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1962
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Anscheindend fand Ende 1961 der Wechsel von Workman zu Garrison statt.
Garrison wird mehr gefühlt als gehört, er ist immer dort, aber weniger an der Oberfläche – ein anderes Konzept, Bass zu spielen, das den Sound des „classic quartet“ über die kommenden Jahre mitprägen sollte.
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2.-14. Januar: Jazz Gallery, NYC (Quintett mit Dolphy & Garrison)
3. Januar: Jones ist im Studio für Elvin (Riverside RLP 409 – u.a. mit Art Davis und seinen Brüdern Hank & Thad)
10. Januar: Tyner nimmt für Inception (Impulse AS-18) auf
16-21. Januar: Minor Key, Detroit, MI
8.-21. Februar: Birdland, NYC
24. Februar: Kaufmann Concert Hall, NYC
26. Februar – 3. März: Showboat, Philadelphia
Während dem Auftritt im Birdland im Februar entsteht der wohl am weitesten verbreitete Bootleg von Coltranes Band mit Dolphy. Er ist auch auf Live Trane – The European Tours enthalten (fälschlich als Hamburg 61-11-25 angegeben). Die Gruppe spielt „Mr. P.C.“, Dolphys Zwölfton-Stück „Miles‘ Mode“, und zum Abschluss erwartungsgemäss „My Favorite Things“ (leider fehlen Teile des Piano- und des Flötensolos).
Es zirkuliert eine weitere Aufnahme, die eine Woche nach der bekannten vom 9. bzw. 10. Februar (es wurde nach mitternacht aufgenommen) entstand.
Es ist dies wohl das letzte Zeugnis der nicht ganz einjährigen Zusammenarbeit von Coltrane und Dolphy.
Nach dem Auftritt im Showboat verliess Dolphy die Gruppe, fortan sollte das „klassische“ Quartett aus Coltrane, Tyner, Garrison und Jones für mehrere Jahre in dieser Formation bestehen (ab und zu sprang Roy Haynes für Jones ein, Art Davis wurde nach wie vor hie und da als zweiter Bassist engagiert).
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7.-18. März: McKie’s, Chicago, IL
20.-25. März: Village Gate, NYC
30. März – 5. April: Apollo Theatre, NYC
6.-7. April: Village Gate
In a National Public Radio interview, McCoy Tyner discussed the piano at McKie’s (www.nprjazz.org/nftr/tyner.html, accessed Dec. 1, 2002):
When I was with Coltrane, a lot of times we’d play in places that had some pretty horrific instruments [pianos], I must say so [laughs]. I remember one instrument I had; I was in Chicago at a place called McKie’s. the piano was like a spinet, or something like that, and it was chipped, the actual keys – it wasn’t ivory, it was actually plastic, but it was chipped. And it was very, very dangerous, I had to tape my fingers.
~ Coltrane Reference, 251
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Am 11. und 12. April ging das Quartett dann ins Studio für die ersten Sessions, die später auf Coltrane (AS-21), dem ersten Quartett-Album auf Impulse, erschienen.
Am 11. wurden „The Inchworm“ und Coltranes Tribut an den Tenorsaxophonisten George „Big Nick“ Nicholas aufgenommen („Big Nick“ heisst es natürlich). Letzteres erschien auf einem Impulse-Sampler und die Deluxe-Edition von Coltrane enthält fälschlicherweise die Version, die später im gleichen Jahr mit Duke Ellington entstand. Die „richtige“ Version ist entweder in dern 8CD-Box zu hören oder (so vermute ich) in der 1997er Digipack-Version, die auch „Up ‚Gainst the Wall“ vom 18. September (von der letzten Session für Ballads) enthält. Die jüngste CD in der „Originals“-Reihe lässt diese beiden Stücke leider weg (dankt es denjenigen Leuten, die zwar CDs hören wollen aber doch nur „originale Alben“… idiotisch, wenn ihr mich fragt).
„The Inchworm“, ein weiteres 3/4 Stück am Sopransax, wurde schon am 16. Februar (mit Dolphy an der Bassklarinette) im Rahmen eines Radio-Broadcasts aus dem Birdland aufgezeichnet. Das Thema von Frank Loesser klingt wieder ein wenig nach Folklore, es lebt von Elvin Jones unglaublich dichten Polyrhythmen und wird getragen von Tyners äusserst einfacher akkordischer Begleitung. Garrison verleiht der Rhythmusgruppe ein neues Gewicht, er erdet sie, und Coltrane schliesslich konstruiert darüber ein hypnotisches Solo.
