Re: Avantgarde: Trompete

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gypsy-tail-wind
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Verdammt Leute, ihr fordert mich im Moment gewaltig!

Hab soeben meine Shipp (Piano-Thread), Ran Blake und Koglmann hatOLOGY CDs rausgesucht und gestern abend Koglmanns „Make Believe“ (between the lines) angehört.

In diesem Sinne ein Vorschlag: ist es eventuell möglich, diesen Thread umzutaufen, in sowas wie „Bill Dixon, Leo Smith, Franz Koglmann etc – Avantgarde-Trompeter“? Dann könnten wir hier nämlich viel mehr diskutieren – ich werde jetzt dann sowieso gleich was über Koglmann schreiben, fände es schön, so einen Sammel-Thread zu haben! (Dies nicht als Abwertung von Dixon, aber ich find halt die Diskussionen, die den Spuren und Verbindungen nachgehen, sie nicht nur kurz erwähnen und „on topic“ bleiben, persönlich immer spannender!)

Also, Franz Koglmann – Make Believe – die CD wurde 1998 aufgenommen und trägt den Untertitel „Six musical scenes based on Jean Cocteau’s novel „. Mit Koglmann spielt Tony Coe an der Klarinette, Bassklarinette und Tenorsax, dazu Tom Varner am Horn, Peter Herbert am Bass und mit einer Art wild card Brad Shepik an der Gitarre. Die Musik beginnt mit einer wunderbaren Interpretation von Jerome Kerns „Make Believe“ – in den Liner Notes wird ausgeführt, dass Cocteau (gemäss seinem Tagebuch) sein Buch unter starkem Einfluss von Kerns Song „Make Believe“ aus dem Musical „Show Boat“ geschrieben hat – das ganze ist also eine schlaue und äusserst elegant inszenierte Idee. Danach kommt Koglmanns eigene Musik… auch sie elegent, mal sparsam karg, mal schön flüssig, selten „swingend“ im eigentlichen Sinn (dazu ein Zitat des frühen Koglmanns aus Peter Niklas Wilsons – leider nur englisch vorhandenen – Liner Notes: „My non-jazzy attitude is due to the fact that my ancestors were not cotton pickers from Mississippi. It would be disingenuous to exhibit my ‚groove‘ in a finger-snapping manner.“ – belegt wird das nicht, aber ist ja auch kein wissenschaftlicher Text…).
Jedenfalls bewegt sich die Musik irgendwo zwischen Third Stream, Cool Jazz und komponierter Musik. Das Ensemble ist so gut eingespielt, dass die Musik meist sehr flüssig daherkommt, auch wenn sie fragmentiert ist… gefällt mir auf den ersten Eindruck sehr gut! Und toll ist Brad Shepik, der so ziemlich alles darf – und das nicht geschmacklos ausnützt, sondern mit jeder denkbaren Elektronik „eingreift“, aber auch ganz dezent in Jim-Hall-Manier Akkorde legt. Cocteaus Buch kenn ich übrigens tatsächlich nicht, und ich habe auch tatsächlich den Film noch nie gesehen (hier habe ich mal einen Versuch gemacht, zusammenzutragen, aber es fehlen Dutzende von Filmen…)

Und grad weiter… Kimus #3 (hat ART CD 16003), einer von fünf Samplern, die Hat Hut bis 1991 rausgaben mit Outtakes etc, enthält wie alle drei, die ich habe (Kimus #3-#5) einiges von Koglmann, in diesem Fall sechs Stücke von den Sessions zu „Orte der Geometrie“ (hat Art CD 6015). Die Stücke reichen vom Duo mit Ran Blake (ein wunderbares „Autumn in New York“ über eine Version von „Der Vogel“ (nach einem Cocteau-Gedicht und auf „Make Believe“ wieder aufgegriffen) mit Guillermo Gregorio (as) und Klaus Koch (b) und ein Quintett (auch ein Highlight: „Israel“ von Johnny Carisi, mit ganz tollem Sopranspiel von Roberto Ottaviano) bis zum Pipetet, von dem es zwei Titel zu hören gibt, „Slow Fox“ und „The Bankers“. Fritz Hauser spielt im Quintett und im Pipetet Schlagzeug, Burkhard Stangl bringt sehr schöne Gitarrensounds rein. Gefällt mir sehr! Habe leider nichts aus der hat ART-Zeit von Koglmann, nur ein paar hatOLOGY Reissues und eben seine Beitgräge auf diesen drei Kimus-CDs.

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