Startseite › Foren › Das Radio-Forum › Roots. Mit Wolfgang Doebeling › 02.08.2009 › Re: 02.08.2009
waSehr schöne Sendung. Danke.
Für ein paar Informationen zum „Isle-of-Wight-Incident“ wäre ich dankbar.
Ich hatte das schon einmal ausführlich erzählt, deshalb nur kurz: KK trat nachmittags auf, die halbe Million Festivalgänger auf der Wiese zeigte sich zu so früher Stunde generell eher ungnädig, hier aber teilweise feindselig. Zum besseren Verständnis vorab: anders als im Vorjahr, wo die Menge zu 90% aus Briten bestand, setzte sie sich 1970 internationaler zusammen. Rund die Hälfte, so mein Eindruck, war vom Kontinent. Und die allermeisten waren gekommen, um Hendrix, The Who, The Doors, The Moody Blues und die Weltpremiere von Emerson, Lake & Palmer zu erleben. Dazu Miles, Cohen, Tull, etc.
Ich ja auch, damit da kein Mißverständnis aufkommt, aber mich interessierte auch das nachmittägliche Vorprogramm, insbesondere Joni Mitchell und John Sebastian. Anyway, KK kam auf die Bühne mit den Insignien des Texaners (Hut, Stiefel, Drawl) und befremdete einen kleinen, aber lautstarken Teil des Publikums wohl schon deshalb. Die meisten nahmen freilich überhaupt keine Notiz von ihm, weil sie schliefen oder ramdösig herumlagen (die Nächte waren lang). Als er „Blame It On The Stones“ sang, änderte sich das, weil kaum jemand die Strophen mitkriegte und der Refrain als nicht gerade Stones-freundlich ausgelegt wurde. Ich befand mich ca. 20m vor der Bühne, halbrechts, und tat mein bestes, die Umsitzenden und Umliegenden aufzuklären. Das sei doch purer Sarkasmus, sagte ich ohnmächtig. Und: man möge doch bitte genau hinhören. Ein Stimmchen der Vernunft, das im Pfeifkonzert unterging, wann immer dieser dreiste Cowboy „Blame it on those Rolling Stones“ sang. Blasphemie!
Nochmal: die Buhrufer waren eine Minderheit und es gab von der schweigenden Mehrheit auch ein bißchen Applaus, am Ende trollte sich KK dann aber reichlich erzürnt. In einem Interview im „Melody Maker“ beschrieb er seinen Gemütszustand während des Auftritts sehr ausführlich, Tenor: er sei sich vorgekommen „like a stranger in a strange land“. Exakt der Eindruck, den wohl auch seine dumpfen Widersacher hatten.
PS: Joni Mitchell erging es ähnlich. Auch sie wurde von der Bühne gebuht, zeigte sich aber weniger robust als KK und weinte darob bitterlich. Von meinem Standort konnte ich sehen, wie backstage ein paar Leute auf sie einredeten, sie kam dann auch nochmal zurück und spielte ihr Set zu Ende. Bezeichnend: als sie die Zeile „By the time we got to Woodstock we were half a million strong“ sang, wurde vielfach gejohlt. Ein paar Wochen später führte der Song die UK-Charts an, wenn auch in der Version von Matthews Southern Comfort.
Fazit: so eine Festival-Meute ist eine träge Masse, doch braucht es oft nur ein paar Reizworte, um sie in Bewegung zu setzen. Nicht selten in die falsche Richtung.
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