Startseite › Foren › Das Radio-Forum › Roots. Mit Wolfgang Doebeling › 05.07.2009 › Re: 05.07.2009
waSchade.
Nun gut. Schade, um nicht zu sagen befremdlich, fand ich Deine Einlassung zum offenkundigen Bemühen Hancocks, seinen geliebten Western Swing und Honky Hillbilly möglichst so zu reproduzieren, daß seine Hingabe nicht nur zur Musik deutlich wird, sondern auch zum Klangbild ihrer Blütezeit. Diskutabel ist, ob ihm das gelungen ist bzw. ob es ihm gelingen konnte mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln. Den Versuch aber bereits zu kritisieren, weil er sich nicht um eine wie immer geartete Modernisierung oder zumindest um die Hinzufügung neuer Elemente geschert hat, halte ich für unangebracht. Insbesondere Dein Apodiktum, die besten Musiker wagten stets das Neue, die mediokren spielten nur nach, ist doch unhaltbar. Mal abgesehen davon, daß Hancock und seine Band nichts kopieren, sondern eigene Songs im Geiste jenes Stils spielen, den sie lieben und – in Wayne The Trains Fall – auch leben. Ain’t nothin‘ wrong with that, surely? Dein Hinweis, da sei man besser bedient, greife man zu den Originalen, ist der eines Konsumenten. Der vor einem Überangebot steht und halt selektiert. Von dieser Warte aus nicht einmal falsch. Wer die Originale indes bereits kennt und hat, sieht das anders, freut sich über eine Erweiterung des Angebots. Aus Sicht eines heutigen Musikers stellt es sich erst recht anders dar, sonst gäbe es ja niemanden mehr, der Blues oder Rockabilly, Ska oder Soul in ihrer reinen, von jeweils gerade herrschenden Hörgewohnheiten unbeeindruckten Form spielt. Solange die möglichst detailgetreue Rekreation eines Musikstils nichts dröge Kulturpflegerisches oder Denkmalschützendes hat, vielmehr von Freude daran und Leidenschaft dafür zeugt, höre ich gern zu, lasse mich liebend gern anstecken. Unabhängig davon, ob Bob Wills und seine Texas Playboys das so oder ähnlich bereits 1947 viel besser und für ihre Zeit ungleich virulenter hingelegt haben. Dann höre ich eben ein paar Wills-Sides vor oder nach Wayne.
So weit ein paar Anmerkungen allgemeiner Art zu Deinen Ansprüchen an neue Platten. Wie immer in Kunstfragen wird es in der Konkretion freilich erst interessant: wie und warum differiert „Vipers Of Melody“ von Wills oder Thompson oder Crow? Wie macht sich das Fehlen einer Fiddle bemerkbar? Wie verhalten sich die Texte zur Musik, weniger dann, wenn sie wie „Working At Working“ vorzeitige Phänomene (hier: Depression) thematisieren, sondern sich neuzeitlicher Flexionen bedienen, mithin bewußten Stilbruch begehen, dem Geiste der Musik aber treu bleiben (Dale Watsons Ansatz)? Und so fort. Kurzum, ich empfehle ein nochmaliges, genaueres Hinhören. Das gilt nicht zuletzt für Dich, Sweetheart. Möglichst hellwach!
@ otis
Bei den beiden Tracks von Desolation Wilderness handelt es sich jeweils um die A-Seiten bzw. Lead-Tracks der letzten 7″-45s, die ich beide erst in den vergangenen Wochen aufgetrieben habe und die mir prima ans Ende der Sendung zu passen schienen.
Costellos Gesang, ich höre das ähnlich wie Du, tendiert bisweilen zu Exaltation und Expressionismus. Das lenkt dann eher vom Song ab als ihn zu unterstreichen. Auf „Secret“ ist das aber nur selten der Fall, auf „My All Time Doll“ schon ein wenig, jedoch passt es zur Emphase des Songs. Überhaupt eine für Costellos und erst recht für Burnetts Verhältnisse erfrischend unumwundene, unfertige LP. Sehr gut. Dein Ranking wäre auch meins, doch höre ich alle vier Alben bei * * * *.
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