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MikkoVielen Dank für die ausführlichen und aufschlussreichen Erläuterungen. Ich freue mich schon auf die noch folgenden.
Es ist übrigens ja nicht so, dass ich die von Dir genannten LPs nicht kennen würde. Ich war lediglich überrascht, dass sie Dir offenbar so wichtig sind bzw. so viel bedeuten.
Insbesondere Deine Bemerkungen zu „Then Play On“ bringen mich dazu, diese Scheibe endlich auch mal wieder aufzulegen.
Und „Agemo’s Trip To Mother Earth“ haben wir damals im Sommer 1969 beinahe täglich gehört in meiner Clique. Ich mag diese Platte auch heute noch, aber sie gehört dennoch zu denen, die vielleicht doch nicht ganz so gut gealtert sind.
Dass du die Sachen kennst, habe ich mir natürlich zu mindestens 98 Prozent schon gedacht. Da aber der eine oder andere mitlesen mag, dem das alles nicht so vertraut ist, lasse ich dennoch hier und da mal eine Info mit einfließen, die dir in der Regel wahrscheinlich vertraut ist.
Die unterschiedliche Wertschätzung bspw. der Group 1850 könnte vielleicht an den verschiedenen Rezeptionssituationen liegen. Du hast die Musik zeitlich in ihrem Entstehungszusammenhang gehört, hast offenkundig mehr oder minder intensiv zur unmittelbaren Zielgruppe gehört. Die Platte war für dich jederzeit zugänglich, da aktuell. Ich habe sie knapp 10 Jahre später, 1978, kennen gelernt. Da war das bereits eine Rarität, die zu Preisen um 150,- DM gehandelt wurde – wenn sie denn überhaupt einmal auftauchte. Ich kannte welche, die sie hatten, und mit denen habe ich sie dann recht selten gehört, vielleicht 4-5mal im Jahr. Aber wenn, dann meist extrem intensiv in der Art von Situationen, für die sie wohl gedacht ist. Dabei hat sie mich tiefst beeindruckt und breite Spuren hinterlassen. Irgendwann hatte ich sie dann natürlich auch im Regal, „vom Munde abgespart“ sozusagen.
Heute finde ich nach wie vor, dass die – zum Teil in ihrer Art ja durchaus nicht unextreme – Musik bestimmte Aspekte ihrer Zeit in typischer Weise repräsentiert. Letztes Jahr habe ich die Platte mit dem rund 20-jährigen Sohn eines leider viel zu früh verstorbenen sehr guten Freundes gehört. Anhand der Musik – er hat sehr deutlich neben den Gesten und Mimik die musikalischen Gene des Vaters geerbt – und begleitenden Schilderungen konnte ich ihm Einiges von den Erlebnissen zugänglich machen, die seinen Vater, mich und weitere seinerzeit bewegten. Auch das hat mir die Bedeutung dieser Platte für mein Leben und Empfinden nochmals vor Augen geführt. Wenn ich an die 60er denke, darf Agemo’s Trip einfach nicht fehlen. Paradise Now! habe ich ja schon weggelassen …
And now to something completely different … die versprochene Fortsetzung:
The Jimi Hendrix Experience – Electric Ladyland
Da muss ich doch nicht wirklich was zu sagen, oder?
King Crimson – In the Court of the Crimson King
Dürfte ebenfalls klar sein, allein schon wegen 21st Century Schizo Man.
The Byrds – Younger than Yesterday
Ich verweise auf den einschlägigen Sterne-Thread, wo ich mich einmal zu einer Besternung bzw. der Bestätigung einer solchen hinreißen ließ. Aber auch nur, weil das hier so einfach ist: Alles voll auf die fünf – sehr bunt, musikalisch vielfältig und, in der richtigen Stimmung gehört, frisch, und manchmal immer noch heute jünger als gestern.
