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coleporterDann mach doch bitte einfach einen Raucherclub auf. Wenn es eine geschlossene Gesellschaft ist und keine öffentliche Kneipe, dann ist das meines Wissens legal.
Es gibt halt dann keine Schanklizenz. Aber nachdem es ja nur ums Rauchen geht…
Die CSU hat zuviele Fehler gemacht:
SZ, 02.07.10, „Auch Bayern hatte eigentlich ein sehr klares Rauchergesetz, ohne jede Ausnahme. Es war das strengste Rauchergesetz in Deutschland. Als das Bundesverfassungsgericht die Rauchverbote in anderen Bundesländern wegen der Ungleichbehandlung von Gaststätten kippte, erklärte es dieses strenge, klare, bayerische Rauchergesetz für vorbildlich.
Wer verstehen möchte, was seither in Bayern geschehen ist und warum an diesem Sonntag mit einem Volksentscheid noch mal über das vorbildliche Gesetz abgestimmt wird, sollte es sich von Thomas Zimmermann erklären lassen, dem gesundheitspolitischen Sprecher der CSU-Fraktion. Er ist Arzt. Auch Oppositionspolitiker kommen zu ihm, wenn sie ein Rezept brauchen. Erstaunlich ist: Wenn man Thomas Zimmermann auf der schönen Terrasse des Bayerischen Landtages über der Maximilianstraße fragt, welche Fehler die bayerische Staatsregierung in dieser Sache gemacht hat, wiegelt er nicht ab, wie man es von einem Mitglied der Regierungsfraktion erwarten würde. Der CSU-Mann Zimmermann schaut eine Weile hinunter auf die schöne Stadt, dann zählt er seelenruhig die Fehler der CSU an den Fingern seiner linken Hand ab: Erstens, zweitens, drittens, viertens . . .Der erste Fehler war, dass Edmund Stoiber und Franz Müntefering in der Föderalismuskommission und zur Freude der auf Verwirrung und Verzögerung spekulierenden Tabaklobby festgelegt haben: Raucherschutz ist Ländersache.
Der zweite Fehler war, das beste Raucherschutzgesetz Deutschlands ausgerechnet zum 1. Januar in Kraft treten zu lassen und die bayerischen Raucher damit raus in die Kälte zu schicken. Der dritte Fehler waren die harmlos aussehenden Wörter ’soweit sie öffentlich zugänglich sind‘ im Gesetzestext. Sie führten dazu, dass sich alle Wirte, die weiter rauchen lassen wollten, für ‚öffentlich nicht zugänglich‘ erklärten – zu Clubs also. Der Münchner Kreisverwaltungsreferent erzählte zu dieser Zeit gerne, dass seine Kinder mittlerweile mehr als 40 Clubkarten in der Tasche hätten, wenn sie abends ausgehen. Gesetzestreue Wirte fühlten sich benachteiligt. Der ‚Verein zum Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur‘ lief Sturm gegen die CSU – und die Tabaklobby sah ihre Chance.
Dann brach die CSU bei den Kommunalwahlen schlimm ein und machte den nächsten Fehler: Sie lockerte das Gesetz wieder. Weil der Sonntag der Landtagswahl in die Zeit des Oktoberfestes fiel, nahm sie ‚für ein Jahr‘ alle Bier-, Wein- und Festzelte vom Gesetz aus. Also war Rechtsunsicherheit in Bayern, Marlboro-Country und Vertrauensschwund. Jeder machte, was er wollte. Dann verlor die CSU bei der Landtagswahl die absolute Mehrheit und den Rest ihres Selbstbewusstseins. Der designierte Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer, der als Bundesgesundheitsminister noch ein sehr scharfer Hund und also für den totalen Nichtraucherschutz gewesen war, er kündigte weitere Lockerungen an: In Bier- und Weinzelten, in Nebenräumen von Gaststätten und Diskotheken sowie in Einraumkneipen mit bis zu 75 Quadratmetern Fläche soll künftig wieder geraucht werden dürfen. Die meisten Wirte, Raucher und auch die Tabaklobby waren zufrieden. Ärzte, Gesundheitsverbände, Eltern und empfindliche Nichtraucher waren es nicht. Die CSU-Wähler hatten aber verstanden, wie wankelmütig ihre Regierung ist.
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