Re: It’s the song, not the singer? Moral und Musik

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ursa-minor

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Beiträge: 4,499

Aus dem Thread „Die besten Alben 2010“

ursa minor
Zitat von Cassavetes
04. Burzum – Belus

Zitat von castles in the air
02. BURZUM – Belus

Ihr macht mir Angst! :o/
Wie hat die Platte es denn in eure Top 10 geschafft?

castles in the airFür mich eines der faszinierendsten Metalalben überhaupt. In den vergangenen zwei Jahrzehnten gab es ja leider den Trend, die Gitarren tiefer und tiefer zu stimmen, was eher auf Kosten der Dynamik ging anstatt die Musik härter zu machen. Bei Burzum hingegen klingen die Gitarren sehr hoch, was mich an die frühen Voivod erinnert und eine schöne Abwechslung zum gängigen Metalsound darstellt. Wobei „Belus“ dieses Genre eigentlich auch oft genug hinter sich lässt. Eher hat man den Eindruck, dass sich Vikernes mit seinem atmosphärischen Wall Of Sound genauso bei My Bloody Valentine oder den Swans wie beim klassischen Black Metal bedient hat.

ursa minorWow, das sind ein paar gute Gründe. Du hättest Werbetexter werden sollen! ;o) Danke für die Antwort!

McGeadyIch bin ja nun wirklich kein Verfechter übertriebener Political Correctness, aber wie unkritisch hier mit Burzum umgegangen wird, ist schon sehr erschreckend. Und verwunderlich, wenn man die Reaktionen bedenkt, die Themen hervorrufen, in denen es um die Frankfurter Band geht.

Nur ein Satz aus Wikipedia: „1994 wurde Vikernes wegen des Mordes an Aarseth, Brandstiftung an mehreren norwegischen Kirchen sowie des Besitzes von Sprengstoffen zu 21 Jahren Gefängnis verurteilt und wandte sich immer mehr der rechtsextremen Szene zu.“

Na ja, viel Spaß damit.

ursa minorMeine erste Reaktion war „Ihr macht mir Angst“. Und ich habe „Danke für die Antwort“ gesagt, weil ich das höflich finde und weil ich tatsächlich dankbar für die Antwort bin.

Was ich selber über Herrn Vikernes denke, gehört nicht hierher. Dies ist der Jahresend-Abschluss-Fazit-Thread. Hier postet jeder, was er in diesem Jahr gern gehört hat. In meiner Top 10 würde Burzum nicht auftauchen. Aber wenn Castles und Cassa die Musik hören können, werde ich ihnen das nicht zum Vorwurf machen.

Dies ist nicht der Thread für eine Diskussion über Burzum oder „Political Correctness“, wie du das nennst. Im Philosophicum gibt es einen Thread, in dem du dich gern zu diesem Thema austoben darfst.

nail75Mir fiel eben erst wieder durch McGeadys Beitrag ein, dass Burzum dieser verbrecherischen Nazi-Metal Szene Norwegens zuzuordnen sind. Daher mache ich es Castles und Cassa durchaus zum Vorwurf, dass sie diese Musik hören und damit die Urheber unterstützen. Das finde ich eigentlich absolut unglaublich. Während ich Cassas Lust an geschmacklosen Provokationen kenne, bin ich bei Castles auch aufgrund seiner bisherigen politischen Äußerungen komplett fassungslos. McGeady hat vollkommen Recht: Im Vergleich dazu sind die Onkelz komplett harmlos, hier handelt es sich um einen wirklichen Verbrecher, genauer gesagt um einen Mörder und Brandstifter. Wie man den unterstützen kann, ist mir ein absolutes Rätsel.

Das alte Thema: Kann man den Mann und die Musik trennen? Castles in the Air beweist zunächst eindrücklich, dass es ihm nicht um den Musiker, sondern um die Musik geht. Legitim?

Dann bringt Nail einen neuen Aspekt (den es in diesem Thread, glaube ich, bisher noch nicht gab) ins Spiel: Er verurteilt die Hörer, dafür, dass sie die Musik hören. Legitim?

Castles in the Air bringt anschließend noch einen neuen Aspekt in die Diskussion ein: Was ist, wenn sich der Musiker von seinen alten Taten distanziert?

castles in the airKannst du vergessen. Wenn nail erst einmal den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden geglaubt hat, dann lässt er auch so schnell nicht locker. Ob das dann noch etwas mit der Wahrheit zu tun hat, ist eher unerheblich. Vikernes hat nach seiner Haftentlassung betont, dass er keiner Szene zuzuordnen ist, auch keiner „Nazi-Metal Szene Norwegens“, von der ich hier gerade zum ersten Mal gelesen habe. Bedauerlich auch, dass manche vom Gedanken der Resozialisierung nicht besonders viel zu halten scheinen. Vielleicht hilft ja ein kleiner Ausschnitt aus der „Welt“:

Heute distanziert er sich von den Neonazis. „Ich bin nicht meine Fans“, erklärte er vor Kurzem einem weißrussischen Fanzine. „Ich habe auch viele weibliche Anhänger, aber das macht mich noch nicht zur Frau.“ Der norwegischen Tageszeitung „Dagbladet“ sagte er: „Ich bin bereit für die Gesellschaft, ich habe aus meinen Fehlern gelernt.“

Inzwischen lebt er mit seiner Familie auf einem abgelegenen Bauernhof in der Telemark und kommuniziert nur per E-Mail mit der Außenwelt. Einmal im Monat muss Vikernes sich bei seinem Bewährungshelfer melden. Er ist der Gefangene einer Zivilisation geblieben, die er verachtet. Dass aber ein radikaler Einzelgänger mit indiskutablen Ansichten durchaus in der Lage sein kann, interessante Musik zu machen, ist wohl einer der Widersprüche, mit der diese Zivilisation leben muss.

Ein spannendes Thema! Oder?

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C'mon Granddad!