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Ich kann jeden verstehen, der mit der Platte nicht gar so viel anfangen kann: Dylan ist mittlerweile in einem Stadium angelangt, wo die Musik nicht mehr in einer emphatischen, demonstrativen Geste auf Originalität und Innovation zielt und auch nicht auf Überwältigung. Aber die Art, wie da einer, der die Tradition tief verinnerlicht hat und seine Wurzeln genauestens kennt, daraus doch wieder etwas ganz Eigenes formt, finde ich faszinierend und ganz wunderbar.
Ich liebe auch die Leichtigkeit dieser Platte, die nichts mit Oberflächlichkeit zu tun hat, die bisweilen spielerische Art, wie hier Referenzquellen aufgegriffen werden. Ein Beispiel: „My wife’s hometown“ ist nicht nur eine Wiederaufnahme von „I just wanna make love to you“ – es ist auch so eine Art Fortsetzung. Ich stelle mir das etwa so vor: Da singt einer, der einst mit hinreißender Unverfrorenheit und dem Satz „I just wanna“ sein Mädchen aufgerissen hat, 40 Jahre später, was aus der Beziehung geworden ist: Sie haben geheiratet … Und nun tut sich ein doppelter Boden nach dem anderen auf: Man nehme nur den Text einerseits und den Vortrag andererseits: Während dieser alte Zausel darüber klagt, dass sein Weib wohl aus der Hölle stammen muss, singt er selber mit einem derart diabolisch brütenden Ton, dass ja wohl kaum ein Zweifel daran bestehen kann: In dieser Hölle namens Ehe war er bestimmt kein passiv duldsames Opfer. Und das diabolische Lachen am Ende deutet an: Moment – ist nicht auch das Wort „Hölle“ schillernd? Klingt es nicht nach Feuer und Hitze? Ist da womöglich immer noch Sex im Spiel? Ist dieses „hell’s my wife’s hometown“ womöglich eine Art Kompliment? So schön schillernd kann die Anverwandlung der Tradition sein. Literaturwissenschaftler würden da wohl von „Intertextualität“ reden. Dylan ist ein Meister darin.
Ich liebe die Platte.
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