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John Coltrane on Film
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Es gibt nicht allzu viele Film-Aufnahmen von Coltrane und manche davon sind in gar schlechter Qualität – lohnenswert sind sie jedoch alleweil und sei’s nur als Dokumente dieser zentralen Figur der Musik des 20. Jahrhunderts. Der Reihe nach…
Mitte Oktober 1950: Hollywood Palladium, Los Angeles (mit Dizzy Gillespie)
Die Aufnahmen sind anscheinend verloren. Neben Gillespies Quintett spielten die Ray Anthony Big Band und Helen Forrest, sowie Art Tatum solo.
18. November 1955: Steve Allen – Tonight, NYC (mit Miles Davis)
Audio von den zwei Stücken ist auf der Bonus/4.-CD des „Legendary Quintet“ Fantasy/Concord-Sets zu hören. Video scheint nicht überliefert zu sein.
2. April 1959: Robert Herridge – The Sound of Miles Davis, NYC
Eine grossartige leider nur 25-minütige Dokumentation und im kleinen wohl eine Summe dessen, was Miles bis dahin erreicht hatte. Das Quintett spielt „So What“ (Adderley war krank, am Piano sass Wynton Kelly), das in der Einleitung und vor dem Bass-Solo von Gil Evans‘ Orchester sanft umrahmt wird. Dann spielt Miles mit dem Orchester (ohne Coltrane) drei Arrangements vom Album „Miles Ahead“, dem ersten, das er und Evans für Columbia aufgenommen hatten.
„So What“ ist eine tolle Aufnahme, Coltrane spielt hier schon einiges sicherer, konstruiert mit grosser Ruhe ein tolles Solo.
Späte 50er/frühe 60er: Home-Videos von Naima (19 Sekunden hiervon oder von sonst was ähnlichem in Episode 10 von Ken Burns Jazz)
28. März 1960: Coltrane, Stan Getz und Oscar Peterson spielen im Rahmen einer Norman Granz Session in Düsseldorf ein paar Stücke ein. Leider kenne ich hiervon nur die Ton-Aufnahmen (die beiden Teile wurden im WDR am 27. August 1960 und im ZDF am 24. Oktober 1961 gesendet).
Ca. frühe 60er: Im Dokfilm Recollections of a Jazz Witness: A Portrait of Prophet Jennings gibt’s kurze stumme Ausschnitte, in denen man Coltrane auf Jennings‘ Sofa sitzen sieht und anscheinend anfangen will, Tenorsax zu spielen.
(Jennings hat das Cover für Dolphys „Outward Bound“ gemacht und ich glaub ihm ist auch Kenny Dorhams Stück „The Prophet“ gewidmet?)
Ca. 1960er: Der Photograph Burt Goldblatt erwähnt in einem Interview, dass er von vielen Musikern, die er photographiert habe, auch stumme „footage“ besitze, so auch von Coltrane.
3.-11. Oktober 1961: PM East/PM West TV-Show aus dem Club Renaissance, Los Angeles, mit Coltranes Quintett. Aufzeichnungen davon sind wohl nicht erhalten.
4. Dezember 1961: Jazz – Gehört und Gesehen, Südwestfunk TV Studio, Baden-Baden.
Für Joachim Ernst Berendts Sendung spielt das Quintett mit Dolphy drei Stücke ein: „My Favorite Things“, „Everytime We Say Goodbye“ (ohne Dolphy) und „Imrpessions“ (zu dieser Zeit noch als „Excerpts“ angesagt). Unter dem Abspann spielt die Rhythmusgruppe noch einen kurzen Blues.
Berendt drechselt die unsinnige aber doch irgendwie bemerkenswerte Phrase der „In-sich-Verspanntheit seiner Improvisationen“.
Dieser Mitschnitt ist wie die Sendung über Miles ein Dokument erster Güte!
