Antwort auf: Chronological Coltrane

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Herbst 1960 – Sommer 1961

:: November 1960 – Mai 1961 ::

Nach den Aufnahmen im Oktober spielte Coltrane vom 9.-20. November im Birdhouse in Chicago, IL, vom 22.-27. November im Minor Key in Detroit, MI, vom 28. November bis 3. Dezember im Crawford Grill in Pittsburgh, PA, und dann vom 13.-18. Dezember und wieder vom 3.-15. Januar 1961 im Copa City in Queens, NYC.
Um die Zeit des Januar-Gigs hat Reggie Workman Steve Davis abgelöst.

Vom 17.-29. Januar spielte das Quartett – erstmals mit einem Gastbassisten (Art Davis, der diesen Job längere Zeit immer wieder übernehmen sollte) – im Half Note. Vom 16.-19 Februar dann wieder in der Kernbesetzung im Welcome Inn, Cleveland, OH (Im Cleveland Call and Post hiess er „Coletrane“). Vom 21.-26. Februar war Coltrane erneut im Minor Key in Detroit, MI.
Und – hiervon habe ich endlich wieder eine Aufnahme – vom 1.-12. März war die Gruppe wieder in der Sutherland Lounge im Sutherland Hotel in Chicagao. Diesmal stiess Donald Rafael Garrett ab und zu als Gast zur Band (auch auf dem überlebenden Radio-Broadcast). Porter (1998, 364) gibt an, Coltrane habe – nach Auskunft Andrew Hills – nach dem letzten Set manchmal mit Hill und anderen bei Garrett gejammt.
Vom 17-23. März spielte das Quartett im Apollo Theatre in NYC, am 20. und 21. war Coltrane als Gast zum allerletzten Mal im Studio mit Miles Davis (für zwei Stücke das sehr schönen Albums Someday My Prince Will Come – als einziges klassisches Miles-Album ging das in den „metal spine“ Boxen unter, nur die zwei Stücke mit Coltrane sind in der Miles/Coltrane Box, lohnt sich aber sehr, das zu haben auch Hank Mobley hat ein paar grosse Momente! Und Miles wurde durch Coltranes Weggang – wie Aufnahmen schon vom Herbst 1960 zeigen – wieder stark gefordert und wurde in seiner Band wieder zum tonangebenden Musiker, was auch seinem Spiel hörbar gut tat!)
Am 24./25. März spielte Coltranes Quartett im Cork ’n‘ Bib in Westbury, NY, dann am 26. im Coliseum in Baltimore, MD (wo Coltrane als Last Minute Ersatz für Ray Charles einsprang).
Vom 31. März bis am 8. April spielte das Quartett im Mardi Gras in Kasas City, MO, dann vom 11.-23. April in der Zebra Lounge in Los Angeles. Während diesem Gig sind Scott LaFaro und Roy Haynes (die Hälfte des damaligen Stan Getz Quartetts) einmal für Workman und Jones eingesprungen (Quelle).
Vom 25. April bis am 7. Mai war das Quartett dann im Jazz Workshop in San Francisco.
Ca. Mai/Juni spielte das Quartett dann im Impulse in Rochester, NY.
Am 23. und 25. Mai sowie am 7. Juni fanden dann die nächsten Studio-Sessions statt… wieder ein grosser Schritt!

:: Olé Coltrane & Africa/Brass ::

Olé (Atlantic, rec. 25. Mai) ist womöglich der krönende Abschluss von Coltranes eineinhalb Jahren bei Atlantic. Zum Zeitpunkt der Aufnahme war sein Vertrag schon abgelaufen, er hatte aber für dieses letzte, geschuldete Album, bereits Geld bekommen. Das Quartett wird ergänzt durch Freddie Hubbard (t), Eric Dolphy (als „George Lane“) (fl,as) und Art Davis (b – nur auf zwei der vier Stücke). Das Titelstück, das die ganze A-Seite der LP einnahm, basiert auf einem spanischen Volkslied (Miles hat ja etwas früher „Sketches of Spain“ aufgenommen, auch bei Gil Evans‘ eigenen Aufnahmen sind Spanische Skalen und Melodien zu hören). Grandios, wie die Rhythmusgruppe das Stück aufsetzt, wieder in der Ostinato-Tradition, Tyner greift mehr in die vollen als auf den Aufnahmen von 1960, seine linke Hand benutzt auch die tieferen Register des Klaviers. Jones klöppelt über 18 Minuten einen 3/4 Takt, ohne dass jemals Walzer-Feeling aufkommt. Tolle Soli von Dolphy und Hubbard folgen, dan ein äusserst repetitives von Tyner, die Bässe… und zum krönenden Abschluss Coltrane auf dem Sopran. Der Rest der Session verbleicht danach ein wenig… obwohl auch auf „Dahomey’s Dance“ die beiden Bässe toll sind! „Aisha“ von Tyner ist eine wunderbare Ballade, und dann gibt’s zuletzt noch „To Her Ladyship“, das ursprünglich auf dem Atlantic Reste-Album „The Coltrane Legacy“ erschienen ist.

