Re: James Brown

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Mit dem Doppel-Album The Payback schaffte Brown schliesslich auch als Album-Künstler den Durchbruch – es wurde zu seinem ersten Gold-Album – und war zugleich eins seiner letzten musikalisch relevanten Statements.

„The Payback“ wurde im Verlauf des Jahres 1973 eingespielt, erste Sessions fanden schon im Februar statt – neben den beiden oben schon erwähnten Stücken wurde auch die zwöflminütige Version von „Mind Power“ aufgenommen, mit der das Doppel-Album endete (im September wurde das Stück mit Overdubs von Holzbläsern ergänzt). Eine grossartige Perfmance mit hypnotischer Bass-Line, Wah-Wah-Gitarren und einer tollen Performance von Brown selbst. Maceo und St. Clair Pinckney sind beide für einmal nur an der Flöte zu hören.

Ein weiteres Stück, „Take Some… Leave Some…“, wurde im April mit einer Studio-Band unter Wesleys Leitung eingespielt, der Grossteil des Albums wurde dann im Sommer und Herbst aufgenommen. Am 14. Juni musste Brown allerdings auch einen herben Schlag einstecken: sein Sohn Teddy verstarb bei einem Autounfall, während Brown nach seinem Spitalaufenthalt für ein paar Tage zum entspannen heim nach August, GA, gereist war. Brown reist nach New York und steht schon in der nächsten Nacht wieder auf der Bühne in Dayton, Ohio. Am 18. wurde Teddy in Toccoa, Georgia, beerdigt und am 22. Juni fand in Detroit bereits wieder ein Konzert statt.

Die J.B.’s waren Ende Juni in Augusta im Studio und nahmen „If You Don’t Get It the First Time, Back Up and Try It Again, Party“ auf, ein Stück, das auf einer People-Single (R&B #24) aber auch auf Fred Wesleys People-Album Damn Right I Am Somebody veröffentlicht werden sollte. Das Stück ist auf „Funky Good Time“ zu hören.

Den Sommer über nimmt Brown immer mal wieder auf, im Juli erscheint Slaughter’s Big Rip-Off. Am 4. August wurden drei Stücke eingespielt: die pumpende Funknummer „The Payback“, mit der das Album öffnen sollte, das nachdenklich-lyrische „Doing the Best I Can“, in dem Brown wohl ein paar seiner Schicksalsschläge verarbeitet hat… über einen losen Groove mit prominten Congas von Johnny Griggs und einem schönen Dialog mit Wesleys Posaune bietet Brown eine tolle Kostprobe seines Singsangs. Die dritte Nummer dieser Session war „Forever Suffering“, mit dem die dritte Seite des Albums begann. Ein weiteres, sehr nachdenkliches Stück mit einem jazzig angehauchten Groove – für einmal nur eine rhythmische Wah-Wah-Gitarre, während die andere (Nolen wohl) jazzige Akkorde legt.
Im September wurden Overdubs (Bläser, Streicher, Perkussion, Background Vocals) ergänzt. „The Payback“ erschien auch als Single, Pt. 1 ist auf der „CD of JB“ zu hören, das ganze Stück auch auf „Star Time“ und auf „Make It Funky“.

Zwei Tage zuvor spielten die J.B.’s „Same Beat (Pts. 1 & 2)“ ein (fertiggestellt in zwei Sessions im Dezember), das (nur teilweise) auf dem Fred Wesley & The J.B.’s Album „Damn Right I Am Somebody“ veröffentlicht wurde, aber auch als Single veröffentlicht wurde (#26 R&B) und auf „Funky Good Time“ zu hören ist. Das Stück ist ungewöhnlich durch seinen recht harten Groove und die Verwendung von Synthesizer-Klängen (von Brown beigesteuert). St. Clair Pinckney spielt am Anfang ein paar frenetisch kreischende Linien, die an Robert McCullough aus der Bootsy-Band-Zeit erinnern. Zudem wurden Passagen von Jesse Jackson in die Performance reingemischt. Das 1974 veröffentlichte Album sollte wie auch das unter Maceo Parkers Namen veröffentlichte Us und Browns „The Payback“ das wiedergekehrte Interesse JBs an sozialen Fragen reflektieren.