19. November 1962: Konserthuset, Stockholm.
Das einzige Film-Dokument der zweiten Europa-Tour fällt kürzer aus, vom Balkon gefilmt sieht man das Quartett „I Want to Talk About You“ spielen – noch die kürzere Version ohne Solo-Kadenz, leider. Elvin Jones ist sehr schön zu sehen.
2. Dezember 1962: Mailand
Auf Photos sind TV-Kameras zu sehen, auch Norman Granz‘ Unterlagen legen nahe, dass RAI anwesend war. Leider sind die Aufnahmen wohl verloren.
7. Dezember 1963: Jazz Casual, KQED-TV Studios, San Francisco
Für Ralph J. Gleasons grossartige Sendungs-Reihe spielt das Quartett drei Stücke: „Afro Blue“, „Alabama“ und „Impressions“ (leider unvollständig, aber immerhin 14 Minuten lang).
Ein Interview gibt’s nicht – Gleason sagt, Coltrane sei der Meinung, die Musik spreche deutlicher als Worte und er, Gleason, schliesse sich dem an, er sei überdies der Meinung, Alben sollten keine Liner Notes haben, selbst dann nicht, wenn er sie geschrieben habe… der Mann ist cool!
Auch das ist ein Dokument erster güte und neben der 1959er Aufnahme von Miles wohl die am leichtesten greifbare Sendung von/mit Coltrane. In „Afro Blue“ macht es grossen Spass, Elvin Jones über die Schultern zu schauen. Auch der heilige Ernst Coltranes beim Spielen kommt sehr schön zum Ausdruck. Und in „Impressions“ hört man tolle Soli von Tyner und Garrison.
Ein aside: es ist schön, zu sehen, wie unprätentiös damals noch TV gemacht werden konnte… das Studio hier oder 1959 mit Miles kommt gänzlich ohne Plastik-Kulissen und Hochglanz-Idiotie daher, man sieht die anderen Kameras im Bild, Gleason steht während der Musik (wie immer Pfeife rauchend) ans Klavier gelehnt… auch die Kleidung der Musiker lässt eher an eine gefilmte Probe denken – alles sehr sympatisch.
1964-67: es existieren zahllose 8mm Home-Videos von John & Alice Coltrane aus ihrem Haus in Dix Hills, NY.
26. Juli 1965: ORTF-Broadcast vom Festival International du Jazz Antibes-Juan-les-Pins.
Das Konzert wurde in voller Länge mitgeschnitten, Video existiert von „Acknowledgement“ und der ersten Hälfte von „Resolution“. Als Audio wurde dieses grossartige Konzert auf der zweiten CD von „A Love Supreme (Deluxe Edition)“ erstmals legitim veröffentlicht. Ich kenne nur die Film-Ausschnitte vom folgenden Tag.
27. Juli 1965: ORTF-Broadcast vom Festival International du Jazz Antibes-Juan-les-Pins.
„Naima“ und „Ascension“ (als „Blue Valse“, inc) geben einen guten Eindruck vom Quartett im Sommer 1965 – sehr eindrückliche Musik! Anscheinend wurde auch das Bass-Solo und das darauf folgende „Impressions“ gefilmt, kenn ich aber nicht. Das Quartett spielt in der mediterranen Sommerhitze im Smoking!
1. August 1965: RTBF-Broadcast, Comblain-la-Tour Jazz Festival.
Das dürfte wohl das längste Film-Dokument von Coltrane sein, fast 38 Minuten vom Quartett in voller Blüte. Im eröffenenden „untitled original“ gibt’s gleich ein langes Coltrane/Jones Duett, es folgt „Naima“ und dann 21 Minuten „My Favorite Things“. Grossartig! Diese Aufnahmen dokumentieren wohl etwa das äusserste, wozu das „classic quartet“ fähig war, unglaublich intensive Musik!
2. Juli 1966: Newport Jazz Festival.
Hiervon existieren anscheinend nur ein paar kurze stumme Farb-Aufnahmen, gemacht von Hozumi Nakaida. Insgesamt ca. 7 minuten „home video“.
Audio von diesem Konzert existiert allerdings – dazu später.
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