Re: James Brown

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:: Eyesight ::

1978 und 1979 waren gemessen an der Anzahl Singles unter den geschäftigsten späteren Jahren in Browns Karriere – er veröffentlichte elf Singles (die beste Position in the Hitparade erreichte „It’s Too Funky In Here“ mit #15) und zudem die Alben Jam 1980’s, Take a Look at Those Cakes und The Original Disco Man.

Das Album enthielt fünf Stücke, die – teils in anderen Versionen am Anfang von CD2 der Compilation Dead on the Heavy Funk zu hören sind. Von „Jam 1980s“ ist eine Live-Version von 1980 zu hören, von „The Spank“ und „Eyesight“ die Album-Versionen, von „Nature“ der erste Teil der Single und von „I Never, Never Will Forget“ eine zuvor unveröffentlichte lange Version (die kurze Version vom Album fand sich auch als B-Side auf der Single „Eyesight“).
Die erste Single des Jahres war „Love Me Tender“ b/w „Have a Happy Day“, die es nicht in die Charts brachte, gefolgt von den im Januar eingespielten „Eyesight“ (R&B #38) und „The Spank“ (b/w – schon wieder! – „Love Me Tender“), die immerhin #26 der R&B Charts erreichte. Die Band ist abgesehen von Neuzugang Ron Laster dieselbe wie im Vorjahr: Hollie Farris (t), Joe Poff (as), St. Clair Pinckney & Peyton „P.J.“ Johnson (ts), „Sweet“ Charles Sherrell (keys), Jimmy Nolen & Ron Laster (g), David Weston (b), Tony Cook (d) und Johnny Griggs (perc).

Das von Brown mit Sweet Charles Sherrell komponierte „The Spank“ ist eine tolle Funk-Nummer, in der grossen Brown-Tradition, die sich nicht mehr um Song-Strukturen scherte, sondern primär an einem mitreissenden Groove interessiert war – und das funktioniert hier bestens, auch wenn die Synthesizer-Background streckenweise ein klein wenig nerven. Brown singt lead, die Bläser riffen, der Beat ist reduziert, der Bass ist einfach und groovy, spielt sich ein paar Male kurz in den Vordergrund, währen Nolen und Sherrell (am Clavinet) zickige Riffs spielen und die ganze Band Brown mit Background-Gesang unterstützt. Der Sound geht insgesamt noch ein Stück mehr in Richtung Disco, man kann wohl sagen Funk meets Disco.

„Nature“ war die vierte Single des Jahres, für die Charts reichte es nicht. Brown singt in seiner eigenen, intensiven Art, aber insgesamt ist das wieder leichtere Kost, die Musik plätschert mehr als dass sie zwingend groovt, schön aber, wie Brown Nolen (für ein neues Riff) und P.J. (für ein schönes kurzes Tenorsolo) holt.

Zwingenden Groove gibt’s dann auf „Eyesight“ zu hören, das noch treibender und einiges heisser als „The Spank“ ist. Westons Bass-Lick ist etwas anspruchsvoller und abwechslungsreicher als meistens, die Bläser und die Gitarren riffen, Sherrell ist für einmal nicht so weit in den Vordergrund gemischt wie oft, Brown selbst ist bei guter Stimme:

„Eyesight“ is one of the highlights, as the horns swagger, drums woosh, the bass pops, and Brown chants and shouts like his younger self. Don’t be surprised if you find yourself replaying this overlooked track.

~ Steve Bloom: I Refuse to Lose, Liner Notes zu: „James Brown – Dead on the Heavy Funk: 1975-1983“, Polydor 1998, S. 9.

In der Tat hab ich das Stück jetzt grad dreimal nacheinander angehört!
Das letzte Stück des Albums „Jam 1980s“ hören wir auf der Compilation wie gesagt in einer längeren Version (6:32 statt 3:59 wie auf der Single und dem Album). Keys sind hier für einmal keine zu hören, möglicherweise hat Sherrell Weston am Bass abgelöst.

:: Take a Look at Those Cakes! ::

Als nächstes erschien „For Goodness Sakes, Look at Those Cakes“, eine zweiteilige Single. Auf „Dead On the Heavy Funk“ ist die elfminütige Album-Version des Stückes zu hören, Jerry Poindexter hat an den Keys „Sweet“ Charles Sherrell abgelöst, Saxophonist Peyton „P.J.“ Johnson hatte die Band in der Zwischenzeit ebenfalls verlassen.

