Re: Wilco – Wilco (The Album)

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djrso
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Wer angenommen (oder gehofft) hatte, Wilco würden mit dem gleichnamigen neuen Album das Erfolgsrezept vom Vorgänger „Sky Blue Sky“ aus dem Jahre 2007 noch einmal aufgreifen und fortführen, wird sich mit dieser Annahme bei „Wilco (The Album)“ kaum bestätigt fühlen – und trotzdem keine Enttäuschung erleben. Denn auch auf der aktuellen Platte, soviel sei schon einmal vorweg genommen, wird nicht alles anders, bleiben Wilco ihrer eigenen Klangcharakteristik treu.

Überwogen jedoch auf „Sky Blue Sky“ vor allem Strukturen ausgedehnter Instrumentaldialoge und improvisierte Gitarrenfiguren, bleiben solistische Ausschweifungen beim neuen Werk kurz und knapp, wirkt das Material um einiges straffer organisiert und songorientierter. Manche Stücke erschließen sich nicht unbedingt gleich auf Anhieb, fordern intensive Beschäftigung und genaues Hinhören, bis sich Feinheiten und Details offenbaren. Diese Mühe wird aber durch die vielschichtige und facettenreiche Songauswahl der Platte mehr als belohnt.

Den Anfang macht „Wilco (The Song)“, der – welches Ungemach auch immer das Leben schwer zu machen droht – kurz, knapp und mit dem gewissen Augenzwinkern klar macht, auf wen man sich verlassen kann: „Wilco will love you baby“. Bevor sich angesichts dieser Versicherung zu viel Euphorie ausbreiten kann, wird diese beim folgenden, deutlich melancholischeren „Deeper Down“ gedämpft, welches unter anderem mit hintergründigen Cembalo- und wimmernden Pedal-Steel-Klängen gefühlvoll instrumentiert ist.

„One Wing“ verwendet das einfache wie eindrucksvollen Bild vom einem einzelnen Flügel, der alleine niemals fliegen kann. Verstärkt wird die Intensität dieses Songs dabei durch ein kurzes, verzweifelt anmutendes Gitarrensolo.

Einen Ausflug in leicht psychedelische Sphären und eine im Gesamteindruck an das Vorgängeralbum erinnernde Klanglichkeit stellt das folgende, gut fünfeinhalbminütige „Ball Black Nova“ dar, welches von einem fast schon bedrohlich anmutenden Piano-Stakkato getragen wird und sich zum durch verzerrte Gitarrenklänge verstärkten Höhepunkt am Ende des Stückes steigert.

„You And I“ dagegen ist ein feines Duett zwischen Gastsängerin Leslie Feist und Jeff Tweedy, das seine Wirkung – neben der zarten Gesangslinie – vor allem durch das umschmeichelnde Arrangement des Songs entfaltet. Ein schönes, schlichtes Liebeslied.

Eine gute Portion Zuversicht weiß der folgende flotte Track zu versprühen, indem er klar macht, dass alles Irdische auf irgendeine Weise weitergehen wird, auch wenn jede Generation das mehr oder weniger bald bevorstehende Ende der Welt heraufziehen sieht. Allerdings scheint auch Jeff Tweedy nicht völlig zweifelsfrei davon überzeugt zu sein, dass es nicht wirklich schon kurz vor Zwölf ist, da der Track treffenderweise „You Never Know“ betitelt ist.

„Country Disappeared“ läutet den ruhigeren und etwas reduzierter instrumentierten Teil dieser Platte ein, der sich auch über das nächste Stück „Solitaire“ erstreckt. Letzterem verleihen fein gesetzte Orgel- und Pedal-Steel-Klänge einen ganz besonderen Glanz.

Bevor mit „Everlasting Everything“ das Album schließlich auf das würdige Ende zusteuert, erklingen zunächst noch die recht flott gehaltenen Stücke „I’ll Fight“ und „Sunny Feeling“, bei denen besonders der Zweitgenannte nicht nur wegen seines Titels, sondern auch mit seiner schwungvollen Melodieführung Hit-Qualitäten aufweist.

Zusammenfassend reiht sich „Wilco (The Album)“ mühelos in die Folge bislang durchgängig sehr guter bis hervorragender Wilco-Alben ein und kann **** für sich verbuchen. Als Highlights und Anspieltipps lassen sich die Titel „One Wing“, „Bull Black Nova“, „You And I“, „You Never Know“, und „I’ll Fight“ und „Sunny Feeling“ nennen.

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Doe maar gewoon... dan doe je al gek genoeg!