Re: Chronological Coltrane

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nail75

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gypsy tail wind

Und zu „Giant Steps“ – wo er hin will?

Ich hör das anders, hab’s ja oben schon eine Art „Sackgasse“ genannt. Danach ging’s ja in eine völlig neue Richtung, nämlich diejenige, die von Miles Davis (mit Hilfe Bill Evans‘) angebahnt wurde und die unter Teilnahme Coltranes auf einigen Stücken von „Milestones“ und dann auf „Kind of Blue“ ihren ersten gültigen Ausdruck fand.

Wo würdest du denn Anknüpfungspunkte an „Giant Steps“ in Coltranes späterem Werk sehen/hören?

Weg vom Hard Bop! No more blowing sessions!

Das mit der Sackgasse habe ich oben bewusst ignoriert, aber da Du es jetzt nochmal herhvorhebst, sei Dir gesagt, dass ich den Ausdruck und den Inhalt dieser Aussage für eine gigantische Fehleinschätzung halte. Ich weiß auch nicht, wie Du das begründen willst. Auch das „danach“ ist falsch. Kind Of Blue war nicht „danach“, sondern danach, davor und gleichzeitig mit Giant Steps. Das ist eine Parallelentwicklung. Der Hard Bop liegt hinter Miles und Coltrane und die Reise in eine neue Richtung beginnt: modaler Jazz, eine neue Freiheit der Improvisation (mit allen Einschränkungen).

Mit Giant Steps begegnet uns zum ersten Mal Coltrane als Autorität, um den Ausdruck aufzugreifen, den redbeans oben verwendete. Er ist jetzt ein kompletter Musiker, Komponist und Solist, der einer Session seinen individuellen Stempel aufdrücken kann und das auch macht. Dadurch ist es möglich, Alben zu veröffentlichen, die einen speziellen Charakter haben. Das hat oben auch redbeans geschrieben, wobei seine Charakterisierung fast nur negativ war, was ich natürlich für einen Fehler halte, aber es zeigt (jedenfalls nach außen): Die Alben sind individuelle Werke einer Gruppe von Musikern und der Leitung eines Leaders mit einer klaren Vision und nicht das Produkt von monetären Erwägungen. „Lass uns ein paar Junkies einsammeln, wir brauchen eine neue Platte“ – die Zeiten sind mit Giant Steps und Kind Of Blue endgültig vorbei. Stattdessen haben wir ein Album als Gesamtkunstwerk.

Coltrane hat sich damit aus dem dunklen Keller von Prestige befreit, wo er sich letztlich nur immer im Kreis drehte und besitzt nun die Freiheit, seine eigenen Wege zu gehen und mit ganz verschiedenen Settings zu experimentieren. Nicht alles ist erfolgreich, aber durch diese Freiheit werden die Entdeckungen der nachfolgenden Werke erst möglich.

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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.