Re: SOUNDS Nr. 1/08 (Black Music)

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der-hofacker

Registriert seit: 07.04.2005

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j.w.Der Artikel über das Soul-Revival von Tobi Müller fängt ja sehr merkwürdig an. Da werden die Worte „retro“ (im Deutschen) und „vintage“ (im Englischen) miteinander in Beziehung gesetzt und die unterschiedliche Bedeutung thematisiert. Nur entsprechen sich die Worte nicht, es gibt auch im Englischen „retro“ (meint das gleiche wie im Deutschen, nämlich rückwärts-Gewandheit) und „vintage“ steht halt für das originäre, das klassische, „antike“, Original.

Ahoi, Jan! :-)

Ähem, so ganz versteh ich nicht, wo Dich da der Schuh drückt. Ich fand das eigentlich ganz schlüssig, diese beiden Begriffe und auch das, wofür sie nach heutigem – korrektem oder nicht korrekten – Sprachgebrauch stehen, mteinander in Beziehung zu setzen. Zumal dieser Vergleich auch den gedanklichen Ansatz seines Artikels gut nachvollziehbar machte.

Anyway – an alle anderen Forumianer:

Ich – und auch die restliche Redaktion – bin ganz happy, dass Ihr Euch so viele Gedanken zu diesem ersten SOUNDS-Heft macht und natürlich auch darüber, dass Ihr es fleißig kauft (das sichert den vorläufigen Fortbestand dieses durchaus knapp kalkulierten Magazins). :-)
Zu Euren Kritikpunkten: Einiges ist sehr berechtigt, etwa die Sache mit den Jahresangaben in den CD-Reviews. Wir werden das natürlich ändern.
Die Krux mit dem Jazz ist allerdings komplizierter. Wir haben da lange drüber palavert, uns aber letztlich vor allem angesichts des begrenzten Platzes dafür entschieden, diesen Stil nicht in epischer Breite zu bearbeiten, weil er a.) eigentlich eher ein eigenes Haft rechtfertigen würde und b.) gemessen an der Fragestellung, inwiefern und wie schwarze Musik weißen Pop geprägt hat, zumindest in den letzten Jahrzehnten nicht so schrecklich relevant gewesen ist (was nicht heißt, dass es keine Verbindungen gäbe, Weather Report, Miles Davis, Herbie Hancock etc.).

Die CD: Man kann’s nicht allen recht machen. Und man muss natürlich bei sehr alten Tracks entsprechend kurze Spielzeiten in Kauf nehmen. Ein dritter nicht zu unterschätzender Punkt bei der Bestückung der Heft-CD (das gilt für alle Hefte und alle Verlage): Neben der reinen CD-Produktion muss ein Verlag für jeden einzelnen Track entsprechend GEMA zahlen (und das ist richtiges Geld!), daher ist die Menge in der Regel auf 10-12 begrenzt, da das gute Stück sonst kaum zu finanzieren wäre.

Noch ein Wort zur herben Kritik in den Feuilletons von SZ und FAZ: Wir haben niemals behauptet, das alte SOUNDS-Konzept wiederzubeleben. Stattdessen haben wir ein nagelneues Heftkonzept für den Markt der Musikzeitschriften entwickelt und diesem Heft den Namen SOUNDS gegeben, weil’s ein toller Name ist und weil er zum Heft passt. Sicherlich auch mit dem Gedanken im Hinterkopf, das journalistische Renommee und die Unabhängigkeit dieser legendären Marke als Verpflichtung für das neue Heft zu übernehmen. Was ist daran falsch? Im Übrigen: SOUNDS ist seit 25 Jahren tot – es muss doch wohl erlaubt sein, die Geschichte dieser Marke nach einer so langen Pause mit einem neuem, zeitgemäßen Konzept fortzuschreiben.
Was den Maibach-Vergleich angeht, der hier irgendwo auftauchte: Sooo toll war SOUNDS, bei allem Respekt, nun auch wieder nicht. Lest mal die alten Hefte, da ist weißgott nicht alles Gold, was mit dem verklärten Blick aus 25 Jahren Entfernung glänzt. Man merkt deutlich, dass die damals noch erheblich unprofessioneller arbeiten mussten, so mancher Schreiber kam handwerklich wie auch journalistisch über gehobenes Schülerzeitungs-Niveau kaum hinaus (was dem Blatt auch einen gewissen anarchistischen Charme verlieh). Und die heute zum Mythos gereiften Artikel von verdienstvollen Leuten wie Hilsberg oder Diederichsen führten das Blatt eben auch ins kommerzielle Abseits. Ich selbst, Stammleser in den 70ern, gehörte zu denen, die Anfang der 80er das Interesse an SOUNDS rapide verloren, weil es immer abgehobener und für meinen Geschmack uninteressanter wurde.
Spex hat die Fackel übernommen, und die machen auch heute noch einen prima Job. Es wäre dumm und witzlos, da heute gegen anzutreten. Auch wenn die Hornbrillenträger in den Feuilletons Zeter und Mordio schreien und uns Leichenfledderei unterstellen: Ein professioneller Verlag wie der unsere wird kaum so dämlich sein, die Markteinführung eines neuen Heftes auf puren Etikettenschwindel und den Umstand zu gründen, dass ein paar alte SOUNDS-Fans in den Laden rennen und das neue Teil kaufen, weil sie glauben, die alte SOUNDS sei wieder da. Fakt ist: Spätestens nach der dritten Ausgabe wird darüber nicht mehr diskutiert werden, denn spätestens dann muss das neue SOUNDS ohne diesen Nostalgie-Effekt auskommen und mit einer eigenen Identität überzeugen.

Im Übrigen: Das vorliegende Heft ist der erste Versuch, eine neue Magazin-Idee umzusetzen – dass das nicht gleich mit einem perfekten Ergebnis endet, sollte einleuchten. Wir werden selbstverständlich jegliche konstruktive Kritik annehmen und versuchen, das zweite Heft noch besser zu machen. Andererseits sind RS-Leser, und hier speziell die Forumianer, eine höchst anspruchsvolle und extrem vorgebildete Klientel. Aber sie sind nicht die einzige Klientel von SOUNDS. Wir wollen auch Menschen für das Heft interessieren, die noch keinen Doktor in R’n’R-Historie haben und folglich vieles noch entdecken wollen. Da wird mancher von Euch auch in Zukunft mal die Nase rümpfen und sagen, ach, brauch ich nicht lesen, kenn ich schon. Trotzdem werden wir versuchen, an allen Themen, auch den vermeintlich ausgelutschten, möglichst neue oder zumindest überraschende bzw. originelle Aspekte zu finden…

Lange Rede, kurzer Sinn: Danke für Eure wohlwollende Aufnahme und Kritik des Heftes! Zwischen den Zeilen kommt deutlich rüber, dass die Mehrheit SOUNDS als Bereicherung des Musik-Blätterwaldes sieht – und darüber freuen wir uns tierisch! :-)

Liebeb Grüße rundrum und schönes Wochenende!

Der Hofackerernst

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