Africa/Brass ist ein weiteres Highlight aus Coltranes Werk. Unglaublich, dass diese beiden Alben sozusagen zeitgleich entstanden! Mit diesem Album begann die Zusammenarbeit von Coltrane und dem neuen Impulse-Label (Creed Taylor hat es unter dem Dach von ABC Records aufgebaut, ging dann kurz darauf zu Verve, worauf Bob Thiele engagiert wurde, der als Produzent von Coltranes wichtigsten Alben fungierte).
Für Nicht-Original-Album-Fetischisten empfehle ich dringendst die Anschaffung der Doppel-CD „The Complete Africa/Brass Sessions“ (MCA 1995), da gibt’s zusätzlich zu den drei Stücken des ursprünglichen Albums einen Alternate Take von „Greensleeves“, eine „first version“ und einen Alternate Take von „Africa“, sowie Cal Masseys Komposition „The Damned Don’t Cry“ (in dem Booker Little das Thema spielt), sowie den von Coltrane arrangierten Traditional „Song of the Underground Railroad“.
Die Grundidee des Albums war es, das Quartett vor dem Hintergrund einer Big Band zu präsentieren. Diese ist mit viel Blech besetzt (erste/zweite Session: 2/1 t, 2 euph/1 tb & 1 euph, 4/5 frh, tuba, sowie Dolphy-as/fl/bcl, Garvin Bushell-picc/reeds [nach eigener Aussage fast nur Fagott], und Pat Patrick-bari) und dient fast nur der Untermalung. Einzig Cal Masseys Stück „The Damned Don’t Cry“ (mehr dazu hier).
Das Highlight is hier mit Sicherheit „Africa“, dessen Master Take sechzehneinhalb Minuten dauert und die ganze erste Seite des Albums einnahm. Hier taucht Paul Chambers als zweiter Bassist noch ein letztes Mal auf einer Coltrane-Session auf (ich sagte ja, er wäre von den „alten“ Begleitern am ehesten in der Lage gewesen, länger mit Coltrane zu spielen… wusste als ich das schrieb gar nicht mehr, dass er hier wieder auftaucht, hätte auf Art Davis getippt!) und die beiden Bässe legen wie bei „Olé“ ein tolles Fundament. Die echte Sensation hier ist jedoch Elvin Jones mit seinem Schlagzeugsolo (man ist fast versucht Trommelsolo zu schreiben).
Auf diesen beiden Sessions ist der Bezug zu Afrika nicht mehr blosses Lippenbekenntnis. Das Orchester baut eine eindrückliche Klangkulisse auf und auch Tyner soliert äusserst perkussiv. Grandiose Aufnahme!
Für die Arrangements waren überigens Tyner und Coltrane zuständig, Eric Dolphy übernahm die Orchestrierung. (Mit der Ausnahme von „The Damned Don’t Cry“, das von Cal Massey und Romulus Franceschini arrangiert und orchestriert wurde.)

:: Juni-Oktober 1961 ::

Vom 13.-18. Juni spielte das Quartett (+ Art Davis) im Abart’s Internationale in Washington, DC. Tony Gieske („Countdown at Abart’s: New King of Jazz Taking Flight Here“) hat in der Washington Post (Saturday, June 17, 1961, p. A13) einen Artikel darüber geschrieben, der mir abtippenswürdig erscheint:

