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nail75Faszinierend, dass nach so viele Jahrzehnten zu lesen und zu spüren, wie diese Musiker mit solcher Musik überhaupt nicht klarkamen, wie verstört und irritiert sie waren, dass diese Musik sich nicht keinen bekannten Strukturen unterordnen ließ. Manchmal hat man den Eindruck, sie hätten einfach lieber geschrieben: „Ahhhh, fuck this shit!“.
Irgendwie spürt Mathieu dann doch, dass da etwas ist und er spürt sogar, was es ist, aber ist nicht gewillt, es zu akzeptieren.
ich finde nicht, dass Dorham wirklich verstört wirkt… ich seh da eigentlich noch zwei Sachen mehr: 1) afroamerikanische Kultur/Signifying: Man legt ja auch nicht auf die Goldwaage, was ein Rapper über die Mutter eines anderen Rappers sagt. 2) Dorham war selber Künstler, er kam aus der knallharten Beboptradition, es ist viel Arbeit aus dieser Tradition zu kommen, klar hat es immer auch Leute gegeben, die aus einer „ist doch alles irgendwie gleich schön“-Haltung heraus große Kunst geschaffen haben, aber das scheint mir doch eher die Ausnahme zu sein… Dorham hat im Namen des Bop ja auch noch an anderen Fronten gekämpft, man denke an seinen Verriss von Baby-Face Willettes Argo Alben vs Lob für den (harmonisch raffinierteren) Don Patterson; mich würd ja seine Meinung zu Sam Rivers interessieren – bin mir fast sicher, dass die positiver war… um das ganze etwas zu präzisieren: Bop ist natürlich bis zu einem gewissen Grad eine Musik für Nerds – alle freuen sich kindisch darüber, wenn irgendwer ein Cis an einer unerwarteten Stelle platziert – dem weniger kenntnisreichen Zuhörer gefällt vielleicht, was er da hört, aber die harmonische Raffinesse hinter dem Cis kann er allenfalls erahnen… ist ähnlich bei Musikrichtungen, wo mit ungeraden Taktarten experimentiert wird, ich kenne Musiker, die ständig darauf aus sind, irgendwo siebenviertel-Takte einzufügen, und sich sehr an ihnen freuen, die Zuhörer können das nur ahnen… sooo, und nun hat Ornette Coleman uns gezeigt, dass sich Charlie Parkers Rasanz auch ohne diese Finessen erreichen lässt; und Ayler hat zum Beispiel die Tenorballaden eines Ben Webster oder Don Byas aus ihrem traditionellem, harmonie-bewussten Rahmen gelöst…(und Byas hat Ayler ja auch sehr gelobt, soweit ich mich erinnere) Dorham aber steht vielleicht für die harmonie-bewussteste Tradition im Jazz, die lyrische Bebop-Schule Schule von Tadd Dameron, Elmo Hope, teilweise Bud Powell… und soweit ich das sehe, ist diese Musik niemals auf überzeugende Art in Free-Jazz übersetzt worden – wer auf der Suche nach solcher Musik ist, der wird bei ESP-Disk garantiert enttäuscht…
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