Re: Keith Jarrett

#6720113  | PERMALINK

friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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vorgarten
(Sonny Rollins:)

es gibt zwei großartige interpretationen – die erste ist auf dem blue-note-live-at-the-village-vanguard-livealbum (mit wilbur ware und elvin jones), die zweite auf dem einzigartigen SONNY MEETS HAWK (meets paul bley, muss man hinzufügen).

(Anita O’Day:)

mir schon! was findest du daran so ungewöhnlich? sie verbindet doch total ihr technisches können, die virtuosität, die sie zur erweiterung des standard-rahmens nutzen. ALL THE SAD YOUNG MEN ist für mich eine der schönsten vocal-jazz-kompositionen, ist völlig mit anita o’days interpretation assoziiert und stammt von ihrer schönsten und experimentellsten lp.

Ich bin in der Jazz-Literatur (kann man das so sagen? Oder: im Jazz-Kanon?) offenbar bei weitem nicht so bewandert wie du, lieber Vorgärtner ;-). Die Sonny Rollins-Aufnahme kenne ich nicht. Anita O’Day stelle ich mir immer als so einen happy-go-lucky Wonneproppen vor, der allerdings drogenbedingt auf die schiefe Bahn geraten ist. Keith Jarrett ist für mich eher der nachdenkliche Sensible. Also irgendwie zwei völlig verschiedene Welten. Anita O’Day, die exaltierte Big Band-Sängerin einerseits, Keith Jarrett, der grübelnde Piano-Solo-Improvisator andererseits.

Anita O’Day mag ich ja sehr, irgendwie bin ich in die verknallt!

vorgartenden vergleich finde ich auch immer sehr spannend. evans‘ trio ist ja eigentlich ziemlich experimentell aufgestellt, aber bei ihm selbst höre ich auch immer eher das makellose, unangreifbar perfekte, manchmal fast bürokratische, hinter dem aber immer eine melancholie liegt – weniger was suchendes, abenteuerisches. zwei völlig anders gelagerte emotionalitäten.

Ja, es gibt überhaupt keine emotionalen Ausbrüche bei Evans. Der wirkt auch hoch sensibel und feinsinnig, aber mit ihm geht nie das Temperament durch, seine Musik läuft nie aus dem Ruder. Immer alles völlig kontrolliert und makellos. Auch schön, aber anders.

Er hat allerdings auch ein paar recht experimentelle Solo- und Duo-Platten gemacht (mit sich selbst als Partner). Ich habe auch eine etwas obskure Third Stream-Platte mit Orchester von ihm (SYMBIOSIS). Auch ein interessanter Fall, und natürlich nicht nur stilistisch mit Keith Jarrett verwandt, sondern auch aufgrund eines gemeinsamen, ehemaligen Mentors. Wie hieß er noch gleich?

Friedrich

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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)