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Sonic JuiceTendenziell teile ich Friedrichs Eindrücke, bin aber vielleicht noch etwas nüchterner.
Was heißt noch etwas nüchterner? Ich habe nichts getrunken!
Ich hatte schon befürchtet, dass ein shitstorm über mich hereinbricht, wenn ich entgegen der offenbar medial vorherrschenden Meinung an der Bowie-Ausstellung herummäkle. Diedrich Diederichsen als besserwissender Skeptiker zählt nicht, denn der wird genau dafür bezahlt.
Abgesehen von dem durchaus interessanten nahen Blick auf die Kostüme blieb für mich nicht viel memorables übrig, das man nicht anderweitig, sinnlich oder rein informationell, viel besser erschließen könnte – per DVD, youtube, Lektüre, Platten.
Den Gedanken hatte ich auch. Was kann mir die Ausstellung bieten, was mir das Internet nicht auch bietet? Dabei läge die Antwort eigentlich nahe: Den Informationswust sichten, werten und ordnen. Ich weiß, die Ausstellung stellt schon eine sehr reduzierte Auswahl des zur Verfügung stehenden Materials dar. Aber unübersichtlich und unfokussiert bleibt sie trotzdem.
Dass die Ausstellung, soweit ich das überblicken konnte, jegliche kritische Auseinandersetzung und Distanz vermissen ließ, was die Einordnung Bowies in der Popgeschichte angeht, war erwartbar und wohl auch unvermeidlich, aber ist für mich trotzdem ein Manko. So kann man auch die präsentierten Superlative nicht richtig einordnen, wenn im Grunde von den 60ern bis heute alles gleich sensationell, wegbereitend und genial zu sein scheint. Es bleibt mal wieder der Eindruck, dass man sowas ja nicht seriös und sorgfältig kuratieren muss, sondern ruhig in der affirmativen Fanperspektive verharren kann, weil es ja eh „nur“ Pop ist.
Ab hier komplett editiert wegen zu viel redundanten Zeug:
Wenn’s denn wenigstens die Fanperspektive wäre! Ich selbst bin kein ausgesprochener Bowie Fan, aber selbst solche, die es sind, haben oft durchaus einen reflektierten und kritischen Blick auf ihr Idol. Bowies Karriere hat ja nicht nur zahlreiche Brüche und Wendungen, sie hat auch einige aufs und abs aufzuweisen. Wenn Bowie Anfang der 70er Jahre mit roten Haaren und gemustertem Strampelanzug auf dem Fernsehschirm ins spießige heimische Wohnzimmer flimmerte, vom Sternenmann sang oder sich gar in Frauenkeidern auf einem Sofa räkelte, dann sind sich viele Fans durchaus bewusst, was für eine Faszination das auf einen damals 14-jährigen ausgeübt haben muss und wenn sie auch nur ein wenig nachdenken, bekommen sie wohl auch eine Ahnung davon, was diese Rollenspiele für Bedeutungen haben könnten.
Umgekehrt sind viele Bowie Fans – gerade die, die ihn aus den 70ern kennen – von seinem Werk der 80er Jahre ab Let’s Dance tief enttäuscht. Sogar David Bowie selbst ist davon ja tief enttäuscht und spricht es offen aus! Hätte man ruhig zeigen können, aber so hinterlässt die Ausstellung den Eindruck einer unkritischen Lobhudelei – wenn auch sehr aufwändig und professionell gemacht.
Darüber, dass das alles schlecht und unübersichtlich strukturiert war, sind wir uns wohl einig. Ausstellungsdesign und Marketing stammen übrigens von einer Agentur für Erlebnismarketing, und wenn man diese Eigenbeschreibung wörtlich verstehen will, hat diese Agentur auch genau das abgeliefert, was sie versprochen hat und ganze Arbeit geleistet. Man muss dann aber auch mal die Frage stellen, in wie weit Erlebnismarketing das richtige Mittel der Kulturvermittlung ist. Egal ob Pop- oder andere Kultur.
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“There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.” (From the movie Sinners by Ryan Coogler)