Re: ROLLING STONE August 2008

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torsten-gross

Registriert seit: 26.02.2008

Beiträge: 230

nail75@Mikko/Torsten Groß: Das ist mir alles zu vage. TG kann die Substanz „keinesfalls erkennen“, Mikko hat sie „bislang nicht erschlossen“. Näheres bleibt freilich dunkel. Das finde ich sehr unbefriedigend. Natürlich sind kritische Analysen erlaubt und sogar dringend notwendig, aber inwieweit habt Ihr Euch denn mit den Vorschlägen Obamas näher beschäftigt? Oder urteilt ihr auf der Basis der Frage der mangelnden Erfahrung Obamas?

Ihr solltet außerdem Folgendes bedenken:

– Erfahrung garantiert nicht, dass jemand ein guter Präsident wird. Es gab umgekehrt schon relativ unerfahrene Präsidenten, die die Erwartungen mehr als erfüllt haben.

– Die Gesetze der USA macht immer noch der Kongress und nicht der Präsident. Der Präsident ist außerdem kein Ministerpräsident, der sich auf eine mehr oder minder große Mehrheit seiner Partei im Parlament stützen kann und von ihr abhängig ist. Stattdessen muss er in jeder einzelnen Frage mit dem Kongress verhandeln. Wenn der sich verweigert, kann er kaum etwas tun.

– Obama hat meiner Ansicht nach zahlreiche ausreichend konkrete Vorschläge gemacht, beispielsweise für den Abzug der Truppen im Irak, zur Einführung einer allgemeinen Krankenversicherung und im Steuerrecht. Ich finde Eure Abqualifizierung kommt etwas allzu schnell, ohne dass ich erkennen kann, was Ihr denn von Obama verlangen würdet, damit ihr ihm Substanz zusprechen würdet.

– Es ist von Seiten von Politikern durchaus riskant sich zu genau zu aktuellen Fragen zu äußern. Genau ausgearbeitete Pläne können sehr schnell gegen einen verwendet werden. Natürlich sollte man sie in der Schublade haben, aber sich öffentlich zu eindeutig festzulegen (siehe auch den aktuellen Wahlkampf in Österreich) ist durchaus riskant.

Natürlich hat er in den letzten paar Monaten, nachdem er insbesondere am Anfang seiner Kampagne inhaltlich überhaupt nicht einzuordnen war einige konkrete Vorschläge gemacht. Allerdings hat er gerade einen der von dir genannten teilweise bereits wieder revidiert, mindestens aber abgeschwächt: Man müsse erst den Rat von Militär-Experten einholen bevor man final entscheide, wie im Irak zu verfahren sei. Nach der Wahl. Außerdem relativierte er eine früher getroffene Aussage zur Verschärfung der Waffengesetze und dergleichen mehr. Das sind natürlich wahltaktische Manöver, eine zu liberale Ansicht gerade in diesen Punkten schafft in den USA keine Mehrheiten. Aber gerade das macht Obama inhaltlich eben auch vage und schlecht einschätzbar. Er selbst hat sich ja im Gegensatz zur pragmatischen Hillary Clinton als Mann der Wahrheit und der klaren Botschaften positioniert. Und daran muss er sich dann eben auch messen lassen.

Mangelnde Erfahrung habe ich ihm nicht vorgeworfen.

Natürlich macht der Kongress die Gesetze – aber noch ist Obama nicht Präsident, kann also eigentlich gar nichts tun, wenigstens aber deutlich machen, was er tun würde, wenn er denn könnte – und genau hier bleibt er teilweise undeutlich.

„Yes we can“ – was denn? Einen opportunistischen Wahlkampf bestreiten? Das können die anderen auch, ja nach deiner Aussage müssen sie es sogar: Du sagst praktisch, Wahlkämpfe müssten taktisch, pragmatisch und thematisch flexibel bestritten werden, um Aussicht auf Erfolg zu haben. Sicher nicht falsch – aber genau das ist es ja, was die Leute – nach seinen Versprechungen zu Recht – eben nicht von Obama erwarten.

Zu keinem Zeitpunkt ging es mir darum, Obama grundsätzlich zu diskreditieren. Natürlich ist er die bessere Alternative zu Bush, ziemlich sicher auch zu McCain. Ein gewisses Misstrauen ihm gegenüber ist aber meiner Meinung nach durchaus angebracht. Gerade weil mit seiner Person so viel Hoffnung verbunden ist.

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