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„Immer da wo du bist bin ich nie“ geht mühelos als Fortsetzung des Albums „Mittelpunkt der Welt“ durch, da sich musikalisch seitdem wenig geändert hat. Einzig die Melodien wirken zum Teil nicht ganz so eingängig und lieblich wie auf der Vorgängerplatte, die Gitarrenlinien schweben weniger über dem Ganzen und orientieren sich stärker am Song. Von Element Of Crime aus der Vergangenheit gewohnte Stilmittel wie Akkordeon- und Trompetenklänge finden auch auf dem neuesten Werk der Band Verwendung und unterstreichen bei aller Ohrwurmtauglichkeit mancher Lieder die nach wie vor melancholische Grundstimmung der Stücke, für die man Element Of Crime schätzt. Als Novum im Band-Repertoire finden im Stück „Der weiße Hai“ erstmals Kinderchor-Elemente Verwendung, die dem Track eine heitere Note verleihen.
Ein wichtiger Bestandteil bleiben jedoch auch auf dieser Platte die Texte Sven Regeners, welche im Gegensatz zum Vorgänger etwas stärker chiffriert Botschaften und Gefühle transportieren. Überhaupt die Texte: Sie wirken oft wie zu Besuch kommende alte Bekannte. Man glaubt, ihre Eigenheiten, Spitzfindigkeiten, ihren Witz und die Selbstironie zu kennen. Und doch erlebt man immer wieder Überraschungen.
Die Erzählkunst Regeners liegt dabei unter anderem darin, beim Hörer auf manchmal erstaunliche Weise das Kopfkino in Gang zu setzen. Es entstehen mitunter skurrile Bilder vor dem geistigen Auge, die oft zum Nachdenken und gelegentlich zum Schmunzeln oder Lachen anregen. Als Beispiel für letzteren Aspekt mag der Titelsong herhalten, in dem sich der Protagonist trotz aller ihm zustoßenden Widrigkeiten immer wieder am Ziel wähnt. Bei all dieser komischen Tragik ist sich der Autor der Textzeilen nicht zu schade, die eigene Person nicht allzu ernst und auf die Schippe zu nehmen. Heißt es doch so schön im Stück „Kopf aus dem Fenster“: Was für Cloppenburg Pfanni ist, bist du für mich / Und dann scheiß auf Metaphern, die sind böse und heiß.“ Und das von einem, in dessen Texten Metaphern seit je her wichtiges Stilmittel sind.
Dabei erhalten selbst die normalen Dinge des Alltags in Sven Regeners Versen den Glanz des Besonderen. Formulierungen in „Einer kommt weiter“ wie: „Die Luft die du atmest übt da, wo sie deine Haut berührt / Einen Druck von 1000 Millibar aus, den du dennoch nicht spürst / Weil alles dagegen drückt wie ein alter Schuh“ und besonders „Der Zucker in deinem Kaffee ist nur Kohle und Wasser und Glück“ in eine Liebeserklärung münden zu lassen, mutet zunächst zwar ungewöhnlich an, funktioniert bei Regener aber außerordentlich gut und glaubwürdig.
„Immer da wo du bist bin ich nie“ ist in verschiedenen Versionen erhältlich. Für Vinylhörer ist bereits nach „Euro und Markstück“ Schluss. CD-Besitzer kommen in den zweifelhaften Genuss einer EOC-Adaption des Carter Family Stücks „Storms Are On The Ocean“, welches von Regener mit dem von ihm nicht unbekannten, unschönen Akzent dargeboten wird. Warum allerdings die hervorragende, nur über ein Download-Portal zu beziehende Cover-Version des Desir Noir-Stücks „Le Vent Nous Portera“ auf keinem der physikalischen Tonträger enthalten ist, bleibt indes schleierhaft, denn dieses Stück hätte die insgesamt sehr gute Platte noch stärker aufgewertet.
Abschließend ergibt sich mit den Highlights „Kopf aus dem Fenster“, „Kaffee und Karin“, „Einer kommt weiter“, dem Titeltrack, „Der weiße Hai“ und („Le Vent Nous Portera“) eine Wertung von ****.