Über elf Minuten singt und schreit Brown seinen Tribut ans weibliche Hinterteil… der Rhythmus ist noch trockener, der Beat eher langweilig und sehr „produziert“ aufgenommen. Brown verfolgte offensichtlich die Trends, sein Gesang und überhaupt der ganze Sound ist aber immer noch ein vielfaches roher, direkter und aufregender als das meiste, was aus der Disco-Ecke kam. Trotz des monotonen Beats macht das Stück Spass, vor allem der „fuzzy“ aufgenommene Bass von David Weston und Jimmy Nolens stets tolle Riffs halten das Stück lebendig. Zu mehr als #52 reichte es aber in den R&B Charts nicht.

Wie „For Goodness Sakes“ und ein paar frühere Stücke von der 70er ist auch die zweite Nummer von Take a Look at Those Cakes, „A Man Understands“, Brown und seiner zweiten Ehefrau (1970-81) zugeschrieben – das könnte wohl steuertechnische Gründe gehabt haben… schon ab 1976 trug Brown einige Stücke unter den Namen seiner Frau und seiner Töchter Deanna und Yamma ein – alle drei werden bei „Get Up Offa That Thing Thing / Release the Pressure“, „I Refuse to Lose“ und „Bodyheat“ als Komponisten genannt, „Give Me Some Skin“ ist Deanna und Yanna Brown zugeschrieben, „IFf You Don’t Give a Doggone About It“ James und Deanna, „Jam 1980s“, „Eyesight“, „For Goodness Sakes…“ und „A Man Understands“ James und Deidre, und das Stück „Nature“ ist Deidre und einem Joe Brown zugeschrieben.

„A Man Understands“ stammt von denselben August 1978 Sessions wie „Cakes“ und klingt vom Sound her auch recht ähnlich. Es beendete nach dem fast-Titelstück die erste Seite des Albums und zeigt Brown von einer anderen Seite: inspiriert von Fela Kuti singt und schreit Brown für einmal über treibende Afro-Rhythmen – eine einmalige Performance im ganzen Werk von Brown! Zum Auftakt ist kurz Joe Poff mit einem Altsolo zu hören, dann stapeln die Bläser ein Riff auf… der Beat ist zickiger, komplexer, die Riffs schichten sich übereinander zu einem tollen Gebräu, über dem Brown zu seinem Sermon ansetzt. Ein sehr tolles und verblüffendes Stück!

:: Too Funky In Here ::

Das Jahr 1979 brachte für Brown eine grosse Neuerung, die einem grossen Eingeständnis gleichkam: ein Produzent sollte für die verbleibende Zeit bei Polydor seine Sessions leiten. Paul Shapiro hiess der Mann, war seit 1961, als er JB zum ersten Mal in Aktion gesehen hatte, ein Fan, und hatte in der Zwischenzeit unter anderem ein paar Hits von Sam & Dave, Wilson Pickett und Millie Jackson produziert.

Shapiro, who had been tutored in the studio by Henry Stone, was fully aware of his idol’s temperamental ego. But while Shapiro maintained complete control of the sessions – a monumental concession for James Brown – he remained awe inspired.

„When we cut ‚It’s Too Funky in Here‘ I was mesmerized by his raw sense of rhythm“, Shapiro said. „I mean, he just grabbed the microphone, whirled around and hit that line, „I need a little air freshener under the drums‘ – and man, I just got out of his way!“

~ Cliff White & Harry Weinger, „Are You Ready for Star Time?“, Liner Notes zu „James Brown – Star Time“, Polydor 4CD, Universal Reissue 2007, S. 65.

Die Single erreichte #15 der R&B Charts und ist auf „Star Time“ zu hören. Auf „Dead on the Heavy Funk“ ist die etwas längere Album-Version von The Original Disco Man zu hören. James Brown äuserte sich zu den neuen Umständen wie folgt:

When „It’s Too Funky In Here“ became a comeback hit for the Godfather, Brown said, „Brad has the sound we need today. He has that technique. I can do ten times more arrangements than Brad can, but I don’t have his sound. Brad Shapiro can produce James Brown better than James Brown can produce himself. It’s that simple.“

~ Steve Bloom: I Refuse to Lose, Liner Notes zu: „James Brown – Dead on the Heavy Funk: 1975-1983“, Polydor 1998, S. 9f.

Dennoch sollte Brown bald schon unzufrieden sein mit diesem neuen Setup. Die nächste Singles „Star Generation“ b/w „Women Are Something Else“ und „Original Disco Man“ b/w „Let the Boogie Do the Rest“, beides Auskopplungen vom Disco Man Album (das neben „Too Funky…“ und den genannten Singles nur ein weiteres Stück, „Still“, enthielt), gelangten nicht in die Charts.