Mandrake Memorial – dito
Die erste MM – eine zumindest in Europa wohl weitestgehend unbekannte und heute fast komplett vergessene Psychedelic-Band aus Philadelphia – gefällt mir so gut wegen des doch ungewöhnlichen Sounds, in dem ein Spinett/Cembalo-Keyboard eine tragende Rolle spielt. Außerdem hat es mir die recht hohe männliche Kopfstimme genauso angetan wie die sanfte Melodieführung der formal meist noch Pop-Lieder, die in dieser Kombination einen sehr verführerischen Drift erzeugen. Dazu kommt noch der stetig in Bewegung befindliche rhythmische Unterbau, der in mir das Gefühl eines sich ständig bewegenden, weit geknüpften Knoten-Teppichs erweckt, so wie ihn beispielsweise manche Taxifahrer oder professionelle Fahrer zur Rückenaktivierung auf ihrem Sitz haben. Das rollt einfach mäandernd immer weiter, in den ruhigeren Balladen fließt es sanftens. – Nebenbei: Der Sänger und Bassist – mit dem schönen Namen Randy Monaco gesegnet – hat später bei der 1910 Fruitgum Company gespielt, u.a. wohl auf dem Bubblegum-Hit „Simon says“. Aber das wusstest du natürlich, oder? Ich habe das neulich im Netz gefunden, mir war das neu.
Mandrake Memorial – Medium
„Don’t walk on my daydreams, they’re all I have“: Insbesondere die rhythmische Bewegung setzt sich auf der zweiten MM-LP noch intensiviert fort, auch wenn das Cembalo weitestgehend verschwunden ist. Noch stärker ist dafür der psychedelisch verführende, bittersüße Ton der Stimme und Texte, der mit entsprechend gezogenen Gitarrentönen fortgesetzt und verstärkt wird. Die Tentakel des Kraken sind hier so samten gekürscht wie selten: „You know the sun shines so much warmer on the other side“. Erfolgsmäßig gehört MM sicher in die zweite bis dritte Liga der Psychedelic, inhaltlich, so sehe ich das, eher in die Meisterklasse.
Captain Beefheart & His Magic Band – Safe as Milk
Dazu muss man eigentlich auch nicht viel sagen. Ein musikalischer Meilenstein von 1966, veredelt unter anderem von Ry Cooder.
Family – Entertainment
Für mich die schönste Scheibe der englischen Psychedelic. Ein kleines Kabinett-Meisterstückchen der Kammermusik reiht sich ans andere, musikalisch höchst abwechslungsreich und stimmlich ein einziges Fest. Einfach große Klasse. Es wundert mich schon lange, dass diese Platte allgemein so eine geringe Rolle spielt, meist wird ja „Music in a doll’s house“ erwähnt. Die oft vergessen wirkende „Entertainment“ spricht mich um einige Längen mehr an.
The Stooges – dito
1969: No fun, ma babe, no fun.
West Coast Pop Art Experimental Band – Part One
1967: Fun, ma babe, fun: „What a transparent day“. Das ist für mich der zu Musik geronnene beste Aspekt des „Summer of Love“ 1967 an der amerikanischen Westküste. Hier zeigt sich, dass es neben der bisweilen verkrampft wirkenden Lockerheits-Ideologie auch intelligente Hippies mit Humor gab. Ich weiß dabei natürlich wie immer: „It’s all in your mind“. Eben.
The Beatles – dito (White Album)
Dieses Doppel-Album bietet ein Füllhorn an Ideen, zersprengt und Genre zersprengend, immer humorvoll und vom Pop beseelt in einer überwiegend sehr direkten und „lauten“ Produktion, für mich die beste und kreativste Arbeit der Beatles, die zugleich das Verglühen des Kometen bedeutet – Höhe- und in gewissem Sinn Endpunkt gleichermaßen.
The Small Faces – Odgen’s Nut Gone Flake
*Martin* knows. Für mich ist das ein Tropfen Nostalgie, aber gehört dennoch weiter in meine Liste, auch wenn ich sie nicht mehr oft höre. Happiness Stan ist einfach ein netter, witziger Typ.
The Who – Tommy
Flippern ist der Ballsport, in dem ich es am weitesten gebracht habe. Jedenfalls hätte es möglicherweise für eine Bundesliga reichen können. Im Fußball war mir das nicht vergönnt.
The Pretty Things – S.F. Sorrow
Die drei Letzten gehören ja ohnehin in eine Reihe. Kann das eigentlich sein, das S.F. Sorrow in den letzten Jahren an öffentlicher Bedeutung verloren hat? Es wird jedenfalls viel weniger – als sagen wir mal in den 80ern noch – in einschlägigen Referenzlisten erwähnt. Gibt es keinen Samstag mehr? Ist Baron Saturday vergessen und verloren, unbekannt vermodernd auf einem unbekannten Friedhof in einem Webspiel? Who knows …
Zweiter und letzter Teil Ende.
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The only truth is music.