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nail75If you are in a hole, stop digging!
Das tue ich ja! :sonne:
Vielleicht lässt sich noch etwas ergänzen. Ich glaube, von den dreien habe ich „Blue Train“ zum ersten Mal gehört. Aus irgendwelchen Gründen zeitgleich mit Turrentine’s „Blue Hour“ und „Soular Energy“ von Ray Brown. Da steht also ein relativ schweres HardBop-Album mit einem technisch sich entwickelndem Tenoristen zwei Soul Jazz-Alben gegenüber die dann auch noch mit perlig-funkigem Klavierspiel und einem „sanften“ Tenoristen aufwarten. Da ist es fast schon vorprogrammiert, dass „Blue Train“ den kürzeren zieht. Andere Referenzpunkte zur damaligen Zeit waren Oscar Peterson, Bill Evans, Sonny Clark. Fast alles Pianisten im Mittelpunkt. „Blue Train“ hatte da vordergründig den Reiz eines echten Klassikers; wer kannte das berühmte Covermotiv nicht, oder wem war es zumindest noch nicht aufgefallen? Trotzdem war die Enttäuschung da recht groß, was vielleicht auch ein wenig am unbekannten Sound Fuller’s lag. Irgendwann später kamen dann die ersten Leader-Sessions auf Prestige, die einen ganz anderen Coltrane zeigen. Einen jungen, der sich ausprobieren will, der aber noch gut von den alten Hasen am Klavier, an den Drums etc. „beherrscht“ wird. Trotzdem war da eine unglaubliche Spiellaune und eine schöne Symbiose zu hören. Außerdem gab es die kognitive Komponente noch nicht. Wer war Coltrane und wo wollte er hin? Das spielte keine große Rolle. Just you and the night and the music. Der emotionale Zugang war sofort da. Was kam danach? Alle sagen, dass „Giant steps“ und „A love supreme“ so toll seien. Das eigentlich zugänglichere hat mich sofort abgestoßen. Das ist nicht der Trane der Prestige-Sessions. Das ist jemand, der Musik zur Mathematik erhoben hatte, der Musik nach Plan macht. Alles erscheint überlegt, festgelegt und damit auch endgültig. Ich konnte damit nichts anfangen. Demgegenüber war „A love supreme“ etwas übermächtiges, eine Art Botschaft oder einfach nur entfesselte Musik, die trotz aller kontemplativen Momenten eine ungeheuere und unbändige Spielfreude inne hatte. Das hat sich mir sofort erschlossen und seitdem komme ich auch mit den schwierigeren Sessions wie „Ascension“ einigermaßen klar. „My favourite things“ habe ich dann mal mit Ruhe und Interesse im Ohrensessel meines Plattenladens auf mich wirken lassen und ich habe nichts daran gefunden, was mich berührt oder interessiert hätte, es öfter zu hören. Auch dieses ist für mich noch ein akademisches Album, auch wenn bereits das klassische Quartett wirkt. Trotzdem finde ich es etwas „emotional rauher“ als „Giant steps“. „Blue train“ konnte ich mir mit der Zeit etwas mehr erschließen, einfach weil man den Blue Note-Charakter spürt und das schon so etwas wie Heimat ist. Ich höre es hin und wieder durchaus gerne, ohne dass es mich innerlich tief berührt. Und das obwohl die Themen sehr greifbar und schön sind.
Leider habe ich es bis zum heutigen Tage nicht geschafft, mich mit den übrigen Atlantic-Aufnahmen auseinanderzusetzen, obwohl mich da einiges noch interessiert. „Coltrane Jazz“ oder im speziellen „Olé“.
Hm. Was will ich damit sagen. Musik ist etwas sehr emotionales, aber auch abhängig vom richtigen Zeitpunkt. Vielleicht hätte ich „Blue train“ zu einem anderen Zeitpunkt und dann auch solitär entdecken müssen. Vielleicht hätte ich mit den ersten Leader-Sessions anfangen und mich dann vorarbeiten sollen. Vielleicht war es aber auch so richtig, denn sonst würden mir möglicherweise andere Aufnahmen nicht gefallen…
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"There is a wealth of musical richness in the air if we will only pay attention." Grachan Moncur III