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Auf die Frage, was er denke, wenn er auf die Bühne geht, sagte Keith Richards: Da denke er nicht, da fühle er nur! Mit Sicherheit gilt das auch für Malcolm Holcombe. Der Singer-Songwriter aus North Carolina steht nicht auf einer gigantischen Stadionbühne vor -zigtausend Zuschauern, sondern vor nicht mehr als drei Dutzend Leuten auf dem winzigen Podium im Berlin Guitars. Doch das Gefühl ist umso größer, direkter, intensiver.
Holcombe schert sich einen Dreck um die kommerziellen Aspekte einer großen Musikerkarriere, er versteht sich als einfacher working man, der Songs schreibt und singt. Wie jeder, der seinen Job macht, wie schon sein Vater, der ein hart arbeitender Busfahrer war. Ohne Aufhebens, bodenständig, aufrichtig, gut. Arbeiterethos. Holcombe sitzt da wie ein Hobo aus einem alten amerikanischen Film, mit zerrissenen Jeans, verkrumpelten Hemd unter einer verschossenen Lederjacke, mit strähnigen Haaren, wilden Koteletten und schaukelt gefährlich mit dem Stuhl. Mit schwieligen Fingern pickt er in die Gitarrensaiten, lässt den Stahl knallen, hämmernd rhythmisch, sirrend melodisch. Fabelhaft eigenwillige Gitarrentechnik. Wüst und sanft. Er knurrt und heult wie ein verwundeter Wolf. Ein knarrender Bariton, der an Guy Clark und Tom Waits erinnert und doch ganz anders ist. Immer mehr versinkt Holcombe in seiner eigenen Welt, richtet den Blick nach innen, wo ein endloser Erinnerungsfilm abzulaufen scheint. Ganz großes Gefühl, das denen, die in der ersten Reihe sitzen, Angst machen könnte. Wenn der Sänger zu seiner umwerfenden Americana-Mixtur aus Folk, Country, Blues und Rock plötzlich manisch den Kopf schüttelt, mit der Faust auf die Gitarre knallt, gefährlich die Augen verdreht, die im nächsten Augenblick wieder so tief und blau wirken wie ein klarer Gebirgssee. Bittersüße Short Stories über das Leben. Von der Sehnsucht, vom Weggehen, von der Liebe, vom Nachhausekommen, von Kindsein und Erwachsenwerden. Malcolm Holcombe, einer der Größten seiner Zunft, muss bei uns erst noch entdeckt werden. Berauschender Auftritt. H.P. Daniels
(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 30.04.2008)
„Haunted country, acoustic blues and rugged folk all meet here. Holcombe’s music is a kind of blues in motion, mapping backwoods corner of the heart.“
Rolling Stone
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Es gibt ein Ziel, aber keinen Weg; was wir Weg nennen, ist Zögern. (Kafka)