Re: Bap, 26.12.08, Köln

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otis
Moderator

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StillstandIch glaube, Otis hat Niedecken gründlich missverstanden. Erstens bin ich ziemlich sicher, dass der sich nie bei einer wie auch immer gearteten „Jugend“ einklinken wollte. Was ist das überhaupt: einklinken?

Mag sein, dass ich WN missverstehe.
Er tauchte just in dem Moment auf, als deutsch gesungene Rockmusik mehr und mehr Anhänger gefunden hatte (Lindenberg), sich aber im Grunde noch erst selbst zu definieren begann. (Das werfe ich ihm keineswegs vor). Mag Lindenberg damals einigen schon fast zu schlagerhaft vorgekommen sein, so hatte Bap für die etwas Jüngeren noch mehr Glaubwürdigkeit, allein schon deshalb, weil er auf Kölsch sang. Ihm war eine Kommerzialisierung nun wirklich nicht vorzuwerfen. Dass er dabei, in Köln zumindest, auf gut vorbereitetem Boden ackerte, macht seine Musik und Texte nicht wirklich neu.
Die Bläck Fööss hatten sich zu jener Zeit längst von ihrem Image als Karnevalsband emanzipiert und brachten sehr professionell ähnliche Lieder und Geschichten wie Bap. (Aber auch die Bläck Fööss standen in einer langen Tradition.) Musikalisch waren diese sogar weit abwechslungsreicher, dafür wohl weniger nah am Geschmack des jungen Erwachsenen. Der Rückgriff Baps auf die 60s/früh70s-Rock-Tradition kam da natürlich weit besser an. Ignorierte er doch zudem herrlich die verstörend aufregenden Neuerungen der Punk und New Wave-Musik.
Durch Songs wie Kristallnaach bekam Baps Musik dann schließlich genau jene politische Message, die bei den jungen und jungerwachsenen Fans damals zwar massenhafte und begeisterte Zustimmung hervorrief, dabei aber völlig diffus blieb. (Dass ich gerade gegen Kristallnaach mächtig etwas habe, ist hier im Forum schon einmal dargelegt)
Zu Zeiten des Aufkommens der Grünen, des Nato-Doppelbeschlusses etc. sahen sich Bap damit politisch plötzlich ganz vorn mit dabei, zumindest für den Platten hörenden jungen Menschen, der nicht selbst auf Demos ging und noch nicht Grün wählte oder wählen durfte. (Wie sich Bap in jener Zeit dann tatsächlich selbst engagierten, entzieht sich meiner Kenntnis bzw. habe ich vergessen.) Stellvertreter also. Und genau das habe ich damals bei unglaublich vielen jungen Erwachsenen beobachtet.
Die Arsch huh-Geschichte empfand ich dann schon ziemlich schlimm. Als wenn die Kölner ganz vorn mit dabei seien oder sein müssten, ihren Hintern hochzukriegen, wenn es um Rassismus oder Integration in D ging. Warum denn sonst der Song auf Kölsch? Und andererseits: was gibt es desintegrierenderes als einen Dialekt, den nur ein Eingeborener zu sprechen versteht? Eine große Geste? Für mich pure Heuchelei und ein Aufspringen auf den Zug.
Ich kann also Cords Unbehagen mehr als nachvollziehen, obwohl ich überhaupt nichts mehr von Bap aus den letzten zehn, fünfzehn Jahren kenne. Wenn es denn darauf beruhen sollte, dass ich WN missverstehe, gern geschehen.

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