Re: The Chicago Sound

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redbeansandrice

Registriert seit: 14.08.2009

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@nail: Letztlich ist es mit Stitts Status ein kleines bißchen wie mit Chet Baker, früh nicht ganz ungerechtfertigt einen etwas unattraktiven Stempel aufgedrückt bekommen, dazu so eine typische kaum überschaubare Junkiediskografie mit viel Mittelmaß, und man muss sich ein Stück weit auf ihre Eigenarten einlassen… sonderbar fand ich neulich im Fred Anderson/Von Freeman Artikel in John Corbetts Extended Play den Hinweis, es sei „strange“, dass Freeman und Anderson beide das Jam-Session Format so lieben – der Grund ist offensichtlich, dass beide aus dieser Tradition kommen (link zu Corbett, kann mir nicht helfen, der Text nervt mich; „McKeefe Fitch, the famous Chicago booking agent“ ist offensichtlich McKie Fitzhugh – keine Ahnung wie einer Chicago Jazz Größe wie Corbett sowas passieren kann…).

Freeman über Stitt:
„Well, I’ll tell you what had to happen with Sonny Stitt, man. You had to get on the bandstand and play with him to really appreciate him. See, Sonny Stitt was mean, man. Sonny Stitt could play so many different things. And he was just as mean on tenor as he was on alto. In fact, he had another style altogether on tenor. And he played baritone! He played it proficiently. The man was a great saxophone player.[…] The man could just play anything he wanted to play. Sonny to me was amazing. I loved him. And we used to play a lot around in Gary and Evanston and things like that when he’d come in town. Because he loved to battle, you know, and he loved to get you up on that stage and wear you out. And if you wasn’t together, brother, he would wear you out! But he was a beautiful cat.“

und zum Abschluss – hier ist ein tolles Stitt Interview, sehr witzig wie er sich als der nette Onkel präsentiert, der mit den Kindern singt und durchaus bereit ist sich auf das niedrige Niveau des Publikums und seiner Mitmusiker herabzubegeben – die Arroganz und diesen Sinn fürs Kompetitive kriegt er aber doch nie ganz abgestellt… Kostprobe:

„Jazz is supposed to be a happy thing. You take one of today’s weirdies and put him on the stand with Ben Webster, Don Byas, Illinois Jacquet, Dexter Gordon, Gene Ammons, Al Cohn, Zoot Sims—he’ll go home with his head in his hands. You ain’t supposed to play over people’s heads. You’re trying to give a message to people, and make it as simple as possible for the average man.“

Bemerkenswert ist hieran auch, dass Stitt Zoot Sims und Al Cohn mit in den Kreis der umherziehenden Saxophonhelden aufnimmt – in den meisten Büchern stehen die hinter Stan Getz in einem anderen Kapitel.

Hier, Track 1-6, kann man noch ein Chicagoer Battle Album von Stitt hören, mit Zoot Sims, die Rhythmusgruppe sind John Young (langjähriger Begleiter von Von Freeman und hier der heimliche Star), Sam Kidd und Phil Thomas… Thomas gehörte zusammen mit John Gilmore, Andrew Hill und Wilbur Ware zu der Chicagoer Band, mit der Miles Davis eine Weile probte, bevor er sein erstes Quintet gründete… die Frage, ob und wann Stitt in Chicago lebte hab ich immer noch nicht geklärt gekriegt, jedenfalls erinnert sich Yusef Lateef in seiner Autobiografie, dass er in seiner eigenen Chicagoer Zeit Ende der vierziger Jahre dort täglich mit Stitt geübt hat…

@thelonica: das ist schon eines der großen Märchen des Jazz; Bob Koester erlaubt seinem „Praktikanten“ Chuck Nessa, auf seinem finanziell angeschlagenen Blues-Label Delmark aufzunehmen, was er will, und gleich drei Alben, ohne auch nur bei den Sessions vorbeizuschauen; Nessa beginnt daraufhin als erster mit erstaunlicher Zielsicherheit die nächste Welle der Jazzavantgarde aufzunehmen, obwohl er selbst irgendwo gesagt hat, er hätte die Musik damals nicht wirklich verstanden, er hätte nur gespürt dass Mitchell, Abrams… wussten was sie taten. Dann ein Streit zwischen Nessa und Koester über den ich nicht viel weiß, aber jedenfalls endet es so, dass beide das Begonnene fortsetzen, im Prinzip bis heute; in den Katalogen von Delmark und Nessa ist viel vom besten Chicagoer Jazz zu finden; Nessa ist momentan dabei, in einer letzten finanziellen Kamikazeaktion :-) seinen Katalog auf CD herauszubringen, absolut unterstützungswürdig, Roscoe Mitchell, Lester Bowie… ein neues Von Freeman Album (Vonski Speaks) gibt es auch, noch nicht gehört…

@gypsy tail wind: herzlich willkommen!

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