„‚Same Beat‘,“ Wesley says, „began as some grunting James did that I transmitted to the guys. It was so simple we just gave it that tile.“
Simple? Maybe so. But „Same Beat“ is about power: the style of power in reserve – tension building as the subtle arrangement floats and strings the solos like Muhammad Ali – and the potency of Jesse Jackson’s musical voice blending with the horns.

~ Alan Leeds, Liner Notes zu „The J.B.’s – Funky Good Time: The Anthology“, Polydor 2CD, 1995

Später im August ging es weiter mit den Sessions für „The Payback“. Es wurden am 23. die Stücke „Shoot Your Shot“ und „Time Is Running Out Fast“ aufgenommen, auf dem ersten spielt Brown Orgel, der Groove ist schnell, die Congas bringen eine leicht nervöse Stimmung hinein, Maceo und Wesley steuern tolle solistische Passagen bei. „Time Is Running Out Fast“ ist mit dreizehn Minuten die längste Nummer des Albums, ein loser Jam mit reduziertem Beat, einfachem Bass-Groove und hypnotischen Wah-Wah-Gitarren. Maceo und Fred haben Raum für Solos, Brown improvisiert.

In derselben Session wurde auch „Papa Don’t Take No Mess“ aufgenommen, das fast vierzehn Minuten lange Stück, mit dem das folgende Album Hell schliessen sollte. Die Single-Version davon (Pts. 1 & 2, Pt. 1 ist auf „Star Time“ zu hören) wurde zur dritten #1 in Folge im Jahr 1974 (es gingen voran: „The Payback“, auch zweiteilig, sowie „My Thang“, letzteres auch auf „Hell“ und „Make It Funky“ sowie in einer undubbed versoin auf „Star Time“ zu finden). Dazu mehr im nächsten oder übernächsten Post.

Die Single, die auf die beiden „Think“-Singles folgte, war „Woman (Pts. 1 & 2)“, aber erst die nächste, „Sexy, Sexy, Sexy“ (b/w „Slaughter Theme“) gelangte wieder in die Charts (R&B #6, Pop #50). Brown war derweil im September und Oktober wieder unterwegs auf Tour, trat zwischendurch in der „Tonight Show“ auf und nahm zwischendurch auf. Im Oktober spielte die JB Show eine Woche in Browns eigenem Third World Night Club, der einen Monat später komplett abbrannte.

Im Oktober entstand „Stoned to the Bone“, das letzte und eins der am mitreissendsten groovenden Stücke von „The Payback“. Nach „Let It Be Me“ (im Duett mit Lyn Collins) b/w „It’s All Right“ war es auch die letzte Single des Jahres (R&B #4, Pop #58). Die Single-Version wurde gekürzt, Pt. 1 findet sich auf „Star Time“, eine etwas längere Fassung auf „Make It Funky“. Brown ist auf „Stoned…“ an der Orgel zu hören, im Zentrum steht aber wie überall die Band als solche – die Grooves hier sind sehr relaxt aber auch in den langsämeren Stücken unglaublich ansteckend und gut, die Band spielte hypnotisch sicher zusammen und selbst in längeren Soli von Maceo Parker und Fred Wesley fällt der Groove nie ab.

Im November entstanden dann zwei weitere Stücke für das Album „Hell“: „My Thang“ und „Don’t Tell a Lie About Me and I Won’t Tell the Truth on You“ – auch dazu später mehr – und die J.B.s’s nahmen ein weiteres Stück für Fred Wesleys Album „Damn Right…“ auf, „Blow Your Head“. Die Album-Version wurde mit Synthesizer Overdubs ergänzt, auf James Brown’s Funky People (Pt. 3) ist die von Fred Wesley bevorzugte Version ohne die Overdubs zu hören. Das Stück baut auf einen dichten, schnellen Beat auf und wurde vermutlich mit einer Mischung aus J.B.’s und Studio-Musikern wie Jon Faddis, Tom Malone und anderen aufgenommen.

Ende Jahr fiel dann das Film-Projekt, für das die aufgenommene Musik geplant war, endgültig durch – in Eile wurde das Doppel-Album „The Payback“ zusammengstellt und auf den Markt geworfen. Und wie schon einleitend erwähnt wurde es zu Browns erstem Gold-Album. Ob die Veröffentlichung noch im Dezember 1973 oder erst 1974 stattfand ist mir im Moment unklar.

:: The James Brown Show 1973 ::

Irgendwann im Verlauf von 1973 wurde auch das Konzert aufgenommen, das auf der Bootleg Doppel-CD „Avalanche of Funk“ zu hören ist. Das Konzert stammt aus der Schweiz, genauer aus der Romandie (also wohl Lausanne oder Genf) und vermutlich aus der fünfwöchigen Europa-Tour, die im Februar und März stattfand. Eine Ansage zu Beginn erwähnt ein anderes Konzert in Lausanne Ende März, daher gehe ich davon aus, dass das Konzert aus dem Frühjahr und aus Lausanne stammt.

Auf der ersten CD ist das komplette Opening-Set der J.B.’s zu hören, die Instrumentals, darunter „Hot Pants Road“, „Pass the Peas“, das „Theme from Shaft“ (mit toller Wah-Wah-Gitarre von Nolen und Flöte wohl von Maceo – hier ist wie mir scheint dann aber neben dem Tenor auch noch ein Barisax zu hören – war Eldee Williams auch mit auf der Tour und St. Clair bläst hier das Barisax?) und einige weitere. Dann singt Maceo Parker „Me and Mrs. Jones“ und dann folgt Lyn Collins (mit Unterstützung von Martha High) mit „I’ll Take You There“, „Never Gonna Give You Up“, „Do Your Thing“ und schliesslich als krönenden Abschluss „Think“ – eine grossartige Sängerin!

Die zweite CD enthält dann den „Star Time“ Teil des Konzertes, nach einem kurzen Intro geht’s mit „Get on the Good Foot“ los, einer damals neueren Single, und dann geht’s nahtlos (na ja, schlechte Edits gibt’s zuhauf auf diesem Bootleg) weiter mit dem Klassiker „Soul Power“, gefolgt von „Make It Funky“. Dann gibt’s einen älteren Klassiker, „Bewildered“ – eine lange, tolle Soul-Ballade mit dem typischen 12/8 Beat (den man leider streckenweise kaum mehr hört, ebenso wie Brown, weil der Sound so seltsam abgemischt ist). Maceo Parker spielt ein Flötensolo, auch das fällt leider halb raus. Weiter geht’s funky mit „Super Bad“ (mit wildem Tenorsolo von St. Clair Pinckney), gefolgt von „Try Me“, „Hot Pants“ und schliesslich „Sex Machine“, das wieder länger dauert – und hier fällt wieder alles zusammen, der Groove stimmt, Brown gibt alles – so macht das wirklich Spass! Erst recht, wenn’s dann in bester Jam-Manier mit „I’ve Got a Brand New Bag of My Own“ weitergeht! Dann folgt eine schöne, aber leider sehr kurze Version von „This Is a Man’s Man’s Man’s World“, die zudem nach zwei Minuten in einen losen Gitarren/Drums-Jam wechselt, in dem Jimmy Nolen glänzt. Mit „Please Please Please“ folgt grad noch ein alter Hit, als harte R&B-Nummer vorgetragen. Weiter geht’s mit „I Can’t Stand Myself“, und nach eineinhalb Minuten von „Cold Sweat“ bricht die Aufnahme leider ab.

Insgesamt ist das zwar eine gute Show, aber das Niveau der Live-Aufnahmen von 1967 und 1968 und auch jenes von „Revolution of the Mind“ erreicht sie nicht – das mag allerdings auch einfach an der Tagesform gelegen haben (und dem Spielort… irgendeine Halle in der Schweiz ist nunmal nicht das Apollo oder das Pariser Olympia). Das J.B.’s/Lyn Collins Set funktioniert für mich insgesamt eher ein wenig besser, weil es mehr Raum bietet und die Grooves sich freier entfalten können. Gerade die dispziplinierte Freiheit ist es sonst ja, was bei den Live-Aufahmen Browns so beeindruckt, aber das geht eben nur, wenn ALLES stimmt, und mir scheint hier in dieser Aufnahme stimmt in Browns Set erst bei „Sex Machine“ alles.

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #153: Enja Records - Entdeckungen – 11.06., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba