Re: Die Übermacht der Nostalgie in der Wahrnehmung von Popmusik

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#6892015  | PERMALINK

staggerlee

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Ich denke es gibt die verschiedentsten Gründe, warum Menschen Musik aus nostalgischen Gründen hören (ohne mich von diesen Gründen vollständig distanzieren zu wollen und zu können) – den Besten hat Go1 gleich am Anfang genannt: Die Meisten interessieren sich nicht mehr dafür oder besser gesagt, haben sich noch nie dafür interessiert- Musik wird hier wird hier primär funktional z.B. in Kneipen gehört, soll vielleicht bestimmte Jugenderinnerung widerbeleben, das soziale Wohlbefinden verstärken, die Autofahrt erträglicher gestalten und soll vor allem eins: Nicht stören (möglichst alles unbekannte weglassen)- alles andere ist eine Zumutung. Insoweit ist es vollkommen egal ob Paint it Black, Uriah Heep oder Phil Collins läuft.

Und nun überspitze ich und drücke es negativ aus (um bei dem vorher gesagten Klarheit zu schaffen): Ich befürchte diffiziler aber ist es hier im Forum, wo sich wohl jeder mehr oder weniger umfangreich mit Musik befaßt. Hier ist der Nostalgieverdacht ohne Begründung zunächst nichts anderes als eine Behauptung. Somit kommen (gelernte) ästhetische Kategorien und den viel gerühmten acquired taste zum Tragen- ab diesem Zeitpunkt wird es etwas komplizierter, denn hier bedeutet Nostalgiverdacht nichts anderes als: Du hast Dir leider den falschen Geschmack zugelegt, bzw. den falschen Geshmack gelernt. Mit Jahrzehnten hat dies wohl bedingt etwas zu tun (je nachdem wann und wie man sozialisiert wurde/aufgewachsen ist), zwar gab es in den 60ern sicherlich andere Kriterien zur Beurteilung von Popmusik (vielleicht ist der Ausdruck Popideologie besser) als in den 80ern- zugegebenermaßen war der Unterschied zwischen Beatles und Stooges aber beachtlich. Kurz: Die Kriterien zur Beurteilung von Popmusik stimmen nicht mehr oder haben nie gestimmt (im Extremfall)- die Popbiographie oder besser gesagt deren Überbau wurde nie modifiziert.

Einzel- und Extrembeispiel wäre Toto: Sicherlich professionell produziert und virtuos umgesetzt sowie eine Anknüpfung an die 60er/70er- in Wahrheit aber haben sie die schlimmsten Irrtümer der 60er und 70er übernommen. (Vielleicht hätte man ja noch bis zu einem gewissen Maß darüber hinwegsehen können, wenn die Band 1969 ihr Debut herausgebracht hätte, zu diesem Zeitpunkt aber unerträglich). Mir geht es hier aber nicht um das Einzelbeispiel- wenn ich die Diskussion richtig verstanden habe geht es bei der Auseinandersetzung Doebeling/Rossi um das komplette Popverständnis und weniger um Band A oder B).

P.S: Ich würde mich selbst in musikalischer Hinsicht – ganz im Gegensatz zu meinen politischen Ansichten- eher als konservativ betrachten, denn der „neuste heiße Scheiß“ interessiert mich nur bedingt (ich glaube er hat mich noch nie wirklich interessiert, war nie wirklich Teil einer aktuellen Szene, was keineswegs bedeutet ich höre/kaufe nichts aktuelles und ja: Auf die neuen Alben von Anthony and The Johnsons und Animal Collective bin ich sehr gespannt, mit DAF hingegen werde ich wohl nie etwas anfangen können).

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