„Big Nick“ ist eine äusserst eingängige Nummer (sie dürfte von der Ellington-Session bekannt sein), auch sie wird auf dem Sopran gespielt. Tyner spielt nur nach dem fröhlichen Thema ein kurzes Solo, lässt sonst Coltrane allein mit Garrison und Jones. Das mittelschnelle 4/4-Tempo lässt Jones viel Raum, um seine patentierten Dreier-Metren über den Grund-Beat zu legen. Vor dem abschliessenden Thema spielt Garrison ein sehr schönes kurzes Solo.
Von der Session vom 12. April ist nichts erhalten geblieben.
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17.-29. April: Club Coronet, aka Blue Coronet, Brooklyn, NYC
(Ein Foto in der 1996er Digipack-Edition von Live at Birdland zeigt Coltrane vor einem Poster, das sein Quartett im „Club Coronet“ für den 17.-29. April ankündigt, der Rest des Posters ist verdeckt, es stammt nicht wie angegeben aus dem Birdland. Siehe „Coltrane Reference“, 253)
30. April: Murat Theatre, Indianapolis, IN
1.-20 Mai: Jazz Workshop, San Francisco
(In der ersten Woche stiess Wes Montgomery zur Gruppe! Ev. spielte am Ende oder bloss am 20. auch Dolphy mit, und am 20. spielte auch Geiger Michael White mit – Down Beat, July 5, 1962, p. 45. Anscheinend versuchte Coltrane erfolglos, Montgomery für seine Band anzustellen. Alles nach „Coltrane Reference“, 254)
31. Mai – 13. Juni: Birdland, NYC
(am 2. Juni wurde wieder in den frühen Morgenstunden, bzw. nach Mitternacht, ein Broadcast ausgesendet, das Quartett spielt eine unglaubliche Version von „My Favorite Things“, in der Elvin Jones‘ Begleitung das Piano-Solo fast zu einem Drum-Solo werden lässt… zudem spielten sie „Body and Soul“, sowie ein Stück von den 1959er Atlantic Sessions, „Cousin Mary“)
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Am 19., 20. und 29. Juni befand sich die Gruppe wieder im Studio von Rudy Van Gelder, die Sessions wurden teilweise auf dem Album Coltrane veröffentlicht.
Hier also nochmal eine Anmerkung zu Coltrane (Deluxe Edition): wie gesagt enthält die Doppel-CD die Ellington-Version von „Big Nick“ statt jene vom 11. April (diese kann in der 8CD Box The Classic Quartet gehört werden oder in der 1997er CD von Coltrane)
Die Bonus-Materialien auf der Deluxe Edition sind:
– 19. Juni: „Not Yet“ (Tyner), „Miles‘ Mode“, 4 Takes von „Tunji“ und 2 von „Impressions“ (CD2#1-8)
– 18. September: „Up ‚Gainst the Wall“ (CD2#10)
CD2#9 ist dann eben die falsche Version von „Big Nick“.
„Up ‚Gainst the Wall“ ist das einzige Stück jener Session, das keine Ballade ist und nicht auf Ballads gelandet ist, sondern auf Impressions (AS-42) erschien.
Wenn man also die „Originals“ hat fehlt neben den Takes vom 19. Juni nur „Big Nick“. Der zweite Take von „Impressions“ erschien überdies auf einer Best Of-Compilation (Impulse 549 913).
Ich empfehle jedoch diese Deluxe-Edition wärmstens!
„Out of This World“ ist ein Walzer am Tenorsax. Tyner spielt einen trance-artigen Vamp, Elvin Jones hat wieder allen Platz, den er haben will… Tyners Solo ist dann in der rechten Hand fast ballerina-haft tänzerisch – er bietet einen perfekten Kontrast zu Coltranes getriebenem Spiel, das auch „multiphonics“ enthält. Das Stück ist dasjenige von den Sessions, das der Band, wie sie live zu hören war in dieser Zeit, am nahesten kommt. Das Stück wurde ins Repertoire der Gruppe aufgenommen und ist auch noch auf der Aufnahme mit Pharoah Sanders aus Seattle zu hören.
Es folgt die definitive Version von Mal Waldrons „Soul Eyes“ (von diesem für Coltrane geschrieben, erstmals auf Interplay for 2 Trumpets and 2 Tenors zu hören). Auf dem originalen Album folgt an dieser Stelle „The Inch Worm“.
Dann folgt der Master Take von „Tunji“ (vom 29. Juni). Das Stück kann als eine Art Blues in 16 Takten. Coltrane spielt ein einfach gehaltenes Solo (über einem B-Moll Ostinato), Tyner bringt (über Blues in B) ein „after hours blues feeling“ rein, und Garrison prägt das Arrangement mit seinen Double-Stops mindestens so stark wie Jones mit seinen Polyrhythmen. Das Stück ist dem Nigerianischen Drummer Babatunde Olatunji gewidmet, den Coltrane über dessen musical director Yusef Lateef kennengelernt hatte. Für mich ist dieses Stück der atmosphärische Höhepunkt des Album!
Das ursprüngliche Album endet mit „Miles‘ Mode“ dem vermutlich von Dolphy komponierten, auf einer Zwölfton-Reihe beruhenden Stück. Es wird in mittelschnellem 4/4 gespielt, das Quartett kocht!
Die Alternate Takes von „Tunji“ (vier vollständige sind enthalten) und Tyners einfache Komposition „Not Yet“ (nach einem Take wurde das bereits aufgegebenn), sowie der Alternate Take von „Miles‘ Mode“ entstanden einen Tag vor dem Master Take von „Tunji“. Es macht grossen Spass, das Stück in seinem Werden zu verfolgen, auch wenn das Schema schon beim ersten Take dasselbe ist wie im Master am Tag danach. Das letzte Stück des Tages war dann „Impressions“ (noch als „Excerpt“ aufgelistet – im November 1961 wurde es ja jeweils noch als „So What“ angekündigt/eingezählt). Dazu aus Carl Woidecks Liner Notes zur Deluxe Edition (November 2001) ein kleines Lehrstück in Intertextualität:
The last piece to be recorded that day was entitled „Excerpt“ on the session log, but it later became known as „Impressions.“ Both titles are rather fitting for a piece that was more assembled than composed by Coltrane. The piece’s modal scheme and AABA form were taken directly from Miles Davis’s innovative „So What.“ Coltrane had played the composition many times with Davis, and was very influenced by its use of modes. When he left Davis’s band, he continued to improvise upon the scheme, but he fitted new melodies over the modes. He borrowed the A-section melody from Morton Gould’s „Pavanne,“ which he may have known from pianist Ahmad Jamal’s versions [Jamal war ja eins der prägenden Vorbilder (in Sachen Phrasierung, Rhythmik, aber auch Auswahl des musikalischen Materials) von Miles Davis – gtw]. He took the B-section melody either from a phrase in Maurice Ravel’s „Pavane pour une Infante Défunte“ or from the Peter De Rose/Bert Shelter song „The Lamp Is Low,“ which beings by borrowing the same phrase from the Ravel piece. (Interestingly, in 1957 Coltrane had played on an album by pianist Sonny Clark in which trombonist Curtis Fuller quoted the phrase in question while soloing over an unrelated piece, „Speak Low.“) Impulse had made three live recordings of „Excerpt“/“Impressions in 1961, but these were not released at the time, and in 1962 Coltrane was trying to come up with a studio version for issue. These live recordings averaged more than eleven minutes in length, but the studio versions averaged less than half that. Neither studio take was released at the time, and both were thought to be lost until their discovery among the Thiele tapes. In the end, Coltrane and Thiele decided to issue a fourteen-plus-minute live version on the later album Impressions.
