Re: Warum hat der schwarze Rock´n´Roll aufgehört oder ist das überhaupt so?

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minos

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gypsy tail wind

Weshalb ich mich hier überhaupt kurz zu Wort melde ist, weil mir im Zusammenhang mit den letzten Sätzen Deines Posts, minos, das letztes Jahr erschienene Album von Bettye LaVette in den Sinn kam, das mir ziemlich gut gefällt (obwohl ich als Rock-Novize manche Original-Versionen der Songs noch nicht kenne):

Ich wußte gar nicht dass Bettye LaVette noch aktiv ist. Wobei ich mich mit ihr auch kaum auskenne. Ich nehme aber an, dass sie durch ihr Album – auch wenn es sehr gelungen ist – der Rockmusik keine neuen Impulse gibt?!

[Quote]Hab eben den ganzen Thread nachgelesen – interessantes Thema! (Leider mit viel Müll dazwischen, aber was soll’s, hab auch einige Male gelacht, z.B. beim stringenten Beweis der Überlegenheit von „Dance-Pop with Female Vocals“ ;-) )

Als ich vor einiger Zeit diesen Thread fand, war ich zunächst auch verwirrt, auch weil in mehreren separaten Strängen diskutiert wurde. ;-) Mir wird auch Rock und Rock’n’Roll zu sehr zusammengeworfen. Ich sehe zwar Berührungspunkte, trenne aber beides strikt.

Kern des Threads scheint zu sein, warum Schwarze, die maßgeblich an der Entstehung des Rock’n’Roll beteiligt waren, mit diesem aufhörten – von Urgesteinen wie Chuck Berry oder Little Richard abgesehen, die ihren Stil aber auch nicht weiterentwickelten -, und sich Schwarze auch nicht an der Entwicklung der Rockmusik der 60er/70er… Jahre beteiligten, außer dass sie Rocksongs coverten oder gewisse Elemente der Rockmusik in ihre Musik integrierten.

Mir ist die Tage aufgefallen, dass ich auch gar keinen halbwegs aktuellen schwarzen Künster (bzw. Band) kenne, der im Neo-Rock’n’Roll/Rockabilly aktiv ist. Weiße Künstler/Bands in diesem Bereich gibt es dagegen reichlich. Eventuell kennt jemand anderes eine schwarze Band, die Rock’n’Roll im Stil der 50er spielt?

@Blitzkrieg Bettina: Von der These, dass Schwarze vorsätzlich mit dem Soul eine neue Musikrichtung „erfanden“, die es den „bösen Weißen“ möglichst schwer machte, sie zu kopieren, halte ich nichts. Sowas wird zwar oft geschrieben, auch in einem Parallelthread, aber dabei bleibt u.a. unberücksichtigt, dass es eine lange Entwicklung hin zum Soul der 60er gab. Oft wird ja schon Faye Adams „Shake A Hand“ als frühe(ste)r Soul-Song bezeichnet. Guralnick erwähnt das auch, geht aber nicht näher darauf ein, sondern beschreibt ausführlich Gruppen/Künstler aus dem Gospel (vor allem Sam Cooke), die ebenfalls schon früh in den 50ern begannen, mit ihren Mitteln weltliche Musik zu machen. Damals („Shake A Hand“ erschien 1953) gab es aber noch nicht so viele weiße Musiker, die schnellen schwarzen R&B/R’n’R coverten, und wenn, hatten sie damit noch keinen durchschlagenden Erfolg.

Was Du zu den Girlgroups und der Eroberung des Englischen Markts ausführst, entspricht ziemlich gut dem, was Martha Reeves schreibt (ich mag eigendlich keine Autobiographien, habe mir das Buch nur gekauft, um mehr über die damalige Zeit bzw. über Motown von einer Zeitzeugin zu lesen): um 1960 gab es in Detroit zahllose Girlgroups, teils auch gemischte Gruppen, die an jeder Ecke übten und aktuelle Hits oder Klassiker mit ihren Mitteln (meist am (männlichen) Doo Wop orientiert) sangen. Zwar wurden nur die wenigesten bekannter oder bekamen gar einen Vertrag bei einer Plattenfirma, aber offenbar waren sehr viele Jugendliche in einer Art musikalischer Aufbruchstimmung.
Bei der England-Tournee 1964 hatten Martha und die anderen Motown-Künstler das Gefühl, den umgekehrten Weg der britischen Bands zu einzuschlagen: Sie revancierten sich mit einer „Invasion“ in England, um dort die schwarze amerikanische Musik (bzw. den Motown-Sound) populär zu machen.

@ferry: die These halte ich zumindest für sehr gewagt! Bevor ich viel zum frühen Rock’n’Roll schreibe, eine Zwischenfrage: wann bzw. mit welchem Track setzt Du den Beginn des Rock’n’Roll an?

Übrigens war Chuck Berry längst nicht der einzige farbige Künstler, der in der Hochphase des Rock’n’Roll (bzw. als dieser beim weißen Publikum sehr populär war) aktiv war. Viel Erfolg hatte ja auch Little Richard, der einen ganz eigenen Stil einbrachte. Daneben gab es z. B. noch Esquerita! oder Jackie Wilson sowie Rock’n’Roll-Tracks von Künstlern, die zwar auch viel R&B machten, aber in der Phase auch eindeutige R’n’R-Tracks veröffentlichten (Fats Domino, Ruth Brown, Big Joe Turner, Smiley Lewis, LaVern Baker). Nicht zu vergessen einige Künstler/innen, die – teils vorher in ganz anderen Musikstilen, wie Gospel, aktiv – ca. Mitte der 50er versuchten, im Pop-Sektor fußzufassen und dabei auch einige harte Rock’N’Roller veröffentlichten, z. B. [COLOR=“Blue“]sowas.

EDIT: Mir fällt in diesem Zusammenhang ein, dass ich mir in letzter Zeit sowieso die Frage gestellt habe, warum schwarze Künstler (wieder) Rock’n’Roll machten. Teils hat wohl die Aussicht auf kommerzielle Erfolge dazu geführt? Andererseits haben Chuck Berry und Little Richard seitdem fast nur Rock’n’Roll gemacht. Würde Berry noch mal ein Album rausbringen, wäre es sehr wahrscheinlch im selben Stil wie seine über 50 Jahre alten Alben. Gleiches gilt für Ltlle Richard, der zwar auch mal kurze Ausflüge in den Gospel und Funk gemacht hat, aber ansonsten immer ein Rock’n’Roller war. :-)

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