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Sommer 1965
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2. Juli: zum zweiten Mal spielte Coltrane am Newport Jazz Festival.
Sein Auftritt wurde von Impulse mitgeschnitten, das kurze Set bestand aus zwei Stücken: „One Down, One Up“ und „My Favorite Things“. Ersteres erschien ca. im Februar 1966 auf New Thing at Newport (AS-94), das überdies das Set (oder Teile davon?) von Archie Shepp enthielt. Das zweite Stück erschien zuerst auf der Doppel-LP Feelin‘ Good, später auch auf diversen CD-Reissues von New Thing at Newport und zuletzt 2007 auf My Favorite Things: Coltrane at Newport, der oben bereits erwähnten CD, die auch das Set von 1963 enthält (mit der bisher längsten veröffentlichten Version von „Impressions“).
„One Down, One Up“ war bis zur Veröffentlichung der Half Note Mitschnitte vor ein paar Jahren die gefeierte Version dieses Stückes. Sie dauert nicht ganz 13 Minuten und beginnt nach dem Thema mit einem Piano-Solo, während dem Elvin Jones richtig aufdreht. In der Hälfte setzt dann Coltrane ein, konstruiert sein Solo zunächst eng dem Thema entlang und löst sich langsam davon, um in einen von „cries“ und wilden Glissandi unterbrochenen Singsang zu entgleiten.
„My Favorite Things“ klingt dagegen fröhlich und unbeschwert, Coltranes Ton auf dem Sopran ist satt und weich.
Am 3. Juli nimmt Elvin Jones (auch als Teil des Newport Jazz Festivals) an einem Drum-Workshop Teil, mit Buddy Rich, Louie Bellson, Art Blakey, Jo Jones und Roy Haynes.
6.-18. Juli: Village Gate (neben Monks Quartett)
Coltrane may have sat in with Monk on some sets; in a 1999 interview, Ben Riley said that Coltrane sat in with Monk several times when Coltrane and Monk were on the same bill (from „An Interview with Ben Riley,“ by Don Williamson, Dec. 1999, http://www.allaboutjazz.com/iviews/briley.htm, accessed July 7, 2002):
Then he would move on. The only time that Monk changed his library was during the few times that Coltrane sat in with us. Then they played all of those old things that Trane played with him, Shadow Wilson and Wilbur Ware at the old Five Spot. They would play Trinkle Tinkle and all of those songs when Trane sat in. When Trane and Monk worked opposite each other and Rouse was late, he would ask Thelonious if he could sit in. Then Thelonious ran right for the piano and started playing. He never answered you. He’d just say, „You’re going to open,“ and then, bang! he’d be on the piano.
~ Coltrane Reference, 324
Marc Brasz hat einen längeren Review über eins dieser Village Gate Konzerte geschrieben („Music: John Coltrane – Murder at the Gate“, Liberator, August 1965, Vol. V, Nr. 8, 27-28), der in „Coltrane Reference“ (324f.) wiedergegeben ist, ich zitiere einen Ausschnitt daraus, weil mir der Text – mit seiner ganzen Hipster-Sprache – einen guten Einblick zu geben scheint, wie man Coltrane damals als Fan/Befürworter/Mitstreiter wahrnehmen konnte:
[…]
JC and his men played two numbers, the first lasting about 45 minutes, and without the help of MyCoy Tyner. John started the first piece in a free vein, the theme was never touched, but it seemed to me that the lines might have been based around „Impressions,“ and I got the impression that somebody, somehow, was gonna get killed, at least. I was wrong; more than somebody got killed.
Let me set the scene for the first 20 minutes of the number. In front you have John screaming and forcing, twisting his body into every possible position, crouching, leaning, bending, sweating, bleeding. Up and down the song as an undulating pattern, gnarling the air, and as the tenor moves/sounds like a human being, a thought occurs to you that perhaps JC and his instrument are one thing. Then, at the same time, the undercurrent of Jimmy Garrison ripping his bass apart with his bare hands, all over the place, cursing over the harshness of his hands against the strings and the pulverizing percussive vibrations (it’s so hard to describe, man, you gotta hear it to believe it – just to use a cliche, but it’s true). All this and Elvin Jones: forget it, baby! The man cannot be stopped. Driving himself into cymbals and drums, and everything going all at once: the unending crash of metal, rising, all by itself, away, thru the roof, bringing down the building above, being bombarded by underlying hydrogen bombs of the tom-toms, snares, bass. And Elvin, contorting his face, moving maliciously into everything he can reach. And Jimmy, vibrating and beating, while Trane, dancing sweating bending his humanly mellow cries over the Whole of what he and his men create.
