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Von Kettcar, so dachte ich, mag ich mittlerweile nur noch ein Stück, „Balu“. Als ich am frühen Abend ins Zelt schaute, begannen sie gerade, eben jenes Stück zu spielen. Jetzt weiß ich, dass ich von Kettcar gar kein Stück mehr mag. Nach „Balu“ verließ ich das Zelt schnell wieder und ging zur nächsten Location.
Der Baltic Festsaal sieht so aus, wie ich mir den Diskoraum im Atomschutzbunker des Politbüros vorstelle. Zum Glück war es dunkel. Mit einer halben Stunde Verspätung begann Bell X1 zu spielen. Mein Fazit nach drei Songs: Prätentiös, blutarm, langweilig, lächerliche Tanzeinlagen des Sängers.
Eine Viertelstunde nach Beginn der auf eine halbe Stunde angesetzten Autogrammstunde mit James Yorkston am Stand des Rolling Stone traf ich dort niemanden an. Schade. Überhaupt haben die Autogrammstunden nach allem, was ich mitbekommen habe, nicht so recht gezündet. Waren sie nicht genügend beworben worden oder woran lag es? Schade jedenfalls.
Das Witthüs ist als Location noch weniger geeignet als der Baltic Festsaal: Eine kleine, fast ebenerdige und nicht von überall sichtbare Bühne. Ich hörte noch die letzten Songs des überraschend guten Akustik-Sets des Weakerthans-Sängers John K. Samson. Nach der Show fragte ich ihn, was es von ihm zu kaufen gebe. Er sagte, es gebe bislang eine 7“ (weitere zwei seien geplant, eine LP nicht), die irgendwo auf dem Gelände zu kaufen sei. War sie nicht – weder an einem der Plattenstände noch beim offiziellen Merchandising-Stand, an dem es ausschließlich Fan-Textilien gab.
Zurück im Zelt traten derweil The Soundtrack of Our Lives auf. Dicker bärtiger Sänger mit Rockröhre und Sackgewand, ordentlicher Breitwandrock, der mich nicht erreichte. Nach wenigen Stücken bin ich weiter gezogen.
Im Witthüs dann der Höhepunkt des Abends: James Yorkston and the Big Eyes Family Players. Ich stand direkt vor Yorkston, was die Mängel der Location obsolet machte. Ein Set, das erwartungsgemäß von der „Folk Songs“-LP dominiert war. Yorkston war guter Laune und hatte neben zwei bärtigen Multiinstrumentalisten die zauberhafte Mary Donnaught dabei. Bevor sie zu singen ansetzte, schloss sie jedes Mal die Augen und zog zu den ersten Tönen so inbrünstig den linken Mundwinkel hoch, dass ich die Männerherzen ringsum nach und nach in die Hosen rutschen hörte. Oder so. Billy Idol jedenfalls kann einpacken. Ein wohlbekannter Musikautor neben mir rief laut „More!“, nachdem Mary bei zwei Songs den Leadgesang übernommen hatte, beim letzten a capella. Vergebens – Yorkston übernahm wieder das Ruder. Ein feines Konzert, bei Weitem nicht fehlerfrei, aber sehr rund und beglückend.
Die Flaming Lips haben ein Problem: Sie haben offenbar nur zwei bis drei gute Songs geschrieben. Ihren besten hauten sie gleich am Anfang heraus: Die bombastische Eröffnung mit Band-Geburt (Auftritt durch eine in pulsierenden gelb-orange blinkenden Ovalen stilisiert auf die Bühnenrückwand projizierte Vagina) und Wayne Coynes Ausflug über die ersten Reihen des Publikums in einem mannshohen durchsichtigen Gummiball mündeten in „Race for the Prize“ samt Konfetti- und Ballonregen. Nach diesen ersten zehn Minuten hätte ich getrost gehen können und wahrscheinlich eine der grandiosesten Show-Eröffnungen in Erinnerung behalten, die ich je gesehen habe. Leider bin ich geblieben und es konnte nach diesem furiosen Auftakt natürlich nicht besser werden. Die Band gniedelte sich durch konturlose langweilige Songs, Coyne gockelte aufgeregt umher, redete allerlei dummes Zeug und animierte penetrant zur Dauer-Ekstase. Aber auch noch mehr Ballons und Konfetti, Rauch und Lichtbombast konnten der Musik kein Leben einhauchen.
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Lately I've been seeing things / They look like they float at the back of my head room[/B] [/SIZE][/FONT]