten Blakey-Alben war), zudem kriegen Merritt und Timmons ein kleines Duo-Feature (eine Praxis, die Cannonball Adderley später mit Sam Jones und Joe Zawinul auch im Programm stehen hatte). Fünf der elf Stücke stammen allerdings von Benny Golson, der klar die prägende Figur dieser Band war, auch wenn Morgan der explosivere Solist war, der mit seinem Übermut die Gruppe sehr stark prägte.
„The Theme“ ist ein rasanter Opener, der Blakey nciht nur mit einem Intro sondern auch einem Solo präsentiert. Nach der Ansage der Band folgt „Moanin'“ – die Drums scheppern viel zu laut, aber Morgan bläst ein tolles Solo und der Groove ist unglaublich… Golson folgt, bläst eins seiner swingenden, mitreissenden und dennoch enorm lyrischen und geschmackvollen Soli, dann Timmons, das Piano ist jetzt gut zu hören, der Bass von Merritt spielt mit dem Beat, zieht, schleppt, nimmt Bezug auf Timmons – sehr schön. Es folgt „Whisper Not“… und da ist er wieder, dieser schleichende Swing, leicht verhangen, lyrisch, aber unglaublich süffig (die Changes, das Piano, der Bass!) – ein ganz bezauberndes Stück! Morgan soliert mit Dämpfer, Golson folgt, sein Ton weich und riesig, mit viel Luft und gebogenen Tönen, Vibrato – wie ein alter Meister. Unglaublich eindrücklich, wie er in der zweiten Hälfte des Solos rasante Linien bläst, aber sein Ton keine Spur dünner wird, er die melancholische Stimmung keine Sekunde verrät! Grossartig! Nach Timmons schönem Solo folgt der charakteristische Shout-Chorus (der eher ein Whisper als ein Shout ist) mit Two-Beat Bass und Blakeys sattem Swing mit den Besen.
Monks „Evidence“ (das Blakey in „Justice“ umbenannt hat) folgt, Morgan ist der erste Solist und hebt sofort zu einem sehr tollen Solo-Flug ab. Nach Golsons Solo walkt Merritt – zu mehr reichts bei diesem Tempo nicht, aber sein Solo ist nichtsdestotrotz gelungen. Blakey folgt. Danach gibt’s einen Schnitt… und es folgt „Now’s the Time“, zu dessen Beginn die Musiker ihre Instrumente stimmen – auf der Solar CD steht das Stück am Anfang des Konzertes, das kann gut sein, ist bei mir aber nicht so. Jedenfalls dauert die Musik hier über dreizehn Minuten, Blakey legt los mit einem Intro und spielt dann auch schon eine Variation über Parkers simples Thema. Merritt gesellt sich dazu. Dann spielen Morgan und Golson das Thema und Golson spielt das erste Solo, während dem Blakey schon mächtig Dampf macht. Golsons Solo bleibt lange basic, zeigt seine Wurzeln in der alten Tenorschule, streckenweise glaubt man gar, einen Texas tenor zu hören. Morgan folgt, Blakeys Einwürfe sind aberwitzig, streckenweise droht fast der Beat abhanden zu kommen… doch da ist stets Merritt, der alles erdet (ich würde gerne wissen, was Blakey vor dem Konzert genau konsumiert hat… und ja, das hier klingt in der Tat sehr nach Eröffnungsnummer), aber hier in Morgans Solo auch davonzurennen scheint… das Tempo zieht jedenfalls ganz enorm an. Timmons Solo folgt, Blakey scheint für einen Moment ruhiggestellt…
Die zweite Hälfte beginnt dann mit „I Remember Clifford“ (bin mir da allerdings ziemlich unsicher, ob das wirklich der Opener war – aber Morgan ist wunderbar), gefolgt von „Just By Myself“ und „Along Came Betty“ (bei dem plötzlich die Lautstärkte doppelt so hoch ist und der Klang insgesamt anders – der lange Mitschnitt wird wohl in mehreren Tranchen am Radio gelaufen sein). Morgan stottert in seinem Solo langsam los, Timmons setzt hinter ihm aus… und es ist wunderbar zu hören, wie Morgan sich in ein immer intensiveres Solo hineinsteigert! Golson folgt mit einem ebenbürtigen Solo, dann Timmons, auch er sehr toll. Grossartig auch der punktierte Shout Chorus dieses Stückes – Golson war mit Sicherheit einer der tollsten Komponisten aus der Hardbop-Ära. Es folgt „My Funny Valentine“ im Duo von Timmons und Merritt, dann „Come Rain or Come Shine“, der Standard, der auch auf dem jüngsten Album der Band zu finden war. Timmons‘ Feature ist sehr schön – er nahm „My Funny Valentine“ auch für sein Riverside-Debut „This Here Is Bobby Timmon“ auf. „Come Rain or Come Shine“ wird im mittelschnellen 4/4 gespielt, Golson ist der erste Solist. Timmons Solo hier ist sehr typisch für seinen frühen Stil – der Wechsel aus Block-Akkorden und Single-Note-Läufen, dazu diese abfallenden Kaskaden (in Akkorden), der harte, knackige Anschlag, der wohl den schönsten Steinway noch hätte scheppern lassen… er gefällt mir mit den Messengers und Adderley sehr, aber er gefällt mir nicht immer, wenn er allein unterwegs war – da fehlt manchmal ein Ausgleich und seine Spielweise wird mir hie und da doch zuviel (also eigentlich zuwenig).
Zum Abschluss spielen die Messengers dann „A Night in Tunisia“ und mit dem tollen Stück (schöne Soli aller, inklusive Merritt) und einer grossartigen Solo-Kadenz von Golson endet das Konzert.
Schade, dass es keinen offiziellen Release davon gibt, würde ich mir sofort kaufen!
Kenn jemand zum Domino-Boot etwas sagen? Ist der Sound konstant und akzeptabel?
Zum Abschluss der Tour traten die Messengers zum dritten Mal im Club St Germain in Paris auf. Am Abend des 21. Dezember nahm RCA Victor die Gruppe auf (war der Blue Note Vertrag kein exklusiver? Oder durften diese Aufnahmen in den USA nicht erscheinen? Weiss jemand dazu mehr?). Das Ergebnis waren drei Volumes Art Blakey et les Jazz Messengers au Club St Germain, später mit dem Zusatz 1958 versehen und auf einer Doppel-CD erschienen.
Die Qualität der Aufnahme ist mit Sicherheit die beste und die Band erfüllt die hohen Erwartungen mühelos. Im Opener, Bill Hardmans „Politely“ (später auf dem Blue Note Album „The Big Beat“) ist der Groove perfekt, Golson soliert als erster Blakeys fetter Backbeat treibt Morgan in ein grossartiges langes Solo (in dem er am Anfang mal noch „Why Don’t You Do Right“ zitiert). Timmons schrammt dann auch ein wenig an „Why Don’t You Do Right“ vorbei, der Groove bleibt toll, er steigert ihn sogar noch in seinem stark rhythmisierten Solo. Die Band beginnt hinter ihm „all night long“ zu singen und als Merritt mit dem Bass-Solo beginnt ist die Party-Laune perfekt… er zititert „Wade in the Water“.
Mit „Whisper Not“ kühlt die Stimmung ab. Das Stück ist wesentlich kürzer als in Zürich, Morgan soliert mit Dämpfer, am Anfang so verhalten, dass er kaum zu hören ist, Timmons schleicht sich erst nach einer Weile ein, um die süffigen Akkorde zu legen. Golson ist einmal mehr hervorragend, sein Solo vokal und stellenweise in seinen wilden Sprüngen fast schon ans Spiel von Dolphy ein paar Jahre später erinnernd. Es folgt der „whisper Chorus“ und aus.
Die zweite Seite von Vol. 1 beginnt mit „Now’s the Time“, lange Soli von Golson, Morgan (mit verrückten Einwürfen von Blakey), Timmons und Merritt. In „The First Theme“ hören wir zuerst Morgan und dann Golson, Blakey begleitet beide sehr aktiv, Timmons‘ comping ist zurückhaltend.
Vol. 2 startet mit „Moanin'“, das diesmal „Moanin‘ with Hazel“ betitelt ist – und da ist er wieder, Blakeys fetter Backbeat – und auch die Partylaune stellt sich umgehend wieder ein. Morgan und Golson spielen tolle Soli, dann folgt Timmons, rollend, repetitiv – wie es ihm meistens gelingt, die Spannung zu halten ist schon ein Kunststück. Blakey unterstützt ihn allerdings sehr dabei, dann folgt Merritt. Mit „Evidence“ endet dann drittte Plattenseite, Monks Stück wird wieder halsbrecherisch schnell gespielt, Blakey wirft bombs wie der Bopper, den er in seinen frühen Jahren war, Morgan segelt hoch und elegant, Golson greift tief rein ins Stück von Monk, Merritt walkt ein paar Takte, dann folgt Blakey und nochmal das verhalten vorgetragene Thema.
Die zweite Seite beginnt mit „Blues March“ (mit dem Anhang „for Europe N° 1“ versehen), der Nummer, die damals in Paris wie eine Bombe eingeschlagen haben muss. Frank Tenot und Daniel Filipacchi hatten damals auf Europe 1 eine tägliche Jazz-Sendung names „Pour ceux qui aiment le jazz“ – das fand Blakey damals so unvorstellbar toll, dass er ihrem Sender das Stück gewidmet hat. Morgan spielt ein sehr tolles Solo, gefolgt von Blakey (ein kurzes Interlude), Golson, Timmons und Blakey. Mit dem Standard „Like Someone in Love“ endet Vol. 2, Timmons öffnet das Stück solo, dann steigen Merritt und Blakey mit einem mittelschnellen Beat ein und die Bläser präsentieren das Thema in fliessenden Linien. Morgans steigt mal wieder mit (fast) nur einem Ton in sein Solo ein – ein wunderbares Solo, das in seiner Gelassenheit für einen so jungen Musiker sehr erstaunlich ist. Zusammen mit der Rhythmusgruppe folgt dann eine längere Passage in double time, Golson und Timmons folgen.
Vol. 3 öffnet mit „Along Came Manon“ (üblicherweise bekannt als „Along Came Betty“), wieder mittelschnell walkend, wieder soliert Morgan zuerst und das Tempo liegt ihm perfekt. Golson steigt sehr ruhig ein, spielt leise, Timmons setzt aus (es fällt überhaupt auf, wie er seine Begleitung stark variiert, von dichten Teppichen bis zum kompletten Aussetzen oder minimalen Einwürfen ist da alles drin). Lyrisch geht’s weiter mit Golsons „Out of the Past“. Der Komponist bläst das erste und beste Solo des Stückes.
Die letzte Seite des Albums enthält „A Night in Tunisia“… und dann den kurzen tag „The Theme“. Die arabische Nacht dauert dieses Mal fast 18 Minuten und ist ein bewegter Abschluss der ganzen Aufnahmen (die, wie ich finde, etwas seltsam programmiert sind – ausser „Whisper Not“ hat hat man bis zum Ende der zweiten Seite von Vol. 2 mit „Like Someone in Love“ keine ruhigeren Momente, dann folgen auf der ersten Seite von Vol. 3 aber gleich zwei weitere… das hat allerdings mit den Timings zu tun, die eine andere Programmierung im LP-Zeitalter nicht erlaubten, denn nur die lyrischen Nummern sind 10-11 Minuten lang, während alle anderen entwerder 7-8 oder 14-18 Minuten dauern). Dizzy Gillespies Stück war 1958 schon ein veritabler Jazz-Klassiker, Blakey öffnet wie gewohnt und das hier bleibt auch Blakeys Show! Er kriegt etwas Unterstützung von den anderen an Perkussionsinstrumenten, Kenny Clarke (d) und Ghana M’Bow (cga) stossen für diese wahre Perkussions-Orgie dazu. Nach ein paar Minuten gibt’s mal kurz das Thema und ein kleines Tenorsolo, aber dann folgen sogleich wieder die Drummer. Von der Band hören wir erst nach fast 12 Minuten nochmal das Thema, dann folgen wieder die Drummer. Am Ende folgt noch kurz „The Theme“, einmal durch und aus.
Eine sehr schöne Aufnahme, die insgesamt etwas lang ist und von einer – in der kompletten Form – schlaueren Programmierung sehr hätte profitieren können. Aber dennoch: da es „nur“ ein Studio-Album gibt von dieser Band („nur“ in Anführungszeichen, weil’s ja doch ein grossartiges Album ist!) ist dieses Live-Dokument sehr toll! Wer sich nur eins suchen will, dem mag das Olympia Konzert reichen, aber hier hört man in fast 130 Minuten eben doch nochmal eindrücklich, was diese Band alles drauf hatte!
EDIT: die Reihenfolge der Stücke war gemäss Bruyninckx‘ Diskographie:
Politely / Whisper Not / Now’s the Time / The First Theme / Moanin‘ with Hazel / We Named It Justice (aka Evidence) / Blues March for Europe N° 1 / Like Someone in Love / Along Came Manon / Out of the Past / A Night in Tunisia / Ending with The Theme / Evidence – so macht das alles dramaturgisch schon viel mehr Sinn!
Wo hier die Stücke von „1958 Paris Olympia“ reinpassen würden weiss Bruyninckx aber auch nicht – das scheint mir alles ziemlich schlecht dokumentiert worden zu sein. Die Doppel-CD von 1991 führt nicht mal Kenny Clarke und Ghana M’Bow auf!
Den Mitschnitt aus Karlsruhe kenne ich übrigens nicht – falls den jemand hat, gerne PN an mich, würde ich sehr gerne hören, egal in welcher Qualität das ist!
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