Re: Bob Dylan

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notdarkyet

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Ein paar Eindrücke zu Bamberg:

Dylan hat sich seine „Static-Setlist“ nun endgültig auf den Leib geschneidert. Ein perfekt sitzender Anzug. Die zwei „Shadows…“-Songs (In Bamberg: „I´m a fool“ und „Autumn Leaves“) ergänzen die funktionierende „Tempest-Setlist“ perfekt. Sein Gesang bei „Fool“ u. „Autumn“ ist live wirklich beeindruckend. Ja, er trifft die Töne, wechselt die Tonlage. Ist offensichtlich konzentriert, sogar etwas unsicher noch und genießt sichtbar die eigene Performance. Das Publikum feiert die beiden Debuts, Szenenapplaus.

Die Vermutung vieler Dylan-Hörer, dass das neue Album ein Album hauptsächlich zur Live-Reproduktion sein könnte, sozusagen als Dylans Spätperformance, scheint sich zu bestätigen: Ich kann mir wirklich jeden einzelnen Song von „Shadows“ ganz wunderbar live vorstellen. Ich denke auch, da kommt noch Einiges. (Vielleicht sogar wirklich irgendwann das ja beinahe schon angedrohte Engagement in Las Vegas…)

Meine aufkommende „Langeweile“, nach vielen gehörten Live-Bootlegs in den letzten 2 Jahren und 7 Konzertbesuchen mit „statischer Setlist“ 2013-2014, hat sich derweilen komplett verflüchtigt. Die Arrangements verstärken, mit zwei Ausnahmen („Pay in Blood“ und „Long and wasted years“), Dylans wiedererlangtes Gesangs- und v.a. Pronouncingpotenzial. Es ist wirklich ein Genuss, seinen Geschichten zuzuhören. Man versteht jedes Wort und die neuen Strophen einiger Songs (z.B. „Workingmans Blues“ und „Long and wasted years“) kommen daher wie in Stein gemeißelt.
Z.B. Workingman´s Blues 2:

„I woke up this morning
And I sprung to my feet
And I went into town on a whim
I saw my father in the street
At least I think it was him
In the dark I hear a song bird call
You know the hills are rugged and steep
But I’ll sleep in the kitchen with my feet in the hall
If I told you my whole story you’d weep“

Eine kleine Überraschung dann: “Love Sick” als Closer. In einer drängenden, fast rockigen Version. Die Bamberger klatschen mit und Dylan hat offensichtlich Spaß dabei. Schräg aber gut! (Von „Love Sick“ und „I´m a Fool“ habe ich zwei sehr gute Bootlegs-Aufnahmen aus Bamberg. Bei Interesse pn an mich für den Link)

Nochmal zur „Static-Setlist“:
Ein Großteil des Publikums besucht ja höchstens ein Dylankonzert pro Tour. Für diese Besucher ist diese Setlist sicher ganz großartig und ich wünsche jedem Konzertbesucher genau diese Songliste. Für die Besucher vieler Dylankonzerte am Stück kann das evtl. schon ermüdend werden, but „things have changed“ und es ist gar nicht schlecht, dass momentan jeder Song live funktioniert. Das war ja mal ganz anders. (In den 2004 bis 2012 Touren gab es ja z.B. teils wirklich schlechte, völlig kaputtgeballerte, „Interpretationsversuche“. Für Dauerkonzertgänger ganz lustig. Für einmalige Besucher wohl eher weniger…)

Nicht so schön:
Charlie Sexton kriegt nicht ein einziges Solo. Tony Garnier nur ganz kurze Filler. Die Band ist großartig und es sind die Pausen, unvermittelten Stops und Tempowechsel, die bei den momentanen Auftritten begeistern. Trotzdem wäre ein klein wenig Shaking ganz schön.
Und: Es ist viel zu leise leider (In Bamberg war das gut zu verkraften; Bei Open-Air-Gigs ist das sehr schade).

Lange Rede, kurzer Sinn:
Ich habe mir Karten für Berlin 1+2 gekauft und würde jedem Dylan-Interessierten dazu raten, es mir nachzutun. (Es gibt auch noch wunderbare Plätze im tollen Tempodrom).

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