Re: Die Übermacht der Nostalgie in der Wahrnehmung von Popmusik

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MikkoIch denke, ein Grund für die immer wieder vorkommenden Missverständnisse aber vor allem auch für das Eingeschnapptsein mancher hier, liegt tatsächlich im unterschiedlichen Umgang mit Musik. Ich hatte das den Unterschied von Kopf und Bauch genannt. Pelo_Ponnes nannte den Gegensatz von Kopf und Herz.
… Daraus folgt dann aber meist auch, dass diese Gefühlshörer nicht so gut in der Lage sind, ihre Vorlieben wortgewaltig zu verteidigen und zu rechtfertigen. Da fühlen sie sich dann den anderen, die das können, leicht unterlegen.

Mit Verlaub… wie kommt man auf sowas?

Der vorherige Einstieg der Beschreibung mag ja stimmen. Wenn ich Musik im Schwerpunkt und ersten Ansatz rational wahrnehme oder wahrnehmen will, kann ich darüber natürlich mehr Worte verlieren (wobei wortgewaltig noch nichts über die Qualität des Beitrags aussagt). Dann neige ich sicher auch eher dazu, meine Analyse für richtig zu halten. Schließlich habe ich ja einigen Aufwand getrieben und mein ganzes Hintergrundwissen über den Künster, den zeitlichen und gesellschaftlichen Kontext etc einfließen lassen, ein Werk ausführlich in Bezug zu anderen Werken gesetzt usw. usw.
Trotzdem ist und bleibt es eine subjektive Beurteilung, im besten Falle eine professionell gut begründete, die leider allzu oft vergisst, dass Musik wie jede Kunst- und Kommunikationsform immer eine nie vollständig übertragbare, individuelle Wechselwirkung zwischen Urheber und Betrachter/Hörer hat.

Auch einem interessierten Hörer, der Tonfolgen vornehmlich intuitiv emotional abtastet, bleibt zB die technische oder innovative Klasse eines Songs nicht verborgen. Unter’m Strich bleibt es aber ohne Nährwert und bedeutungslos, wenn es auf dieser Stufe verharrt. Überspitzt: Warum Miles Davis oder Steely Dan hören, wenn’s auf die Gefühlswelt wirkt wie die Lektüre eines Mathematikbuches?
WAS emotional anspricht, eindringt und berührt (oder nicht), lässt sich wenn überhaupt nur sehr vage und mühselig in mehr oder weniger passende Worte fassen. Eine Melodielinie oder eine Textzeile trifft auf einen winzigen Teil des inneren, unendlichen Dschungels aus Lebenserfahrung, Glück, Enttäuschung, Hoffnung und und und … und da ist selbstverständlich auch ein Mosaikstückchen Nostalgie im Topf, zwangsläufig mehr bei älteren als bei jüngeren Semestern.
Diese Ebene hat nun aber keinen wirklichen, breit angelegten Mitteilungswert für andere, denn dann umschreibt man nicht die Musik, sondern zwangsläufig fast ausschließlich ihre individuelle Wirkung, letztlich sich selbst.

Mit unter- oder überlegen, besser oder schlechter, falsch oder richtig hat das alles nichts zu tun.

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