~ Carl Woideck, Liner Notes zu „John Coltrane – Coltrane (Deluxe Edition)“, Verve/Universal 589 567-2, 2002
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2.-7. Juli: Showboat, Philadelphia, PA
24.-29. Juli: Leo’s Casino, Cleveland, OH
(Jones war vermutlich NICHT an der Miles Davis Session vom 27.7. beteiligt, entgegen den Angaben im 6CD Set „Miles Davis/Gil Evans – The Complete Columbia Studio Recordings“, p. 19)
31. Juli – 5. August: Minor Key, Detroit, MI
6.-11. August: Showboat, Philadelphia, PA
(Mit Eric Dolphy! Jimmy Smith „sat in“, diese Woche sollte Miles Davis spielen, Coltrane sprang ein weil Miles krank war, bzw. sich krank gemeldet hatte.)
15.-26. August: McKie’s, Chicago, IL
28. August – 2. September: Bohemian Caverns, Washington, DC
NOTE: In an interview with Belgian journalist Benoît Quersin [ich nehme an das ist der bekannte Kontrabassist? – gtw] (Paris, Nov. 17, 1962), Coltrane talked about touring and the need to vary the „circuit“: „Well, we have been trying to extend our scope a little bit as far as the places that we work. We’ve worked in a few different clubs up in New York State. We’ve widened our circuit a little. It’s a problem we’ve had; our circuit is small, we’ve played the same clubs over and over now. It kind of tires the listener, so we’ve been trying to broaden out – get around more distant place.“ (This and another Quersin interview are transcribed in full in Woideck, 1998, pp. 117-128; quote is from p. 125.) The New York gigs Coltrane mentioned probably included clubs in Buffalo and Rochester, which might had clubs that featured „name“ jazz groups. Other possible New York cities where the group might have played include Albany and Binghampton.
~ Coltrane Reference, 255
Ein interview von Tony Gieske erschien am Freitag 31. August 1962 auf Seite B11 der Washington Post, es ist in „Coltrane Reference“ wiedergegeben (Auslassungen sind von mir):
[…] Coltrane, whose facial expression ranges from glum to glum, was surprised to hear how much people were paying to hear him. „I’m not sure I like all that pressure on me. I wish I had more to offer the people,“ he said. „There are so many other saxophone players who say more than I do,“ said Coltrane.
A weight-watcher, he was having a supper consisting of a glass of iced clam juice, washed down with a glass of orange juice, washed down with a glass pineapple juice and anchored with some salted walnuts, which he carried in a can.
A demonic whirlwind on the stand, Coltrane is placidity itself when he’s not playing. After a solo, he will seat himself quietly in a dark corner behind the bass player, out of sight.
He said he almost never loses his temper. „When something drags me, I go off and sulk, that’s about all. After a while, whatever it is that’s bothering me goes away. But that doesn’t happen very much.“
„As a matter of fact, the whole band’s kind of that way. They’re very even-tempered. We’ve been together more than a year and there’s never been a personal argument. I’ve never been in a band like that,“ he said.
The smooth glassy tempter of the band’s relationships off the stand present a sharp contrast to their playing, to say the least.
Elvin Jones, his devilish lettle [I]sic eyes burning, attacks the drums like a prize fighter and can be heard for blocks. Pianist McCoy Tyner sets up a pedal point in the left hand that makes the tension created by Ravel’s „Bolero“ seem quite mild. Jimmy Garrison, bass, gids in with a primordial counterpoint to both.
[…]
Elvin’s the most emotional – the one who might get drug, I guess,“ Coltrane said. „You can hear it in his playing, and somebody will turn around and say what’s the matter? But after a couple of sets that all goes away.
[…]
It could be said that Coltrane puts all his color in his music, which is relentlessly demanding – loud, fierce and enormously fast-moving. He himself is not like a band-leader at all. He doesn’t smile at the audience, tell jokes, engage in gymnastics or even speak much.
Neither does he take the other tack, currently fashionable, and snarl and glare at his listeners. After he has played a 40-minute solo that has gripped the deeper reaches of a rapt assembly, he will give a polite little nod and go back to his corner amid deafening applause.
In the year since he last played in Washington, Coltrane has kept moving further and further along his unique musical path. The pedal-points that he was beginning to use then have become almost unbearably moving, and the rhythm section moves in and around the time with exhilarating freedom. Tyner, in particular, has improved spectacularly, making explicit many of the ideas that he was a little too subtle about before.
A man who seems totally and continually absorbed in his music, Coltrane was asked if he ever got bored and wanted to go into some other line of work.