Auch „Regrets“, der Opener des ersten 1980er Albums People schaffte es nicht in die Charts (die B-Side war „Stone Cold Drag“, die zweite Single-Auskopplung und letzte 1979er Single „Let the Funk Flow“ b/w „Sometimes That’s All There Is“ stammte ebenso von diesem Album).

Shapiro nahm Brown nicht mit seinen J.B.’s auf sondern mit Studio-Musikern, die einen anderen Sound pflegten, was Brown überhaupt nicht passte:

„They delayed me because they wanted to sell disco,“ Brown explained after his experience with Shapiro. „Disco is a vamp of good soul music. Now it’s all over with. They sold as many of my old licks as they could and now they want new ones. I’m not gonna give them complete albums of funk. They ain’t gonna get that no more.“

Brown was true to his last word, at least at Polydor. His last studio album for the label, Nonstop!, was contract filler. Instead, he gave „Rapp Payback,“ a fierce update of his classic „Payback,“ to his old cohort, Henry Stone, for release on the independent T.K. Records. Brown stayed independent with his next blast of funk, releasing the rare single and EP „Bring It On“ through Churchill Records in 1983. Both these scorchers brought together the new J.B.’s and came closest to replicating Brown’s original sound in several years.

(JB reportedly signed with Island Records between the release of the two records, in early 1982. He was to record with the label’s rhythm kings Sly Dunbar and Robbie Shakespeare, but the sessions fell apart before they could really begin.)

~ Steve Bloom: I Refuse to Lose, Liner Notes zu: „James Brown – Dead on the Heavy Funk: 1975-1983“, Polydor 1998, S. 10.

Live war Brown öfter in Europa unterwegs als in den USA, „Too Funky In Here“ wurde zu einem staple seiner Konzerte. Im Dezember 1979 nahm Brown in Tokyo ein Live Doppel-Album für Polydor auf, Live… Hot on the One, von dem die tolle Live-Version von „Jam 1980s“ stammt, die auf „Dead on the Heavy Funk“ zu hören ist. Sweet Charles war wieder mit dabei, ebenso der frühere Trompeter Jerone „Jasaan“ Sanford, der neben dem im Stück präsentierten Hollie Farris spielte, und auch ein Posaunist war wieder dabei und kriegte auch gleich ein Solo: Tyrone Jefferson. Jerry Poindexter war nach wie von an den Keys (neben Sweet Charles), Joe Poff und St. Clair an den Saxophonen, Jimmy Nolen und Ron Laster an den Gitarren und David Weston am Bass. An den Drums sass neben Tony Cook auch Arthur Dickson, Martha „High“ Harvin und Anne McLeon waren die Sängerinnen – und Danny Ray natürlich der Emcee.

:: Rapp Payback ::

Nachdem Brown mit People einen Tiefpunkt erreicht hatte, verliess er Polydor. Die J.B.’s sind auf seinem einen TK Album zu hören – den grossen Knaller des Albums, „Rapp Payback (Where Iz Moses)“, eine zweiteilige Single (R&B #46), hören wir auch auf „Star Time“ (nur Pt. 1) und auf „Dead on the Heavy Funk“, aber auch auf der Compilation „Funky Men“ in einer noch längeren Version.

Die „Rapp Payback“-Single steht wurde als Bonus auf Rhinos CD-Reissue von Soul Syndrome angehängt. Das ganze Album ist auch auf der Compilation Funky Men enthalten, die Aufnahmen sammelt, welche damals auf T.K. Records veröffentlicht wurden.

Abgesehen von den sechs Tracks des Albums und einem Remix von „Rapp Payback (Where Iz Moses?)“ stammen die Stücke von anderen T.K. Singles, die unter den Namen von Bobby Byrd („The Way to Get Down“, „Headquarters (Augusta, GA)“ und „Back from the Dead“), The J.B.’s („Rock Groove Machine (Pt. 1)“, The J.B.’s feat. Maxxi („Just Wanna Make You Dance (Pt. 1)“), J.B.’s Wedge („Bessie (Pt. 1)“), sowie J.B’s Internationals („Nature (Pt. 1 & 2)“) liefen. Mir ist nicht ganz klar, von wann diese Stücke stammen, aber es scheint von die Bobby Byrd Stücke von 1974 (The Way to Get Down und Back From the Dead) und 1975 (Headquarters), das JB’s Wedge Stück von 1976, das JB’s Internationale Stück von 1977, und die JB’s sowie JB’s feat. Maxxi Stücke von 1979.
Jedenfalls ist diese Compilation eine Art Fortsetzung der „Funky People“ und „Funky Good Time“ Compilations und eine sehr hörenswerte Ergänzung zu „Dead on the Heavy Funk“ – schade nur, dass es überhaupt keine Notes dazu gibt (weder Liners noch diskographische Angaben).

„Bring It On… Bring It On“ wurde zwar schon im November 1981 aufgenommen, erschien aber erst im April 1983, im Mai folgte dann die EP-Veröffentlichung. Die Single (b/w „The Night Time is the Right Time“) erreichte bloss #73 der R&B Charts und schliesst die „Dead on the Heavy Funk“ Compilation ab – deren Jahreszahlen 1975-1983″ sind diesbezüglich etwas verwirrend: sie beziehen sich auf die Veröffentlichungsjahre, nicht auf jene der Aufnahmen, denn nach November 1981 wurde keins der enthaltenen Stücke eingespielt.

Die Veröffentlichungen jener Jahre sind einigermassen chaotisch, Polydor warf 1980 eine weitere Single („Get Up Offa That Thing“ b/w „It’s Too Funky in Here“ in Live-Versionen, ich nehme an von den Tokyo-Konzerten) auf den Markt. Im selben Jahr erschien auf TK auf das „Soul Syndrome“-Album und zu guter letzt der „Blues Brothers“ Soundtrack, der das grosse Comeback von Brown einläuten sollte. 1981 erschien das letzte Polydor Album „Nonstop“, TK koppelte die Single „Stay with Me“ b/w „Smokin‘ and Drinkin“ vom Album des Vorjahres aus und es erschien ein Live-Album aus dem Studio 54, das (gepaart mit einem Konzert aus Atlanta von 1984 z.B. auf Snapper zu finden ist – vermutlich ein Bootleg).

1983 folgte dann die erwähnte Single und die EP von Churchill Records, Bring It On sowie die Single „King of Soul“, die B-Side der Single „Theme from Doctor Detroit“, einem Film Soundtrack.
Im Jahr darauf nahm Brown mit Afrika Bambaataa die zweiteilige Single „Unity“ auf (Tommy Boy Records, R&B #87). Mit der Single endet das 4CD-Set „Star Time“, das die letzten Jahre nur noch in äusserst geraffter Form präsentiert (was durchaus gerechtfertigt ist, bei der grossen Menge an erstklassigen Musik, die aus den 60ern und 70ern zu hören ist).

1985 erschien Browns „Living in America“ als Teil des Soundtracks von Rocky IV, die Single erreichte #4 der Pop- und #10 der R&B Charts. Die zweite Single des Jahres war „Gravity“ (R&B #26, Pop #93), zu der auch ein gleichnamiges Album erschien.Es folgten ein paar weitere Studio- und Live-Alben und Singles, darunter 1988 eine Zusammenarbeit mit Full Force – wie schon „Unity“ war auch das eine respektvolle Hommage der jüngsten Generation an den grossen Meister. Die Schätzungen für Brown-Samples in Rap-Tracks der späten 80er bewegen sich anscheinend in der Grössenordnung von zwei bis drei Tausend.

:: Coda ::

Brown war endgültig zur Legende geworden, seine Musik hatte schon längst den Anschluss an aktuelle Strömungen verloren, was ihn allerdings nicht mehr sonderlich zu stören schien.

„I can work as much as I want because they don’t have enough legends,“ James Brown told me after his flagging career had gotten a needed boost with an appearance as Reverend Cleophus James in the 1980 film „The Blues Brothers.“ „Little Richard started preachin‘, Fats Domino went and sat down, Lloyd Price is runnin‘ around being a diplomat. All those cats could come back tomorrow and make themselves $25- to$30,000 a week. But they don’t know they can. They don’t know the day of the legends is in.“

~ Steve Bloom: I Refuse to Lose, Liner Notes zu: „James Brown – Dead on the Heavy Funk: 1975-1983“, Polydor 1998, S. 7.

Über die letzten Jahre Browns weiss ich wenig, er hatte jedenfalls wiederholt Probleme mit Polizei und Justiz, Ende 1988 wurde Brown zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt – weitere Details dazu finden sich in einer Akte, die 2007 von der Washington Post veröffentlicht wurde. Musikalisch war nicht mehr viel zu holen… er nahm nochmal im Apollo auf, ich kenne aber abgesehen von einer Billig-CD mit einem recht hörenswerten Konzert nichts mehr aus dieser Zeit (die CD heisst „James Brown Live in Concert“ und erschien als Double Play/Tring GRF047 – wenn jemand mehr dazu weiss, wäre ich interessiert – hab die CD von vielen vielen Jahren mal aus einer Grabbelkiste gezogen und schon seit Jahren nicht mehr angehört, aber ich glaub Maceo Parker spielt mit).

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