Re: Bob Dylan – Together Through Life

#7031573  | PERMALINK

mighty-quinn

Registriert seit: 05.07.2004

Beiträge: 1,071

nikodemusEiner muss ja anfangen:
Ich freue mich auf den dritten und vierten Durchgang, wenn „Together Through Life“ seine volle Wirkung entfaltet hat. Wie überall beschrieben ist „TTL“ seine Mexico-Lateinamerika-Tex-Mex-whatever-Platte mit viel Akkordeon und Blues-Gitarre, alles klingt feucht und heiß, schwitzig und stickig und Dylan erfindet wieder einmal eine neue Maske: der Opa im Schaukelstuhl.

Die Lyrics sind sicher wieder großartig, drunter macht’s der Meister ja auch nicht. Nur was fehlt sind memorable Melodien, Biss und – zumindest im Vergleich zu den Vorgängern – Schmiss und Swing. Gelungen ist das tiefe, fast geflüsterte „Life Is Hard“ und der Chess-Records-Hommage „My Wife’s Home Town“, wo man wieder prima Muddy Water’s „I Just Wanna Make Love To You“ drüber singen kann (Überraschung, Dylan teilt sich die music-credits sogar mit Willie Dixon). Das Akkordeon-Riff in „If You Ever Go To Houston“, welches 6 Minuten variationslos wiederholt wird, nervt schon beim ersten mal hören und lenkt vom Dylans buchstäblichem Krächzen. Apropos Stimme, die klang mir auf „Modern Times“ besser, deutlicher, prononcierter, wobei diese Verschmelzung von Stickluft und Dylans Patinarasseln wohl gewollt ist.

„Forgetful Heart“ und „Jolene“ sind durchschnittliche Blues-Stücke, letzteres etwas stärker mit einem netten Gitarrenriff. Dann, endlich, Willi Winklers Tip, der ultimative Höhepunkt von Dylans bester Platte seit 30 Jahren (sic) – „This Dream Of You“, ich befinde mich mitten in einem Spaghetti-Western und höre einem alten Mann zu, wie er seiner Liebsten beschwört, inklusive schlechtem Gefiedel. Es fehlen nur noch die Kellner, die im Background O sole mio grölen. Puh, das war nichts. Da freut man sich schon auf mehr auf „Shake Shake Mama“, ein lospolternder Blues mit wenigstes etwas Biss. Viel besser wird es nicht mehr, „I Feel A Change Comin‘ On“ hat eine nette Melodie, einer der besseren und wenigen des Album. „It’s All Good“ fasst dann nochmal alles prima zusammen.
Auf „Together Through Life“ fehlen mir die Melodien und die passende Umsetzung. Vielleicht kann ich dieses TexMex-Tequila Gefühl auch nur nicht aufsagen, bis jetzt tat sich da wenig. Wie Willi Winkler das alles ernsthaft über das gespenstische „Time Out Of Mind“ und das wandelnde Geschichtsbuch „‚Love & Theft'“ stellen kann, wird mir nach dem ersten 1-2 Hören noch nicht klar.
Ganz toll jedoch: das Backcover, optisch gibt’s jedenfalls nicht zu meckern.

Ein sehr interessanter Einblick in deine Empfindungen, niko. Vor allem deshalb, weil wir die Platte unterschiedlicher kaum hören könnten. Bei „Houston“ kann ich deine Kritik zum Teil nachempfinden. „This dream of you“ dagegen bewerte ich als fantastisch und steht für mich stellvertretend für den neuen Sound und Geist, den diese Platte präsentiert.
Auch dein Bild vom im Stuhl schaukelnden Dylan passt für mich nicht. Dazu ist die Platte zu vital, zu wütend. Und stimmlich höre ich da ebenfalls keinen Abbau – erst recht nicht ggü. Modern Times.
Ich höre weiter und äußere vielleicht später auch eine Stück-für-Stück-Wahrnehmung.

--

Eigentlich bin ich anders, ich komme nur selten dazu.