Re: ROLLING STONE Juni 2010

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daniel_belsazar

Registriert seit: 19.04.2006

Beiträge: 1,253

Wo wir gerade bei Daten & Fakten sind:

1. Die allermeisten Zeitschriften finanzieren sich in der Regel in erster Linie durch Werbung. Der Rolling Stone macht da keine Ausnahme und hat sie auch nie gemacht.

2. Wer die Musik bezahlt, bestimmt sie. Um den Leser geht es nur insoweit, wie er als potenzieller Verbraucher der beworbenen Produkte bei der Stange bleibt. Dazu dient das redaktionelle Angebot.

3. Da es viele konkurrierende Zeitschriften gibt, die von den endlich vielen Kunden deren endliches Geld bekommen möchten, müssen sie um diese Kunden buhlen.

4. Dies tun sie in der Regel mit der „Reichweite“, d.h. den erreichten Lesern, die eine Anzeige potenziell sehen. Gemessen wird die Effizienz in TKP, „Tausender-Kontakt-Preis“.

5. Für die Vergleichbarkeit der Angebote braucht der Werbetreibende für alle Anbieter geltende Standards, nach denen verschiedene Kenngrößen abgefragt werden können.

6. Dafür sorgt die „Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e. V.“ mit Sitz in Berlin (www.ivw.de). Daten von Monatszeitschriften werden dort in der Regel quartalsweise gebündelt.

7. Der Rolling Stone, wie alle Musikzeitschriften selbstverständlich unter „Lifestyle“ geführt, hat in Q1 2010 einige interessante Änderungen in den IVW-Daten zu verzeichnen. Die Druckauflage wurde von zuvor rund 82.000 auf 94.000 erhöht (was übrigens erstmal ein bisschen Geld kostet). Die verbreitete Auflage stieg von zuvor rund 56.000 auf nun 66.000. Dabei blieben sowohl Abozahlen (leicht über 14.000) als auch freier Verkauf (um 24.000) ebenso gleich wie die Lesezirkelexemplare etwa für den Friseursalon und das Wartezimmer (um 15.000). Die Remittenden erhöhten sich leicht um rund 2.800. Neu hinzugekommen sind 8.360 „Bordexemplare“ (Flugzeug- und ggfs. Bahnauslagen) und gut 1.000 „sonst. Verkäufe“ (was alles mögliche sein kann wie etwa über Gegengeschäfte laufende Festival / Konzerthuckepacks etc). Das ist ein IVW-konformes und recht leicht durchschaubares Pushen der TKP-Möglichkeiten, um das Blatt für Werbetreibende attraktiver zu machen. (Kehrseite: Dafür muss auch mal Ballack, ein Manager oder eine leidlich attraktive Politikerschnalle drauf, sonst greift im Flieger kaum jemand zu. Und letztlich wollen auch Redakteure Nutzer erreichen, dafür und letztlich davon werden sie nämlich bezahlt.)

8. Seit einigen Jahren leistet die IVW die Zahlendienste auch für den Online-Bereich. Wie der eine oder andere bemerkt haben mag, läuft der Online-Auftritt des RS wie auch der der anderen Lifestyle-Magzine von Springer seit einiger Zeit schon unter der „welt.de“-Flagge (Die Domain taucht übrigens auch auffällig häufig bei den deutschen Google News an oberster Stelle auf). Welt Online hat laut IVW von Mitte letzten Jahres bei den monatlichen Visits von um 20 Mio auf fast 30 Mio im April 2010 zugelegt. In den ersten vier Monaten 2010 allein um 6 Mio monatliche Besuche. Die Aufrufe basieren großteils auf „Redaktionellem Content“. Klar, e-Commerce wird ja hier auch wenig betrieben. Einiges von dem Zuwachs in diesem Jahr (rund 3-4 Mio Visits) kam jedoch interessanterweise aus dem Bereich „User generierter Content“.

9. Dieser Post ist ein „User generierter Content“. Das Lesen des Posts setzt einen Visit voraus, und ergibt mindestens eine Pageview. Kleinvieh macht Mist. Auch wenn der Post inhaltlich nicht gefällt, ist er etwas wert.

10. Ich bin altmodisch. Ich glaube weiterhin fest daran, dass wenn man dem Leser keinen Nutzen bringt, dies über kurz oder lang zu einer Abkehr von dem Erzeugnis führen wird. Man kann sich bei schwindenden Leser- oder Nutzerzahlen fragen, woran das liegt und vielleicht eine neue Vision entwickeln, um den Bedarf besser zu treffen. Und mit etwas gesundem Menschenverstand, Vorstellungskraft und natürlich viel Glück schafft man das auch. Wenn die kreative Kraft dazu nicht ausreicht, kann man auch durch verschiedene Marketingtricks das Pferd solange reiten wie es irgend geht. Auch wenn es schon tot ist.

11. Der RS ist nicht tot. Er riecht allerdings seit etlichen Jahren schon etwas streng.

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The only truth is music.