Once every four or five years a new jazz king is crowned, and it’s an event that – unlike „My Fair Lady“ or the World Series – sneaks past everybody. In Jazz, it’s only afterwards that you realize you were there when history was being made.
So it is with John Coltrane’s new quintet. The few that hear it while it is in Washington will have an ineffaceable memory. After nearly 20 years, Coltrane has got it all together and he’s burning.
Yesterday morning at 12:02 a.m. I walked into Abart’s Internationale, a night club at 1928 9th st. nw., ordered a drink and sat down. At 12:05 a.m. Coltrane, a big, glum, dedicated fellow of 34 who has been mingling with jazz royalty – Dizzy Gillespie, Miles Davis – for a number of years, began playing a brisk blues called „Shifting Down,“ by Kenny Dorham.
Coltrane played this blues without letup until 12:55 a.m. During that period, he demonstrated that he has mastered everything that has been done with the tenor saxophone in the past 25 years, that there will be few jazz musicians who will not be indebted to him in, conservatively, the next five years, that, for the present, Coltrane wears the crown.
Coltrane stated his theme baldly enough, and for a few choruses it almost seemed that it didn’t really interest him. He was circling, mellow, ruminative. Then a door came open and it was like being hit with a straight stream from a 2 1/2 inch fire hose, with the notes spraying every which way.
Yet I had heard that when he was playing with trumpeter Davis. The same avalanche, the same maintenance of a constant climax; it was enough to show mastery.
Now came the adventure and the experimentation. For a few choruses, Coltrane stated his phrases at a hair-rising bias from what would have been the ordinary, well-tempered pitch.
A single chorus was next devoted to the timbres and rhythmic variations that could be extracted from a single pitch. Drummer Elvin Jones, absorbed in every note, spotted a triplet pattern by Coltrane an proceeded, without losing the intense meter, to play three triplets on a single beat – on the bass drum, with his foot.
Coltrane relaxed into a Davis-like lyricism for a few choruses. There were some compelling pedal-point patterns in the rhythm section. Then Coltrane launched into a long passage during which he managed to blow two and sometimes three notes simultaneously. He was playing chordal sequences on the saxophone.
The audience sat transfixed. It was now 12:35 a.m. Coltrane kept playing, shaking his instrument as though to see if there were any notes left. There were. The pressure mounted.
Coltrane left the key. Bassist Reggie Workman followed right along with him. At this point, my notes read, I felt like I was being nailed to the wall.
12:42 a.m. Jones, a wiry little fellow, begins to tire, not slowing down, but shoving a little too hard.
12:43. Coltrane stops dead. Pianist McCoy Tyner solos, Workman solos. Coltrane repeats the opening theme statement. It’s all over. Flat pause. Then applause. It is 12:55 a.m. And all us jazz types pay tribute to our new leader.

~ Coltrane Reference, 223

Quite a ride! Kann man nur davon Träumen, sowas selber erlebt zu haben!

Der Schedule für den Sommer:

20.-25. Juni: Algiers (aka Algiers Lounge), Cleveland, OH
1. Juli: Music at Newport, Newport, RI (mit Art Davis)
11. Juli: Jones nimmt für Riverside das Album „Elvin“ auf (mit Hank Jones, Art Davis u.a.)
11.-23. Juli: Village Gate, NYC (mit Dolphy und Davis)
(bis am 16. Juli war das Booker Little Quintett mit Dolphy im Five Spot, danach Ornette Colemans Quartett mit Jimmy Garrison, der seit Mitte Juli mit Colemans Gruppe war)
24.-29. Juli: Showboat, Philadelphia, PA (mit Dolphy und Davis)
1.-6. August: Minor Key, Detroit, MI
8. August-3. September: Village Gate, NYC (mit Dolphy und Davis)

LeRoi Jones (aka Amirir Baraka; Metronome, Dec. 1961, p. 36), in the course of an essay/review of three Coltrane LPs on Atlantic Records – Giant Steps, Coltrane Jazz, and My Favorite Things – includes a mini-review of this gig:

Coltrane recently had a rather extended engagement at the Village Gate (alias, The Cave Of The Winds). […] His performances there outstripped anything heard on his records. […] On some of the soprano solos Coltrane begins one of his long lines and without decreasing the power or drive of the solo the line suddenly seems to spread itself into two or three separate lines. […] The rest of the group, especially Elvin Jones and McCoy Tyner, can scare you to death. I only hope that Atlantic can get some of this music on tape.

~ Coltrane Reference, 229f.

Am 21. August waren Tyner, Art Davis und Jones mit Freddie Hubbard im Studio, um dessen Ready for Freddie aufzunehmen.

25. August: Downing Stadium, Randall’s Island Jaz Fest, NYC (mit Dolphy & Davis)
12. September-1. Oktober: Jazz Workshop, San Francisco, CA (mit Dolphy und Wes Montgomery [!] – die angeblich existierenden Tapes davon sind bisher noch nicht aufgetaucht…)
22. September: Monterey Jazz Festival, Monterey, CA (mit Montgomery & Dolphy)
3.-11. Oktober: Club Renaissance, Los Angeles, CA (mit Dolphy)
16.-21. Oktober: Showboat, Philadelphia, PA

Und dann folgten die Village Vanguard Sessions, auf einer grandiosen 4CD-Box dokumentiert (MCA, 1997). Auch hier lohnt sich unbedingt die Anschaffung (ursprünglich waren Aufnahmen auf der Hälfte von „Impressions“ sowie dem ganzen „Live at the Village Vanguard“ veröffentlicht worden, es folgte dann noch „The Other Village Vanguard Tapes“, 2LP 1977 und „Trane’s Modes“, 2LP 1979). Das gibt den nächsten Post…

Quelle: Coltrane Reference, 209-211, 214-

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