And then, suddenly, it all broke, Trane fading out, moving to the side, Elvin bringing the drums into a tender roll, into a solo for Jimmy. For that one instant, I thought I would cry: John standing, looking down, never at the audience, wiping his head with a handkerchief, Elvin getting off the stool (looked down at me saying „whew“ – I believe him/whoever said murder was easy? Alvin Karpis? He was nuts). This left Garrison up there by himself, pushing himself beautifully: ripping at/twanging/strumming/hissing over his instrument like a panther.
After maybe 8 minutes the others returned to take the piece into a wonderful and moving denouement with Elvin putting in the last word, rapping out on the skins some kind of drum torture music.
[…]
When it did end, the guys cut out smoothly under the dimming lights, no bows, just out. Never before have I seen a white audience so brutally beaten. After, when Monk came on like a mystic human poem, I realized what Coltrane had done. There was more death that night at the Village Gate than there had been on the streets in a decade. Laughing dumbly, listlessly, looking into their empty cocktail glasses like the faggot ofays they were, so many of the people seated in the club were dead. $3.50 on a Friday night and it was suicide. Whole lot of white guys absurdly at the tables.
[…]
26. Juli – 1. August: Europa Tournee
26. Juli: Festival International du Jazz Antibes–Juan-les-Pins
Coltranes Quarett beglückte das sechste Festival in Juan-les-Pins mit der einzigen kompletten Live-Performance von A Love Supreme – auf 48 Minuten (gegenüber den 33 der Studio-Version) ist die Suite angewachsen, besonders erwähnenswert sind der Tenor/Schlagzeug Dialog im 3. Teil sowie das folgende, wunderbare Bass-Solo von Jimmy Garrison! Die Musik gehört zum besten, was es von Coltrane zu hören gibt!
Lange Zeit war dieses Konzert auf diversen Bootleg LPs und CDs zu finden, 2002 erschien es auf der „Deluxe Edition“ zusammen mit der Studio-Version vom Dezember 1964 und den paar erhaltenen/wiedergefundenen Outtakes (Siehe #223).
Es gibt auch eine unvollständige Film-Aufnahme, aber im Archiv der INA ist darüber anscheinend nichts zu erfahren. (Siehe Ashley Kahns Text im Booklet der „Deluxe Edition“).
27. Juli: Am folgenden Tag spielte Coltrane erneut am Festival in Juan-les-Pins, auch dieses Konzert wurde vom ORTF mitgeschnitten (eine unvollständige Film-Aufnahme, „Naima“ und ca. die erste Hälfte von „Ascension“ sind erhalten aber leider nicht in guter Qualität).
Das Quartett spielte an diesem Tag: „Naima“, „Ascension“ (meist als „Blue Valse“), „My Favorite Things“ und „Impressions“. Zum Auftakt also die Ballade, die allerdings äusserst intensiv dargeboten wird, Coltrane spielt über weite Strecken im hohen Register, spielt überblasene, aufgeladene Linien, die die Grenzen der Tonaltität ausloten und hie und da überschreiten.
„Ascension“ beginnt in der „klassischen“ Rubato-Präsentation und nach ca. zwei Minuten wiederholt Coltrane eins seiner Licks, das Tempo beginnt sich zu verfestigen und Tyner setzt zu einem langen Solo an. Einem intensiven Coltrane-Solo schliesst ein dreiminütiges Schlagzeug-Solo an, dann folgt „My Favorite Things“ – und auf dem Sopran klingt Coltrane mittlerweile definitiv um einiges konservativer als auf dem Tenor, was auch an der klanglich eingeschränkten Palette liegen mag, denn die Linien sind nach wie vor äusserst intensiv und streckenweise ähnlich hart an der Grenze des Tonalen und ähnlich suchend und „schreiend“ wie die auf dem Tenor. Dennoch zieht sich auch hier noch die fröhliche Grundstimmung des Stückes wie auf der ersten Aufnahme im Oktober 1960 durch das ganze Stück.
