Antwort auf: ECM Records

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vorgarten

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ECM 1018/19
circle: paris – concert

bei corea ist um 1970 natürlich alles ähnlich im fluss wie beim zeitweisen miles-band-kollegen jarrett. es gibt einen haufen originelles selbstkomponiertes material, und in der miles-band ist der kongeniale partner eher dave holland als jack dejohnette. zusammen mit alschul gibt es schon blue-note-aufnahmen, auf braxton trifft corea bei marion browns ecm-session. danach steigen corea und holland gemeinsam bei miles aus (letzter auftritt im august 1970, isle of wight; corea wird nochmal für die ON THE CORNER sessions zurückkehren), kurz davor und danach entstehen die ersten circle-aufnahmen (CIRCLING IN bei blue note). dann das THE SUN album mit grossman für die japanische toshiba, schließlich im januar die A.R.C. session für ecm im trio.
das live-album in paris ist noch nicht der schlusspunkt für circle, es gibt noch aufnahmen aus bergamo und nochmal etwas studiomaterial im mai, das war nachdem corea seine solo-improvisationen einspielte, deren zweiten teil eicher nach der circle-aufnahme herausbrachte.

71/72 ist corea gut beschäftigter sideman, u.a. bei elvin jones und stan getz, bevor er 1972 auf ecm die return-to-forever-band vorstellte, mit der er aber schon bald zu polydor umzieht. auf dem deutschen label ist er danach hauptsächlich mit gary burton zu hören (CRYSTAL SILENCE wird im november 72 eingespielt).

so dominant corea mit 4 alben in 71 und zwei in 72 auf ecm also auch ist, scheint eicher ihn nur ausschnittsweise dokumentiert bekommen zu haben. und was der pianist da zwischen postbop, freier kollektiv-improvisation und latin.fusion abliefert, macht gleichzeitig deutlich, was in den frühen 70ern so alles als jazz zirkulierte.

was circle angeht, ist hier wohl ein gipfelpunkt erreicht, was an freidrehenden virtuosentum in der spontanimprovisation möglich ist. es ist schlichtweg unfassbar, wie leicht und schnell alle vier hier unterwegs sind. für mich hat das was sehr sportliches; aber es braucht nur leichte verschiebungen, z.b. auf braxtons dortmund-konzert oder bei hollands vogelkonferenz-album, um mich tatsächlich zu kriegen. hier – und das ist wirklich einer von unzähligen versuchen, mich dem album anzunähern, auf dem vier musiker beteiligt sind, die ich ausgesprochen toll finde – bleibt es mir einfach zu stark in einer simultan-energetischen kraftmeierei hängen. obwohl sie eigentlich jedesmal am ende der stücke den dreh in etwas sehr besonderes hinkriegen – aber davor muss man 20 minuten lang andere drogen nehmen, um folgen zu können. was das anwesende publikum offensichtlich hinbekommt, dessen enthusiastischer applaus ein weiteres indiz dafür ist, womit man sich 1971 hat konfrontieren lassen.

Anthony Braxton reeds, percussion
Chick Corea piano
Dave Holland bass, cello
Barry Altschul percussion
Recorded February 21, 1971 at the Maison de l’O.R.T.F, Paris
Engineer: Jean Delron
Produced by Manfred Eicher

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