Re: ECM Records

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vorgarten

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ECM 1026
stanley cowell trio: illusion suite

wie soulpope wohl richtig gemutmaßt hat, wurden diese aufnahmen von cowell offensichtlich selbst produziert und an ecm weiterverkauft. aufgenommen hat sie der heutige chef von rising jazz stars foundation und damit auch von resonance records, george klabin, der seit ende der 1960er jahren ein eigenes kleines studio besaß, in dem ein großteil von cowells & tollivers strata-east-alben entstand.

warum cowell die ILLUSION SUITE nicht auch auf dem eigenen label herausgebracht hat, ist die frage, jedenfalls mochte eicher das album offensichtlich und empfahl es später einmal ethan iverson. verständlich, denn es ist ziemlich großartig. die pointe dabei aber ist: vieles, was man darauf hören kann, ist explizit das, was bei ecm zu dieser zeit fehlt: kein imitat, kein freies experiment, keine sounderkundungen, sondern eine sich tief in die afroamerikanischen tradition stellende aufnahme, die wege aus dem hardbop in den free jazz nachzeichnet, von dort aus sich mit funk verlinkt und schließlich schon (auf diesem wege, nicht aus dem stand) richtung weltmusik verweist: „ibn mukhtarr mustapha“ z.b. fängt mit swingendem latin an, dann wechselt cowell auf ein poppigeres e-piano und wechselt am ende zum daumenklavier. der funk kommt auf anderen stücken aus dem handgelenk, wahwah-fender, fetter e-bass, nicht als studie wie bei jarrett/dejohnette, sondern eher aus schwarzer straßen-praxis. stanley clarke (meist akustisch) und der drummer jimmy hopps schaffen mühelos den spagat zwischen kammermusikalischem ineinandergreifen, schnell an- und ausgeknippstem free und tanzimpulsen, alles aus einer organischer bewegungheraus, nicht als versatzstück.

trotzdem möchte man hier nicht die europäische aneignung gegen die schwarze authentizität aufrechnen – cowell ist ein hörbar akademisch geschulter pianist und die sechs stücke ergeben ein konzept, heißen nicht zu unrecht „suite“, sind nicht von der straße oder aus den lofts einfach aufgesammelt. trotzdem steht dieses album in der frühen ecm-diskografie, trotz waldron oder kenyatta, etwas verloren da.
aber man übersieht dabei die selbstbewusste bandbreite dessen, was alles allein im november 1972 für ecm aufgenommen wird: burton/corea, oregon, motian mit jarrett und leroy jenkins, holland mit rivers und braxton, garbarek im trio, dazu dieses eingekaufte cowell-album. tatsächlich hat man den eindruck: bei ecm geht es jetzt erst richtig los.

Stanley Cowell piano
Stanley Clarke bass
Jimmy Hopps drums
Recorded November 29, 1972, Sound Ideas Studio, New York
Engineer: George Klabin
Produced by Manfred Eicher

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