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GefährlicheBohnenDa stimme ich Dir zu. Riefenstahl hat eine sehr eigene Ästhetik geschaffen, mich stößt aber der nationalsoz. Hintergrund ab.
Wen nicht? Aber die Ästhetik (im übrigen auch bei Olympia, da aber andere Aspekte) verweist direkt auf den Nationalsozialismus, da mögen Spurenelemente anderer Propaganda enthalten sein (Eisenstein), aber die Erhöhung Hitlers, auch das Zelebrieren des „Volkskörpers“, des in der Masse aufgelösten Individuums, gehört dazu. Zu „Olympia“ habe ich im Film-Thread mal „Körperbesoffenheit“ geschrieben – da wird auf einem Vulgärklassizismus aufbauend, der Körper gefeiert – als etwas eigenes, abgetrennt vom Geist. Deswegen hat Riefenstahl ja auch Jesse Owens dringelassen – einen tollen Körper hatte er ja, da war die Hautfarbe ihr wohl relativ egal (egal, was der Auftraggeber davon hielt).
otisDarum geht es letztendlich wohl.
Findet die Ideologie in der Ästhetik ihre Entsprechung und umgekehrt?
Riefenstahls Ästhetik ist in der Folge zehntausendfach aufgegriffen worden. Was auch heißen kann, dass faschistoide Tendenzen in der Werbung, im Pop etc. verortbar sind. Finde das nicht schlimm, eher spannend.
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Olympia findet sich in den 80ern ständig von Madonna bis zu Chris Isaacs Wicked Game-Video. Natürlich auch sehr viel in der Werbung (auch heute noch). Das ist Abfeiern des Körpers, vielleicht anti- oder zumindest nicht besonders intelektuell, aber auch nicht per se nationalsozialistisch.
Bender RodriguezUnd noch einen Schritt weiter – und es krampft sich alles in einem zusammen: Jahrelang stiess das Bowie-Zitat „when you think about it, Adolf Hitler was the first pop star“ bei mir auf vollkommenes Unverständnis. Ich hielt Bowie in dieser Hinsicht für einen vollkommen weltfremden Idioten. Erst als ich „Triumph des Willens“ (auszugsweise) sah, dämmerte mir urplötzlich, was er damit meinte…
Noch verblüffender, erschreckend faszinierend – und natürlich perfider – erscheint die Wirkung der Riefenstahlschen Ästhetik, wenn man den Ton ausschaltet. Gespenstisch, „Triumph des Willens“ wirkt stellenweise wie ein Vorläufer des modernen Konzertfilms. Letztendlich ist auch nicht von der Hand zu weisen, daß sich offensichtlich einige (auch nicht in den Gefilden des Totalitarismus umtriebige) Rock/Pop-Künstler von dieser Ästhetik inspirieren liessen…
Wie oben geschrieben – ausreichend abstrahiert, bleibt kein unmittelbarer politischer Gedanke über, von daher kann ich das nicht verwerflich finden. Das irgendjemand den Körper „entdeckt“ (oder bei der Werbung: zu entdecken hat), ist unausweichlich, dass man sich an den Filmen der 30er bedient, nicht so überraschend. Olympia (der ist ja eher Ahne des Körperkults, Triumph ist in den Zeiten Vermeintlichen Individualimus ja nicht so gefragt . Der erste Star Wars zitierte ihn) ist im englischsprachigen Ausland meines Wissens durchaus als Kunstfilm geachtet.
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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.