Zum Abschluss folgt dann eine weitere grossartige Version von „Impressions“, eröffnet von einem 10-minütigen Bass-Solo Garrisons, in dem er sein ganzes Können zeigt. Es folgt Tyner und schliesslich Coltrane mit einem tollen Solo, das zeigt, dass „Impressions“ in Konzerten nach wie vor eine der Parade-Nummern war, ein Stück, in dem Coltrane an die Grenzen ging, die Musik auslotete und auskundschaftete bis zum Letzten.
Vor dem Konzert hat Michiel de Ruyter mit Coltrane sein viertes und letztes Interview geführt – alle vier können hier gehört werden:
http://mdr.jazzarchief.nl/interviews/coltrane/
28. Juli: Paris
Die erhaltene Aufnahme beginnt mit einem unvollständigen „Afro Blue“, dann erneut „Impressions“ und „Ascension“ (auch üblicherweise als „Blue Valse“ bezeichnet). „Afro Blue“ bringt ein intensives Sopransolo, in einem Rahmen, der spannender und offener ist als „My Favorite Things“, aber ich halte dennoch das Tenorspiel für viel spannender. Das ist auf „Impressions“ zu hören, das hier 16 Minuten dauert (das Bass-Solo ist nicht komplett), und auch auf „Ascension“, das über 22 Minuten lang ist. Coltrane spielt über dem extrem dichten Teppich von Jones äusserst intensive Soli – sehr eindrückliche Musik! Nach ca. 8 Minuten löst sich die Musik, das Tempo plötzlich auf, Jones spielt einige solistische Einwürfe, dann setzt Garrison zu seinem Solo an – ein weiteres unbegleitetes Highlight! Mit Jones kehrt Garrison dann zum schnellen 4/4 Tempo zurück und Coltrane setzt zu einem langen Solo an – schon zu Beginn überbläst er, repetiert schnelle Riffs mit dreckigem Sound… unglaublich!
Das Pariser Publikum – wie in Antibes in den Tagen zuvor – scheint noch immer gespalten zu sein über Coltrane, es mischen sich viele Buhrufe in den Applaus.
Randi Hultin berichtet in ihrem Buch (2000, S. 168-172) darüber, wie sie den Tag mit Coltrane verbracht habe, nach dem Konzert zum Japaner essen gegangen sei (Coltrane habe Omlett bestellt) und dann durch die Jazzklubs gezogen sei: zuerst Art Taylor/Johnny Griffin im Jazzland, dann Don Cherry im Chat Qui Pêche („Coltrane Reference“, 326).
Am 29. Juli nehmen Garrison und Jones mit Nathan Davis an einer unveröffentlichten Session von Eddy Louiss teil – das würd ich sehr sehr gern hören! Kann mir nicht so recht vorstellen, wie das klingt!
1. August: Comblain-la-Tour Jazz Festival
Es existieren Ton- und Filmaufnahmen dieses Konzertes. Die Setlist: „untitled original“, „Naima“, „My Favorite Things“. Die Aufnahme beginnt schon im Original kurz vor dem Siedepunkt, Coltrane schreit, honkt, repetiert…
„My Favorite Things“ wird vor allem durch Jones‘ immer dichteres Spiel noch weiterentwickelt, Coltrane scheint mir in diesem Stück mittlerweile auf allerhöchstem Niveau zu stagnieren. Nichtsdestotrotz ist die Musik von kathartischer Kraft! Ich wünschte, ich könnte so etwas live erleben!
Das Festival wurde von 1959-1966 vom Amerikaner Joe Napoli, einem ex-G.I., veranstaltet, der im Dezember 1944 mit dem kleinen Städtchen bekannt wurde („Coltrane Reference“, 327).
Es gibt heute noch/wieder ein Festival in Comblain:
http://www.comblainjazzfestival.be/
Dort wird auch eine Seite verlinkt, die über das erste Festival berichtet:
http://www.maisondujazz.be/fr/comblain/comblain5.html.
Noch mehr zur Geschichte des Festivals findet sich hier:
http://adalen.jimdo.com/jazz-comblain-1959-1966/
Ziemlich spannend, was da alles nebeneinander zu hören gewesen war!
Cannonball Adderleys „Cannonball in Europe“, meiner Meinung nach eins seiner schönsten Alben, wurde übrigens 1962 in Comblain aufgenommen.
Die Video-Aufnahme dieses Konzertes ist hier zu finden:
John Coltrane – Live in ’60,’61&’65 (Jazz Icons)
(Die DVD enthält neben Comblain-la-Tour 1965-08-01 auch die Film-Aufnahmen aus Düsseldorf 1960-03-28 sowie die Berendt-Sendung aus Baden-Baden von 1961-12-04.)
Eine letzte Fusznote zu Comblain: im unsäglichen Film „Vanilla Sky“ (dir. Cameron Crowe, 2001), den ich leider mal gesehen habe, kann man anscheinend zwei Fragmente (total 13 Sekunden) aus „My Favorite Things“ sehen, sowie auch eine Minute daraus hören. Ich kann mich allerdings nur noch an den Ärger über den Film erinnern, nicht mehr daran, Coltrane gesehen/gehört zu haben…
Am 6. August kommt Ravi, der zweite Sohn von Alice & John zur Welt.
14. August: Ohio Valley Jazz Festival, Crossley Field, Cincinnati, OH
15. August: Down Beat Jazz Festival, Soldier Field, Chicago, IL (mit Archie Shepp)
Es existiert eine fast 40 Minuten dauernde Aufnahme eines unbekannten Stücks, das üblicherweise als „Nature Boy“ kursiert. Am Ende spielt Coltrane das Thema von „Ascension“. Die Qualität dieser Aufnahme ist leider so schlecht, dass man das als beinahe unhörbar bezeichnen muss. Allerdings macht die Musik dennoch grossen Spass – es handelt sich hier um ein Dokument, in dem Coltrane sich wohl schon so weit von jeglichen harmonischen, modalen und rhythmischen Strukturen gelöst hat wie zuvor höchstens bei der Session zu „Ascension“ im Juni… ich bin versucht, das „waschechten Freejazz“ zu nennen, aber letztlich ist ja das „Freejazz“ Etikett eins der unnützesten überhaupt.
19.-22. August: Leo’s Casino, Cleveland, OH
26. August: das Quartett nimmt im Studio das wunderschöne Album Sun Ship auf (mehr dazu im nächsten Post)
28. August: Ohio Valley Jazz Festival, Ohio State Fair Grounds, Columbus, OH
2. September: Das Quartett nimmt seine allerletzte Studio-Session auf, eine erste Version der Suite „Meditations“, die 1977 auf dem Album First Meditations erschien – auch dazu mehr im nächsten Post.
3.-11. September: Chateau de Count et Eve (früher Pink Poodle), Indianapolis, IN
Das war wohl der letzte Gig, den das klassische Coltrane-Quartett gespielt hat. Tyner sollte noch bis Ende Jahr in der Band bleiben, Jones bis ca. Ende Januar 1966. Mitte September stiessen dann in San Francisco Pharoah Sanders und Donald Garrett zur Gruppe und später dann Rashied Ali, sowie Carlos Ward, Joe Brazil, Juno Lewis und andere. Mehr dazu dann im übernächsten Post.
Looking for Truth in Music
John Coltrane was quoted in Esquire (Sept. 1965, p. 125): „I wouldn’t want to give up the use of chords, if what I want to do can be accomplished by using those devices. I’m not sure whether the chord system will survive, but I do know it will be used very differently. I don’t want to take anything away from music; I want to add to it. I prefer not to answer the controversy about ‚anti-jazz.‘ If someone wants to call it that, let him; I’ll continue to look for truth in music as I see it, and I’ll draw on all the sources I can, all the areas of music, all the things there are in the world around us to inspire me. It takes many people to effect a complete change in any system.“ (This is a complete Coltrane quote from a sidebar accompanying an article by Leonard Feather.)
~ Coltrane Reference, 329
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba