Re: James Brown

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gypsy-tail-wind
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Mehr zu dieser Zeit hier.

Die Live-Shows aus den Jahren 1967/68 habe ich nicht der Reihe nach besprochen… Apollo II ist das zweite nach Live at the Garden, gefolgt vom Konzert in Paris (nicht kommerziell veröffentlicht – mehr dazu hier und hier) und schliesslich Dallas 1968 und zu guter letzt dann von der ersten Hälfte des Doppel-Albums „Sex Machine“, die von 1969 stammt.

Das allererste Doppel-Album in Browns Karriere war jedoch „Live at the Apollo Volume II“, das im Rahmen des Engagements vom 16.-25. Juni 1967 im New Yorker Apollo aufgezeichnet wurde, dem Ort, an dem vier Jahre zuvor schon das alle Rekorde brechende „Live at the Apollo“ eingespielt wurde (mehr hier).

Zum Zeitpunkt des zehntätigen Engagements im Apollo war Brown endültig zum Star geworden. Vom chitlin circuit hatte er zu den Arenen und Stadien gewechselt. One-Nighter auf dem Weg ins Apollo fanden u.a. im Shrine Auditorium in Los Angeles, im New Orleans City Stadium, dem Miami Stadium und dem Madison Square Garden in New York statt.

Auch die Band und das Programm wurden angepasst: zum Teaser-Set sass Brown auf einem Barhocker, croonte Nachtklub Songs, die mit Tony Bennett („I Wanna Be Around“) oder Frank Sinatra („That’s Life“) verbunden waren und liess sich von einer dreiköpfigen Violinen-Section begleiten.
Pee Wee Ellis war nun seit Januar der Leiter der Band, Maceo Parker seit kurzem zurück. Die Rhythmusgruppe war so tight und funky wie keine andere, mit den Gitarristen Jimmy Nolen und Alphonso Kellum, dem funky funky Bass von Bernard Odum und den Drums von Clyde Stubblefield (dem Funkateer) und Jabo Starks (dem Shuffle-Meister), sowie Neuzugang Ron Selico, der vor allem Bongos spielte, aber in einigen Nummern als dritter Drummer dazustiess – so auf „Kansas City“ oder „There Was a Time“ – die Wirkung dieser geballten Ladung Drums ist unglaublich!
Die Single „Cold Sweat“ erschien in der Woche nach dem Apollo-Gig, die Verwandlung der R&B und Soul Musik in den Funk war fast vollendet und „Cold Sweat“ erlebte seine Live-Premiere im Apollo.

Die Aufnahmen, die auf dem Album zu hören sind, wurden am Samstag und Sonntag am Ende des Auftritts gemacht. Veröffentlicht wurde das Album allerdings erst ein Jahr später, da King erst gerade „Live at the Garden“ herausgegeben hatte und aufgrund des Erfolgs von „Cold Sweat“ auch noch in aller Eile ein Album mit demselben Titel nachgeschoben wurde. „There Was a Time“, der Jam über „Let Yourself Go“ (das am Ende der Aufnahmen zu „Live at the Garden“ ohne Publikum eingespielt worden war) wurde als B-Side von I Can’t Stand Myself (When You Touch Me) (R&B #4, Pop #28) veröffentlicht und schaffte es dann selbst in die Hitparaden (R&B #3, Pop #36).

Als das Album schliesslich zur Veröffentlichung vorbereitet wurde, mussten manche Stücke aufgrund ihrer Länge gekürzt werden und die durchdachte Reihenfolge der Show wurde durcheinandergeworfen. Auf der Deluxe Edition wird auf zwei CDs die damalige Show so originalgetreu wie möglich präsentiert, zusammengestellt aus den Aufnahmen der Shows, die während zweiter Abende mitgeschnitten wurden. Die herausgeschnittenen Teile von „There Was a Time“ und „Cold Sweat“ wurden wieder eingefügt, das aus zwei Versionen zusammengefügt „It’s a Man’s Man’s Man’s World“ (die Aufnahme vom Samstagabend war nicht komplett, weswegen überhaupt am Sonntag nochmal aufgenomment wurde) ist ebenfalls länger als zuvor. Es fehlen einige Segmente der Revue: die Sets von Marva Whitney und James Crawford, der grösste Teil von Bobby Byrds Set und natürlich kann man die Performance der J.B. Dancers nicht sehen – das tolle Arrangement von „Caravan“, das zu hören ist, entschädigt dafür aber ein wenig.

Den Auftakt macht aber Brown mit einer äusserst energiegeladenen Version von „Think“ im Duett mit Whitney, dann folgen die Crooner-Songs „I Wanna Be Around“ und „That’s Life“ mit den Streichern, unterbrochen von einer Ansage von Brown. Es folgt das wuchtige „Kansas City“ mit den drei Drummern, dann das eine unvollständige Stück von Bobby Byrd, „Sweet Soul Music“.

Dann folgt das mit 19 Minuten längste Stück des Sets, „It’s a Man’s Man’s Man’s World“ – eine tolle Performance! Dann folgt „Caravan“ in einem ambitionierten Arrangement von Pee Wee Ellis. Und dann „Star Time“!

Ein kurzes Intro aus „Money Won’t Change You / Out of Sight“ eröffnet die Hit-Revue, gefolgt von „Bring It Up“ und „Try Me“ (mit den Byrds und den Geigen). Danach folgt die damals aktuelle Hitparaden-Single „Let Yourself Go“, die zum Herzstück der Show wurde – Alan Leeds:

„Let Yourself Go“ was the chart single at the time of this engagement. But what Brown did with it became the album’s centerpiece. During an elaborate routine he reprised many of his famous dance steps, kibitzed with the Famous Flames and took brief turns behind the organ and the drums. More importantly, the band locked into an unstoppable groove. Released separately as „There Was a Time,“ the track stormed to No. 3 on the R&B Chart and Top 40 Pop – and that was on the back of the No. 4 R&B and Top 30 Pop hit „I Can’t Stand Myself.“ With this unusual chart success the Apollo album could boast „the complete long version“ of a new hit, driving fans to the record shops. (As we discovered in the vault, it actually was not complete until this edition.)

~ Alan Leeds, Liner Notes zu „James Brown – Live at the Apollo Volume II“, Deluxe Edition 2CD, Polydor/Universal 2001, p. 15.

Im Booklet findet sich überdies ein feiner kurzer Text von ?uestlove, der die Essenz dieser Performance aus „Let Yourself Go“ / „There Was a Time“ / „I Feel All Right“ sehr schön auf den Punkt bringt:

i first heard the classic soulamorphosis of „let yourself go“ from live at the apollo II when i was five years old […]

this jam is a classic example of teamwork that is so sorely missed in live music. sure, to the average layman „there was a time“ was just another single. to an historian „there was a time“ was a great dance tune. but for those with ears: never has the definition of „less is more“ applied so real. there is no coltrane/parker/armstrong fireworks from the horn section. there are no hendrixian fireworks coming from the guitars. bernard odum was the furthest thing from mingus, and the drums were repeating the same pattern for nearly 20 minutes. not to discredit these men – i’m sure if put on the spot they could hang with the rest of them… but that would be missing the point entirely.

the james brown orchestra – aka „the new breed“ then – made history that night the same way an nba championship team wins a title: together. odum’s throbbing two-note bottom… simple. jimmy nolen’s one-chord rhythm nation… simple. alfonzo kellum’s counter snap retort… simple. the horns‘ two keys… simple. starks and stubblefield, two men that will mold my five-year-old ears for life, made absolute miracles with polyrhythms.

~ give the drummer some, ahmir „?uestlove“ thompson, illdelph, pa 5:48 am, Liner Notes zu „James Brown – Live at the Apollo Volume II“, Deluxe Edition 2CD, Polydor/Universal 2001, p. 16f.

Eine unglaubliche Performance! Allein ihretwegen lohnt sich die Anschaffung der Deluxe Edition! Zum Ende setzt Brown sich dann kurz hinter die Orgel und dann an eins der Drum-Kits… und dann – you’re ready Clyde? … that’s our drummer… hit it, Clyde!! – geht’s gleich weiter mit „Cold Sweat“! Keine Sekunde, in der man zur Ruhe kommen könnte! Über dem frenetischen Beat von Stubblefield und den prominenten Congas von Ron Selico legt Maceo richtig schön los und nach seinem Solo folgt das „Duell“ mit JB.

Es folgt eine schöne Version von „Prisoner of Love“ mit den Flames und den Streichern, dann ein kurzes Instrumentales Interlude („My Girl“), bevor mit „Maybe the Last Time“ das grosse Finale beginnt, das mit „I Got You (I Feel Good)“ und „Please Please Please“ (wieder mit allen drei Drummern!) weitergeht und mit der Reprise von „Brging It Up“ endet.

Ein grossartiges Album, das steht fest!

Allerdings bin ich wirklich der Meinung, das Set aus vom 25. November 1967 Paris sei insgesamt eine Spur besser (obwohl dort „There Was Time“ nicht auf dem Programm stand oder zumindest nicht Aufnahme erhalten ist).

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