„Music is about the best thing I can think of to do,“ he replied. „If there were something better, it would have to be very wonderful.“~ Coltrane Reference, 259
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Am 18. September und am 13. November nimmt das Quartett in zwei Sessions das Album Ballads auf. Ein Stück, „It’s Easy to Remember“, entstand schon im Januar. Bei der ersten Session enstanden „What’s New?“ und „Nancy (With the Laughing Face)“, sowie „Up ‚Gainst the Wall“, das auf dem Album Impressions landete.
Acht Tage später dann enstand der grösste Teil des Albums (fünf Stücke), sowie ein Alternate Take von „All or Nothing At All“ (das Stück ist für mich das Highlight des Albums, umso willkommener ist ein weiterer Take) und eine Aufnahme von Irving Berlins „They Say It’s Wonderful“, das dann im März 1963 mit Johnny Hartman erneut aufgenommen wurde und das Album John Coltrane and Johnny Hartman eröffnen sollte.
Zum Album Ballads will ich nicht viel schreiben – es dürfte wohl weitherum bekannt sein, auch unter Coltrane Verschmähern oder weniger grossen Fans wie mir. Die Stücke werden alle in getragenem Tempo gespielt, Coltrane klingt sanft, sein Ton auf dem Tenor (er spielt hier kein Sopran) hat eine Spur von Vibrato, Tyner spielt perlende Läufe, aber hie und da auch die mittlerweile vertrauten reduzierten akkordischen Begleitungen in der Linken Hand, auch die Vorliebe Coltranes, Themen im Rubato vorzustellen, scheint hier wieder auf. Und Jones umschmückt das ganze sehr geschmackvoll und erstaunlicherweise, ohne dass sein Spiel viel von seiner Komplexität verlieren würde.
Zu Coltranes Ton gibt es hier die Geschichte mit dem beschädigten Mundstück, aus einem Interview, das Frank Kofsky 1966 mit Coltrane geführt hat:
Perhaps because the thought of Coltrane willing to meet reluctant listeners halfway runs counter to our image of him as the most uncompromising of artists, there is another school of thought regarding his motivation in recording Ballads – one that presents Coltrane’s own words as evidence. In 1966 he gave an interview to Frank Kofsky, during which Kofsky asked him about Ballads and the albums with Ellington and Hartman. „Well, I tell you, I had some trouble at that time,“ Coltrane explained:
I did a foolish thing. I got disgusted with my mouthpiece and I had some work done on this thing, and instead of making it better, it ruined it. It really discouraged me a little bit, because there were certain aspects of playing – that certain fast thing that I was reaching for – that I couldn’t get because I had damaged this thing, so I just had to curtail it.
In other words, rapid tempos had become something of a problem. Another factor prohibiting „that certain thing,“ at least temporarily, may have been Coltrane’s poor dental health, the result of a lifelong addiction to sweets and a reluctance to see a dentist until he had no other choice. […] He had eight upper teeth removed in 1959 and been fitted for a bridge. The speculation is that by the fall of 1962, either his teeth were giving him trouble again or the denture no longer fit properly. The pain from pressing down on a hard mouthpiece, the thinking goes, had compromised his embouchure, making fast tempos untenable.
One problem with this theory, as any saxophonist can tell you (and as the tenor saxophonist Bennie Wallace was the first to tell me), is that ballads are the last thing you want to try if you gums are hurting and your embouchure is wrong. Fast tempos call for precise articulation, but fingering can pull you out of a jam; not so with ballads, where notes need to be sculpted by the mouth. The other problem is that we know from eyewitness testimony and pirate recordings that Coltrane was hardly taking it easy on himself in nightclubs during this time. He continued to play as before, long and fast and hard, as though troubled only by the need to get it all out.
~ Francis Davis, November 2001, Liner Notes von „John Coltrane – Ballads (Deluxe Edition), Verve/Universal 589 548-2, 2002
Das macht für mich alles Sinn… dass es mit diesen Theorien über Mundstück (das halte ich eh für vorgeschoben, weil das wie schon erwähnt eh ein dauerndes Projekt jedes Saxophonisten ist) und Zähne eben nicht so weit her ist, wie viele (um die „Integrität“ ihres Idols zu retten) gerne zu glauben gewillt sind.
Coltrane klingt auf Ballads für mich gut, sicher, so als hätte er alles unter Kontrolle. Sein Ton war bei Balladen ja schon seit längerem anders, wärmer, voller in der tiefen Lage, gerne auch mit ein wenig oder sogar ziemlich viel Vibrato – das kommt hier halt mal für ein ganzes Album zum Tragen.
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Duke Ellington & John Coltrane (AS-30) entsteht am 26. September im Studio von Rudy Van Gelder. Im April 1961 entstand unter Thieles Aufsicht für Roulette eine Begegnung von Louis Armstrong (und dessen All-Stars) mit Duke Ellington, für Impulse führte Thiele dann 1962 nicht nur Ellington und Coltrane (und beider Rhythmusgruppen) zusammen sondern auch Ellington (und eine ausgewählte Unit aus Ellingtonians) mit Coleman Hawkins.
Stanley Dance zitiert in seinen originalen Liner Notes den englischen Kritiker Benny Green (aus der 12. Ausgabe des englischen Wochenmagazines Scene:
„In actual fact,“ says Green, „Duke Ellington was put into the jazz world to separate the men from the boys. His grasp of harmony and instrumental voicing is more advanced than anybody else’s in the entire range of jazz, and the reason why many modern fans are unable to accept him is not that they are too modern for Duke, but that Duke is too modern for them.“
[…]
Despite the difference of background and experience, there was nevertheless a singular lack of tension on this session. For Ellington, who has led a big jazz band longer than anyone else in the music’s history, the small-group context has always seemed productive. It gives him both more and less responsibility. As a pianist, he is more prominent, but as a listening leader his role is obviously less arduous.
For Coltrane, this occasion carried considerable musical obligations. „I was really honored,“ he said afterward with characteristic modesty, „to have the opportunity of working with Duke. It was a wonderful experience. he has set standards I haven’t caught up with yet. I would have liked to have worked over all those numbers again, but then I guess the performances wouldn’t have had the same spontaneity. And they mightn’t have been any better!“
Duke certainly esteemed that spontaneity. When there was a question of another take of one number, he said, „Don’t ask him to do another. He’ll end up imitating himself.“
They got on well together. Each arrived with his own rhythm men. The two drummers soon went off to a nearby bar in search of fuel; the bassists fell into friendly conversation; and the two leaders planned the program. Then, while Duke sat at the piano and mapped out the routines for the first numbers, John lit up the first of several long, brown cigars. A very promising, relaxed atmosphere was established – and maintained.
~ Stanley Dance, Original Liner Notes für „Duke Ellington & John Coltrane“, Impulse AS-30
Das Album beginnt mit einer der schönsten Versionen von „In a Sentimental Mood“, die ich kenne (ich hab mir mal all die kleinen Verzierungen rausgeschrieben, mit denen Coltrane am Anfang das Thema ausschmückt – er hat anscheinend bei Balladen meist geschaut, wie er sie genau spielen will und dann daran festgehalten). Es folgt „Take the Coltrane“, ein Ellington-Stück, das dem jüngeren Partner gewidmet ist. Elvin Jones macht sich – auch hier wieder auf sehr unaufdringliche Art – klar hörbar. Dann folgt das eine Coltrane-Original der Session, „Big Nick“, zugleich das einzige mit Coltrane am Sopransax. Es folgen Ellingtons „Stevie“ und Billy Strayhorns „My Little Brown Book“, in dem Coltranes Spiel an seinen einstigen Arbeitgeber Johnny Hodges erinnert. Ellingtons „Angelica“, über einen mitreissenden Latin-Beat gespielt, präsentiert ein Coltrane-Solo ohne Piano-Begleitung, ein weiteres Highlight des Albums, und zum Abschluss folgt „The Feeling of Jazz“, eine weitere Komposition von Ellington mit einem wunderbar relaxten Solo von Coltrane.
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Johnny Hodges erwähnte übrigens in einem Interview im Jahr 1964, dass um diese Zeit (also ca. 1962) ein Album mit Coltrane im Gespräch war.
Find ich ehrlich gesagt ziemlich schwierig, mir das vorzustellen. Hodges hat dann übrigens 1964 für Impulse das tolle $7Album „Everybody Knows Johnny Hodges“ (AS-61) aufgenommen; auf dem CD-Reissue ist zudem Lawrence Browns ebenso gutes „Inspired Abandon“ (AS-89) enthalten, auf dem Johnny Hodges Jr. auf zwei Stücken Schlagzeug spielt (mit viel „abandon“, wie inspiriert er war weiss ich nicht…). Im Interview wird Hodges gefragt, ob er Coltranes Musik möge, die Antwort lautet: „I don’t, but my son does.“ (Coltrane Reference, 260)
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12.-13. Oktober: Cork’n’Bib, Westbury, NY
15.-20. Oktober: Showboat, Philadelphia
ca. später Oktober – früh oder mitte im November: Vernon’s Restaurant, New Orleans, LA
From Porter (1998, pp. 368-369): „During this engagement Ellis Marsalis ran a club called the Music Haven and was there with a quartet including saxophonist Nat Perrilliat. During a break the owner of Vernon’s brought out Tyner and Coltrane to hear Marsalis. Coltrane and Perilliat got to talking and Perrilliat brought Coltrane to Marsalis‘ house, where they jammed briefly. Earl Turbinton may have jammed with Coltrane also during this week.“
~ Coltrane Reference, 261
Turbinton dürfte am ehesten bekannt sein durch die Mitwirkung an Joe Zawinuls Atlantic-Album „Zawinul“. Ellis ist der Vater von Wynton, Branford und Delfayo Marsalis… wohl der Musiker dieser Familie, den ich noch am besten mag. Jedenfalls gibt’s bei ihm keine ideologischen Bedenken
12. November: Village Gate, NYC (Benefit für Walter Perkins, der einen Autounfall hatte)
13. November: letzte Session für Ballads (s.o.)
14. November: Tyner nimmt mit Henry Grimes und Roy Haynes auf (Reaching Fourth, Impulse)
Bob Thieles ikonische Photographie, die später für das Cover von A Love Supreme Verwendung fand, erscheint zum ersten Mal, im französischen Jazz (Nov.-Dez. 1962, S. 25).
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Vom 17. November bis am 2. Dezember geht das Coltrane Quartett auf Tournee in Europa, erneut eine „Jazz at the Philharmonic“ Tour, die von Norman Granz organisiert wurde.
Dazu folgt dann ein separater Post, davon sind wieder ziemlich viele Aufnahmen im Umlauf…
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Im Dezember 1962 hat anscheinend Clifford Jarvis für kurze Zeit Elvin Jones ersetzt (dieser wurde bei der Einreise am JFK Airport [damals noch Idlewild Airport, nach der Ermordung Kennedys im Dezember 1963 erfolgte die Umbenennung] in NYC festgenommen). Jarvis wechselte von Sonny Rollins zu Coltrane, Ben Riley sprang dafür bei Rollins ein („The Other Side of the Scene“, von Fred Norsworthy, Coda, Feb. 1963, 14f., nach „Coltrane Reference“, 266).
Im späten Dezember oder den ersten Tagen des Januars ist Jones wieder zurück im Quartett.
Im Dezember 1962 oder Januar 1963 haben Tyner und Garrison einen Gig im Birdland mit Cal Massey gespielt:
After two years of virtual exile, trumpeter Cal Massey has reappeared several times, most recently at Birdland with Julius Watkins, French Horn; Clifford Jordan, tenor saxophone; McCoy Tyner, piano; Jimmy Garrison, bass; Al Heath, drums“ (Down Beat, Feb. 15, 1962, p. 14). This may have been a Monday night gig.
~ Coltrane Reference, 267
11.-16. Dezember: Jazz Temple, Cleveland, OH (nicht bestätigt)
15. Dezember: McMillan Theatre, Columbia University, NYC (ev. abgesagt oder falsch)
19. Dezember – 6. Januar 1963: McKie’s, Chicago, IL (als „John Coltrane and His Men of Madness“; mit Eric Dolphy! Dolphy wurde in einer Annonce als „Eric Dauphine“ bezeichnet… hier hat ev. ganz oder teilw. mit Clifford Jarvis Schlagzeug gespielt. Tyner wurde am 19. Dezember Vater)
Weiter geht’s wie gesagt dann mit der November 1962 Europa-Tour…
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba