Re: Northern Soul

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This charming man

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Ich schrieb ja: sogar. Es handelte sich schließlich um einen tribe, der sich nur nebenher über Musik definierte (dann ABC, Style Council, Spandau Ballet, etc.), seine Grenzen vielmehr nach Klassenzugehörigkeit zog. Upper class ohne stiff upper lip, so to speak. Anfangs nicht unattraktiv natürlich, denn Sloanies waren zunächst nur Mädchen, die keinen Aufwand scheuten, wenn es um ihr Äußeres ging. Und die, da gut ausgebildet, ein sehr gepflegtes Englisch sprachen, (nicht nur) seinerzeit eher selten in London zu genießen. Easy on the eyes and on the ears. Freilich nur, wenn man ausblendete, worüber da in so gewählten Worten gesprochen wurde: high society gossip, usually. Anzutreffen waren sie prominent in der King’s Road (logisch, der Sloane Square ist ja deren Ende oder besser: deren Anfang, denn das andere Ende heißt nicht umsonst World’s End). Dort, in den Coffee Shops vor allem, waren sie massiert anzutreffen, sich darin gefallend, Blicke anzuziehen. Schlimm wurde es erst, als sich männliche Pendants dazugesellten, in extrem affigen Outfits: Bügelfalten-Bundhosen, taillierte Hemden, Pollunder oder den (Kaschmir-)Pullover nach Golfer-Art über die Schulter gehängt, alles in Pastell oder Burberry-Junker-Braun&ocker, dazu Scheitelkurzhaarfrisur. Auch sie befleißigten sich eines gehobenen Englisch, doch drehten sich ihre Gespräche vornehmlich um Geld und Karriere. Pythons „Upper Class Twit“-Köstlichkeiten bezogen ihren Witz eher aus der Wirklichkeit der Landgüter und hochherrschaftlichen Anwesen in Essex oder Kent, wo die gesellschaftlichen Hierarchien tatsächlich qua Geburtsrecht geregelt wurden, ohne großes Zutun des noch so debilen Nachwuchses. Die männlichen Sloane Rangers indes hatten ja Jobs, als (angehende) Juristen zumeist oder als Merchant Bankers. Ich schweife schon wieder ab.

Worauf es mir nur ankam: der junge Mensch als solcher tendierte in Britannien seit den Mid-Fifties dazu, sich primär über Mode, Musik und eine entschiedene Haltung zu definieren, was wiederum auf Mode, Musik und Gesellschaft zurückwirkte, sie veränderte. Straights (am besten wohl mit „Normalos“ übersetzt) waren zwar keine kleine Minderheit, doch war ihr Einfluss auf die (musik)kulturelle Entwicklung minimal. Anders als bei uns, wo dieser an ästhetische Normen der Erwachsenenwelt angepasste, unauffällige Typus nicht nur den weitaus größten Teil der Jugend stellt, sondern (nicht zuletzt) durch sein Konsumverhalten dafür sorgt, daß sich nichts bewegt. Leider ist es so, daß das auch kulturell konvergierende Europa diese früher eklatanten Unterschiede zwischen dem Kontinent und der Insel, insbesondere zwischen Deutschland und England nach und nach eingeebnet hat. Der Verlust der Britishness ist auch hier ein beklagenswerter. Morrissey knows.

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